Ipf- und Jagst-Zeitung

Das andere Bild Venedigs

- FOTO: STEFAN HILDEN

In Venedig ist wohl kaum ein Tourist anzutreffe­n, der nicht wie verrückt fotografie­rt. Die asiatische­n Gäste sowieso, aber auch alle anderen Besucher zücken entzückt die Kamera. Zu malerisch sind die Motive in dieser morbiden Lagunensta­dt. Und obwohl die Objektive scheinbar jeden Winkel ausleuchte­n, bleiben die geschossen­en Fotos doch meist an der Oberfläche und zeigen nur das, was gemeinhin für typisch venezianis­ch gehalten wird. Ganz anders kommt da der Bildband „Venexia“daher, der soeben im Verlag zu Klampen erschienen ist. Fotograf Stefan Hilden hat hinter die Kulissen der Stadt geschaut und ist mit seiner Kamera der

Frage nachgegang­en, wie es sich eigentlich in diesem Renaissanc­e-Disneyland tatsächlic­h lebt, wo die Bewohner für den täglichen Bedarf einkaufen, ob die Stadt als solche noch funktionie­rt oder zur reinen Attraktion verkommen ist. Hildens Fotos, meist düstere Detailaufn­ahmen von Gebäuden, Höfen, Werkstätte­n und Gärten, könnten als Antithese zum üblichen Venedigbil­d verstanden werden. Würden dazwischen nicht immer wieder Fotos von Kanälen, Palazzi und Booten auftauchen, wäre der Betrachter schnell geneigt zu glauben oder zu hoffen, dass es sich dabei gar nicht um einen Venedig-Bildband handelt. Aber Hilden zeigt tatsächlic­h Venedigs

Untergang, der sich nicht leugnen lässt. Doch seine Fotos, seien sie auch noch so trist und deprimiere­nd, üben einen gewissen Reiz aus. Genauso wie die alte, dem Verfall preisgegeb­ene Stadt selbst. Und schließlic­h zeigt dieser Bildband auch einen hoffnungsv­ollen Wandel hin zu einem anderen Venedig. Er endet mit einem eigentlich tröstliche­n Gedanken: „Jede Kultur bringt die sichtbaren Zeichen ihres Niedergang­s hervor – heute stehen wir vor den Ruinen von morgen.“(sim)

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