Mutmaßlicher Paketbomber streitet alles ab
Explosive Post erreichte im Frühjahr Lebensmittelfirmen – Ein Rentner aus Ulm steht nun vor Gericht
HEIDELBERG (dpa) - Das Paket, das ihm zum Verhängnis werden sollte, hatte der Mann erst einmal beiseitegelegt. Es war nur allgemein an die Getränkefirma ADM Wild in Nordbaden adressiert. Als der Mitarbeiter der Poststelle die restlichen Sendungen sortiert hatte, öffnete er das Päckchen. So groß wie eine Büchersendung. Es explodierte.
„Da war die Hölle los“, sagt der 44-Jährige am Mittwoch vor dem Landgericht Heidelberg – rund sieben Monate später. Es sei alles schwarz und voller Rauch gewesen. Bis er sich zu der Aussage durchringen kann, muss er mehrmals tief einatmen, sich Tränen aus den Augen wischen. Noch heute ist er gezeichnet von den Folgen der Paketbombe, geht zum Psychologen, bekommt Medikamente. Er berichtet von einer Panikattacke, Rauschen im Ohr, Schwindel, Schlafstörungen.
Fotos aus dem Krankenhaus direkt nach dem Vorfall zeigen Wunden an Kopf und Händen. Fotos der Kriminaltechnik das teilweise zerfetzte Paket. Metallteile und Spülschwämme schauen heraus. Das Kartonteil mit dem Adressaufkleber habe man erst Tage später bei einer Nachuntersuchung gefunden, sagt ein Polizeibeamter als Zeuge aus.
Für die Tat verantwortlich sein soll ein 66-jähriger Rentner. Zwei weitere selbst gebaute Pakete hat er den Vorwürfen zufolge an die LidlZentrale in Neckarsulm bei Heilbronn und an den oberbayerischen Babynahrungshersteller Hipp in Pfaffenhofen an der Ilm adressiert. Drei Menschen wurden bei Lidl verletzt, als der Sprengsatz dort detonierte. Das Paket an Hipp wurde rechtzeitig abgefangen.
Doch beim Prozessauftakt bestreitet der gelernte Elektriker jeden Zusammenhang mit der explosiven Post. „Ich bin nicht die von Ihnen gesuchte Person“, sagt der Deutsche. Er sei nicht derjenige auf einem Video aus einer Ulmer Postfiliale, in der die drei Sendungen aufgegeben worden waren. Zu dem Zeitpunkt sei er zu Hause gewesen.
Er habe auch noch nie anderen Menschen Schaden zugefügt, beteuert der Mann. Während der WildMitarbeiter aussagt, starrt er nur auf den Boden, würdigt den Mann keines Blickes. Der Justiz wirft der 66Jährige vor, ihn „zerstören“zu wollen. „Ich hoffe auf Gerechtigkeit.“
Darüber hinaus äußert sich der Rentner nur zu seinem Werdegang und betont dabei vor allem sein soziales Engagement – worüber er auch seine Frau kennenlernte. Sie kauften ein Reihenhaus. Fragen werde er keine beantworten, kündigt ein Anwalt an. Nur diese eine Erklärung.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, gefährliche Körperverletzung und versuchte schwere Körperverletzung vor. Er habe in Kauf genommen, dass Menschen schwer verletzt werden, sagt der Oberstaatsanwalt. Bei dem Mann zu Hause sei Munition gefunden worden, die er nicht besitzen durfte. Die Pakete sollen mit Drohungen weiterer Gewalttaten versehen gewesen sein. Bis zu 15 Jahre Haft drohen dem Rentner.
Über Sendungsnummern gelangten die Ermittler an Fotos von den Paketen aus einem Verteilzentrum, wie einer von ihnen berichtet. Darauf zu sehen als Absender: Namen von Frauen, gut leserlich gedruckt. Doch die Genannten gibt es nicht. Die Adressen hingegen schon. Sie gehören den Angaben nach zu Studentenwohnheimen in Ulm, Augsburg und München.
So fanden die Polizisten auch heraus, dass nicht nur die zwei Pakete aufgegeben wurden, sondern auch das dritte an Hipp. Dank Verzögerungen beim Postdienstleister hatte es sein Ziel noch nicht erreicht. Es wurde im Paketverteilzentrum am Flughafen München abgefangen und entschärft.
Für das Verfahren sind elf Fortsetzungstermine bis Mitte November geplant.