Herr Jäger, Familien mit Kindern, die heute maximal ein Jahr alt sind oder erst noch geboren werden, haben ab 2026 einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Nach langem Ringen haben sich Bund und Länder nun auf die Finanzierung geeinigt. Si
Vorweg: Ein bedarfsgerechter Ausbau des Ganztags ist das ausdrücklich erklärte Ziel der Städte und Gemeinden. Aber nein, es sind längst nicht alle Fragen geklärt, wenn Bund und Länder entscheiden, was Dritte, also wir Kommunen, tun sollen. Wir haben die Sorge, dass Finanzierungsund Personalfragen noch bei Weitem nicht geklärt sind. Der Fachkräftemangel ist heute schon enorm. Zunächst hätte geklärt werden müssen, bis wann welches Personal realisierbar ist. Alleine die Verabschiedung eines Bundesgesetzes löst diese Frage nicht.
Schon im vergangenen Jahr gab es Streit zwischen Baden-Württemberg und dem Bund um Gelder für den räumlichen Ausbau für Ganztagsangebote. Einzig der Südwesten erfüllte eigentlich nicht die Kriterien, um gefördert zu werden. Warum diese Sonderstellung?
Wir sind gar nicht so anders wie die anderen Bundesländer. Momentan sind hier aber viele Ganztagsangebote über Schulträger
organisiert. Das wurde in der großen Berliner Politik als Mangel an Qualität bewertet, weil die Angebote nicht unter staatlicher Aufsicht stehen. Wir bewerten das diametral anders, da diese Angebote vielfach mit außerschulischen Partnern gelebt werden, das bringt im Zweifel sogar ein Mehr an Qualität. Dieser Streit wurde zunächst überwunden.
Könnte er durch das neue Gesetz nun wieder aufflammen?
Wir haben die Sorge, dass das Gesetz den guten baden-württembergischen Weg erneut infrage stellt und wir dieselben Diskussionen von Neuem führen werden. Das wäre misslich. Deshalb hätten wir uns gewünscht, dass die Kommunen früher und adäquat eingebunden worden wären. Um den Ganztag im Land bewäre darfsgerecht auszugestalten, ist es zwingend erforderlich, dass unsere guten und stark nachgefragten Betreuungsangebote die Kriterien für den Rechtsanspruch erfüllen. Wir kennen die Kriterien aber noch nicht abschließend. Durch die falsche Schrittfolge haben wir nun eine unnötige Hürde. Wir müssen mit dem Land auch noch über die Finanzierung der Angebote sprechen, denn nach bisherigem Stand werden diese nicht ausreichend finanziert.
Wird das ein Schulschließungsprogramm durch die Hintertür, weil es nicht ausreichend Geld und vor allem Fachkräfte geben wird – gerade für kleine Gemeinden?
Die Gefahr sehe ich nicht, aber es wird die Schulträger immens fordern. Der Ausbau der Ganztagsangebote an den Grundschulen ist für die Eltern eine positive Nachricht – es falsch, darüber eine Diskussion über Schulstandortschließungen loszutreten. In der Gesamtbetrachtung, unabhängig von einzelnen Standorten, müssen wir schauen, dass Schulen wohnortnah erreichbar sind.
Am Montag startet das neue Schuljahr. Sind die Schulen vorbereitet und die Schüler gut geschützt?
Als Schulträgerseite sind wir gut vorbereitet: Wir haben Hygienekonzepte, Testungen, die funktionieren, gute und kluge Lüftungskonzepte und – wo erforderlich – ergänzende Luftfilter. Deshalb bin ich optimistisch. Die Stimmung zu vermitteln, dass Politik und Schulträger es versäumt hätten, Vorkehrungen zu treffen, wäre also falsch. Aber: Die Pandemie dauert an und wir haben auch noch kein Impfangebot für unter Zwölfjährige. Deshalb werden wir auch in Baden-Württemberg einen
Mit der CDU im Landtag haben Sie eine Taskforce gegründet, um Regeln zu erarbeiten, die Gemeinden die Möglichkeit geben, Einheimische bei der Bauplatzvergabe zu bevorzugen. Wie weit sind Sie? Das Thema beschäftigt den Gemeindetag schon einige Jahre. Wir haben eine valide Grundlagenanalyse zur Problematik und zu Lösungsansätzen. Mit der CDU hat eine Regierungsfraktion unseren Impuls erfreulicherweise aufgegriffen. Nun geht es um die Frage, welche Lösungen sind politisch und rechtlich gangbar? Dann werden wir besprechen, welchen Weg wir als Erstes beschreiten: Verhandlung mit der EU, mit dem Bund oder baden-württembergische Kriterien.
Gerade ländliche Gemeinden nutzen die Möglichkeit, derzeit mögliche kleine Baugebiete vereinfacht auszuweisen. Ist die Strategie des Wachstums die richtige? Braucht es bei Wohnen und Gewerbe vielleicht ein Umdenken angesichts Klimawandel und Artenschwund? Eine Prognos-Studie hat BadenWürttemberg bis 2025 einen Bedarf von einer halben Million neuer Wohnungen prognostiziert. Bei aller Anstrengung ist das nicht nur auf bereits ausgewiesenen Flächen zu realisieren. Deshalb ist es zwangsläufig, auch neue Flächen einer Wohnbebauung zuzuführen. Die Gemeinden treiben Innenentwicklung voran, doch leider trifft diese Nachverdichtung bei den Bürgern nicht immer auf Gegenliebe.