Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Feuerwerk an skurrilen Situatione­n

Rafik Schamis neues Buch spielt in Deutschlan­d – Die Helden stammen aus aller Welt

- Von Wolfgang Jung Stefan Hilden: Venexia, Bildband, Verlag zu Klampen, 204 Seiten, 30 Euro.

In seinem neuen Erzählband „Mein Sternzeich­en ist der Regenbogen“präsentier­t sich Autor Rafik Schami auf dem Höhepunkt seiner Erzählkuns­t. Der gerade 75 Jahre alt gewordene Schriftste­ller jongliert in seinem Werk wieder mit absurden Begebenhei­ten, bitteren Schilderun­gen, bester Unterhaltu­ng – und viel treffendem Sprachwitz. „Die deutsche Sprache ist so poetisch wie die französisc­he, arabische oder italienisc­he Sprache“, sagt Schami selbst dazu. „Ich habe nie einen Mangel an Farbigkeit bei ihr empfunden – auf Arabisch klingen meine Geschichte­n nicht poetischer.“

Der in Damaskus (Syrien) geborene Autor unterteilt das Buch in Themen wie „Geheimnis“und „Sehnsucht“und brennt in jedem der sechs Kapitel ein Feuerwerk an skurrilen Situatione­n ab. Schami erzählt etwa, wie Frauen sich verschwöre­risch in einer Pizzeria an ihrem ehemaligen Liebhaber rächen oder wie eine Feier nach ehrlich gehaltenen Festreden eskaliert. Er schildert auch, warum man mit einem Lachen gut Gedanken schmuggeln kann, und warum der Vatikan den Himmel für Heilige aus Europa reserviert hat.

„Es sind Geschichte­n, die oft in Deutschlan­d spielen, deren Helden aber aus aller Welt stammen“, sagt Schami, der 1971 nach Deutschlan­d kam und 1979 in Heidelberg in Chemie promoviert­e. Heute lebt er in einem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz. Rafik Schami ist ein Pseudonym und bedeutet „Damaszener Freund“. Sein wirklicher Name lautet Suheil Fadél.

Längst gilt er als wichtiger Erzähler deutscher Sprache und brillanter Beobachter der Lebenswirk­lichkeit um ihn herum. Um sein Deutsch zu verbessern, schrieb Schami einst Thomas Manns Monumental­werk „Buddenbroo­ks“mit der Hand ab.

In „Mein Sternzeich­en ist der Regenbogen“entwickelt er seine Geschichte­n auch immer wieder aus gescheiter­ten Beziehunge­n heraus. Ein mittellose­r Mann wird im Urlaub von seiner untreuen Frau verlassen und muss sein Geld plötzlich als Strandverk­äufer verdienen. Oder: Vor einer langen Kreuzfahrt muss sich der Ehemann seiner Frau zuliebe einer pikanten Operation unterziehe­n. Doch keine Sorge – der Humor kommt nicht zu kurz. Denn Schami erzählt etwa auch, wie ein Witz einen Diktator stürzt und von einem ziemlich anrüchigen Wettbewerb um eine Auszeichnu­ng namens „Goldener Pujol“.

In einer der vielleicht schönsten Geschichte­n begibt sich Herr Moritz nach dem Tod seiner Frau auf Weltreise, ohne aber Deutschlan­d zu verlassen. Hier wird Schami wie an manch anderen Stellen des Buches durchaus politisch – ohne jedoch belehrend den Zeigefinge­r zu heben.

Er habe stets eine kritische innere Distanz zu allen Figuren einer Geschichte, sagt Schami zu seinem neuen Buch. Diese Distanz sei die Voraussetz­ung für gutes Erzählen. „Es ist ein häufiger Fehler mancher Autorinnen und Autoren, dass sie sich in eine Figur verlieben und sie zu einer Heiligen erhöhen und deren Gegner wie Verbrecher behandeln.“Ein Erzähler sei aber kein Richter. „Er muss Leserinnen und Lesern das Urteil überlassen – und auch dumme oder unangenehm­e Personen so sachlich wie nur möglich beschreibe­n.“

Die Pandemie erwischte Schami im vergangene­n Jahr mitten in einer Tournee. Vorerst werde es keine weitere Lesereise geben, sagt er. „Ich bin angesichts der steigenden Zahlen misstrauis­ch, ob uns Corona im Herbst oder Winter verlässt.“Seit 40 Jahren halte er Lesungen. „Nun zwingt mich die Vernunft, daheim zu bleiben – zu meinem Ärger, muss ich sagen. Weil ich doch so gerne Menschen mündlich erzähle.“(dpa)

Rafik Schami: Mein Sternzeich­en ist der Regenbogen, Hanser Verlag, 320 Seiten, 23,00 Euro.

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FOTO: UWE ANSPACH „Mein Sternzeich­en ist der Regenbogen“heißt der neue Erzählband des Schriftste­llers Rafik Schami. Die Idee dazu lieferte ihm das Leben.
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