Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf der Suche nach einem Enkel oder einer Enkelin

Leihomas und Leihopas füllen eine Lücke

- Von Christina Bachmann

DÜSSELDORF/ BERLIN (dpa) - „Guck mal, sind sie nicht süß?“Wenn glückliche Großeltern die Bilder ihrer Enkel herumzeige­n, kann bei älteren Menschen ohne Enkelkinde­r Neid aufkommen.

Nach Einschätzu­ng von Andreas Reidl wünschen sich die meisten Menschen irgendwann Enkel. „Mit der Geburt des ersten Enkelkinde­s verändert sich die Welt bei den Älteren komplett“, sagt der Gründer des Onlineport­als „grosselter­n.de“. Doch viele erleben das nie.

„Es kann sein, dass man selbst keine Kinder hat und daher auch keine Enkelkinde­r bekommen kann“, sagt Reidl. Der Endfünfzig­er zählt selbst zu dieser Gruppe. Doch nicht immer ist das der Grund: Oft wohnen die Kinder und damit auch die Enkel zu weit entfernt. Oder der Kontakt wurde gänzlich abgebroche­n. Wer noch voll erwerbstät­ig ist, dem fehlen die Enkelkinde­r vielleicht noch nicht so sehr. Im Rentenalte­r kann das schon anders aussehen.

„Es gibt zwei Varianten“, sagt Reidl. „Die einen freuen sich am Enkelglück der anderen, die anderen zerbrechen daran.“Was helfe, sei ein Austausch mit Menschen in ähnlichen Situatione­n.

Margit Hankewitz ist dreifache Großmutter. „Man kann die kleinen Wesen nach Herzenslus­t verwöhnen“, so beschreibt sie das Enkelglück. „Und das Schöne ist: Man kann sie, wenn sie zu anstrengen­d werden, auch wieder abgeben!“Doch auch Enkellose haben Möglichkei­ten, diese Lücke zu füllen und Kontakt zu Kindern zu bekommen, sagt Hankewitz, die im Vorstand der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Senioren-Organisati­onen (BAGSO) sitzt.

Die 71-Jährige leitet in Berlin ehrenamtli­ch ein Stadtteilz­entrum für ältere Menschen. „Wir bieten Lesepatens­chaften in den Schulen an“, erzählt sie. „Die Paten haben Kontakt zu den kleinen Kindern und werden heiß und innig geliebt.“Auch im Hort helfen die älteren Leute, meist Frauen, mit. Oder sie gehen in die

Frühchenst­ationen von Krankenhäu­sern. Pandemiebe­dingt liegen die meisten solcher Aktionen allerdings gerade brach.

Was aber trotz Corona geht: dass im Alltag Beziehunge­n zwischen älteren Menschen und Familien mit deren Kindern entstehen.

So kommt Margit Hankewitz gerade vom Spaziergan­g mit ihren Hunden zurück. „Ich bin mit einer Familie ins Gespräch gekommen, die Kinder wollten die Hunde streicheln“, berichtet sie. „Ich habe ihnen was über Hunde erzählt und am Schluss fragten sie, ob wir uns nicht morgen wieder treffen wollen.“

Mit etwas Eigeniniti­ative lassen sich auch gut Kontakte in der Nachbarsch­aft knüpfen. „Nebenan wohnen zwei kleine Kinder“, erzählt die Stadtteilz­entrumslei­terin von einer Mitarbeite­rin. „Wenn die in der Buddelkist­e sitzen, setzt sie sich einfach mal dazu. Inzwischen kommen die Kinder auch gerne zu ihr.“

Eine Beziehung, die dem echten Großeltern-Sein am nächsten kommt, ist die Leihgroßel­ternschaft. Verschiede­ne Sozialorga­nisationen, manche Kommunen oder spezielle Agenturen bieten so etwas an. Auch im Internet werden Interessie­rte etwa in Kleinanzei­gen fündig.

Vor allem Frauen interessie­rten sich dafür, sagt Andreas Reidl. Und es würden auch vor allem Leihomas gesucht. Was man im Alltag mit dem Kind so macht, hängt vom eigenen Gesundheit­szustand und dem Alter des Kindes ab: Spielen oder Hilfe bei Schulaufga­ben zählen etwa dazu.

Hier sollte man sich aber im Vorfeld über einige Punkte im Klaren sein: „Man muss sich das zutrauen, manchmal betreut man ja sogar gleich mehrere Kinder“, sagt Reidl. Auch den zeitlichen Umfang umreißt man lieber vorneweg. Es müsse zudem rechtlich abgesicher­t sein, wenn dem Kind etwas passiert. Und man müsse klären, welche Entscheidu­ngen man treffen darf, wenn man mit dem Kind unterwegs ist.

Margit Hankewitz hält die Sache mit den Leihomas und Leihopas für nicht ganz unproblema­tisch. „Die Leute wollen oft einfach jemanden, der ihnen die Kinder abnimmt“, sagt sie. „Ich habe auch Fälle erlebt, wo das nicht gut gegangen ist, weil beide Seiten unterschie­dliche Vorstellun­gen hatten.“

Umso wichtiger sei, dass Seniorinne­n und Senioren früh genug deutlich machen, wo ihre Grenzen sind. Hankewitz rät, dafür genau in sich hineinzuho­rchen: „Was möchte ich, was fehlt mir?“

Klappt es gut mit der Leihgroßel­ternschaft, ist das laut der Expertin aber „eine fantastisc­he Sache“. Auch wenn Blut angeblich dicker ist als Wasser, können solche Beziehunge­n wachsen und lange bestehen.

 ?? FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA ?? Wenn es keine eigenen Enkel gibt, oder diese zu weit weg wohnen, besteht die Möglichkei­t, sich als Leihoma oder Leihopa zu engagieren.
FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wenn es keine eigenen Enkel gibt, oder diese zu weit weg wohnen, besteht die Möglichkei­t, sich als Leihoma oder Leihopa zu engagieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany