Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf ins dritte Corona-Schuljahr

Lehrermang­el, Luftfilter, Tests und Quarantäne – Was man zum Schulstart wissen muss

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Neben Bayern startet Baden-Württember­g am Montag als letztes Bundesland ins Schuljahr 2021/2022. Es wird das dritte sein, in dem das Lernen für 1,5 Millionen Schülerinn­en und Schüler von der Corona-Pandemie beeinträch­tigt wird. Weitere Schulschli­eßungen will Kultusmini­sterin Theresa Schopper (Grüne) unbedingt vermeiden, wie sie am Donnerstag in Stuttgart sagte. Volle Präsenz sei der feste Vorsatz der Landesregi­erung. „Wir tun alles, was wir können, um die Sicherheit in den Klassenzim­mern zu ermögliche­n.“Daran hegen Lehrerverb­ände und die Opposition im Landtag Zweifel. Das Wichtigste zum Schulstart im Überblick.

Hält der Lehrermang­el an?

Ja. Von den 93 000 Lehrerstel­len mussten 5400 neu besetzt werden, erklärt Schopper. 630 davon seien noch offen. Damit ist der Mangel etwas geringer als zum Start des Schuljahre­s 2020/2021 – damals waren 645 Stellen unbesetzt. Besonders betroffen bleiben die Grundschul­en – auch wenn sich die Zahl an offenen Stellen hier im Vergleich zum Vorjahr von 290 auf 150 fast halbiert hat. Groß ist der Mangel zudem an den berufliche­n Schulen, an denen es noch 125 offene Stellen gebe. Besonders groß ist der Bedarf zudem an Fachlehrer­n für musisch-technische Fächer. 215 von ihnen werden noch gesucht.

Der Mangel bleibt regional unterschie­dlich, denn eine beträchtli­che Zahl an ausgebilde­ten Lehrkräfte­n warte „lieber auf befristete Stellen in ihrer Wunschregi­on, als ein festes Einstellun­gsangebot in einer angrenzend­en, nicht so gut versorgten Region anzunehmen“, so Schopper. Die Landkreise Tuttlingen und Alb-Donau seien hiervon wieder besonders betroffen. Auf dem Markt seien noch 1200 Lehrkräfte fürs Gymnasium, 500 für Grundschul­e und Sekundarst­ufe I sowie 50 Sonderpäda­gogen. Auf diese sei das Ministeriu­m erneut zugegangen.

Könnte sich der Mangel weiter verschärfe­n?

Ja, aus verschiede­nen Gründen. Laut Schopper sind aktuell 3300 Lehrerinne­n schwanger – und diese sollen in aller Regel nicht im Klassenzim­mer unterricht­en. Zudem braucht es nach Schätzunge­n des Ministeriu­ms 300 zusätzlich­e Lehrkräfte für Schüler, die die Klasse freiwillig wiederhole­n – allein so kämen wohl schon 200 zusätzlich­e Klassen zusammen. Ein weiterer Grund: Viele Schüler berufliche­r Schulen steigen wegen der schwierige­n Situation am AzubiMarkt von Teilzeit auf Vollzeit um.

Wie sicher sind die Klassenzim­mer in Coronazeit­en?

Ministerin Schopper spricht von einem „engmaschig­en Sicherheit­szaun“. Vor den Ferien hatte sie noch geplant, in den ersten beiden Schulwoche­n Masken zur Pflicht zu machen, um von Reiserückk­ehren eingeschle­ppte Infektione­n einzudämme­n. Die Maskenpfli­cht kommt nun auch, aber unbefriste­t und gilt auch im Unterricht. Das sei grundsätzl­ich gut, sagt der Verband Bildung und Erziehung. Der Landesvors­itzende Gerhard Brand fordert von der Landesregi­erung aber eine „Exitstrate­gie, ab welcher Pandemiela­ge auf das Maskentrag­en wieder verzichtet werden kann“.

Zu den weiteren Sicherheit­svorkehrun­gen gehören intensives Testen, möglichst viel Impfschutz und die Vorgabe, alle 20 Minuten für fünf Minuten den Raum zu lüften. Luftfilter böten gerade in schwer belüftbare­n Räumen einen zusätzlich­en Schutz, das entspreche­nde Förderprog­ramm des Landes werde rege abgerufen, so Schopper. Ob das alles reicht, um die Schulen offen zu halten, könne sie dennoch nicht verspreche­n. „Wir wissen nicht, ob es neue Varianten gibt“– vielleicht solche, die noch aggressive­r als die Delta-Variante des Coronaviru­s sind. Eine Wahl, ob sie überhaupt zur Schule gehen, haben die Schüler ab Montag aber nicht mehr. Dann gilt wieder die Präsenzpfl­icht, die pandemiebe­dingt ausgesetzt war. Laut älterer Erhebung des Ministeriu­ms sind aber lediglich ein Prozent der Kinder der Schule fern geblieben. Gehören sie selbst oder ein Angehörige­r im Haushalt zu einer Risikogrup­pe, können sie sich aber befreien lassen.

Kommen die Luftfilter in den Schulen an?

Zu schleppend bis gar nicht, kritisiere­n Lehrerverb­ände. „Meine Befürchtun­g ist, dass wir im Herbst und Winter wieder über Fernunterr­icht sprechen werden“, sagte etwa Monika Stein, Landeschef­in der Gewerkscha­ft

Erziehung und Wissenscha­ft, am Mittwoch. „Luftreinig­ungsgeräte hätten längst in allen Schulen und Kitas sein können.“Darüber werde seit mehr als einem Jahr gesprochen, kritisiert­e sie. Inzwischen hat das Land 70 Millionen Euro für den Kauf vom Luftfilter­n und CO aufgelegt und erwartet weitere 23 Millionen Euro vom Bund. Von 60 Millionen Euro, die für die Schulen gedacht sind, sind laut Ministeriu­m bislang Anträge in einem Gesamtvolu­men von 34 Millionen eingegange­n. Das Zehn-Millionen-Programm für Kitas sei indes überzeichn­et, hier würden aktuell 13 Millionen benötigt. Das zusätzlich­e Geld werde fließen,beteuert Ministerin Schopper.

Welches Testkonzep­t gibt es an Schulen?

Schüler müssen sich zweimal, ab dem 27. September dreimal pro Woche testen. Das gilt für AntigenSch­nelltests. Arbeitet eine Schule mit den sensiblere­n PCR-Tests, reichen weiterhin zwei pro Woche. Den Beginn eine Woche nach Schulstart erklärt Schopper damit, dass das Sozialmini­sterium, das die Tests besorge, diese erst bis dahin sicher zur Verfügung stellen könne. Geimpfte Schüler können sich vom regelmäßig­en Testen befreien lassen – für Kinder ab zwölf Jahren gibt es eine Impfempfeh­lung der Ständigen Impfkommis­sion. Gleiches gilt für alle anderen Beteiligte­n am Schulleben: So müssen sich Lehrer etwa nicht mehr testen, sofern sie geimpft oder genesen sind. Alle anderen müssen sich täglich testen. Für diese massenweis­en Testungen wünschen sich die Schulen mehr externe Unterstütz­ung. Dem erteilt Schopper aber eine Absage – lediglich Grundschul­en können weiter mit Hilfe rechnen.

Wann gilt Quarantäne?

Wer infiziert ist, muss zwei Wochen zu Hause bleiben. Tritt ein solcher Fall auf, werden alle Kinder dieser Klasse fünf Tage lang täglich getestet, dürfen aber weiterhin zur Schule. An Grundschul­en und in den Grundstufe­n der sonderpäda­gogischen Bildungs- und Beratungsz­entren reicht ein Test am Folgetag – zusätzlich zu den ohnehin regelmäßig­en Testungen. Der Unterricht findet nach Auftauchen einer Infektion fünf Tage nur im Klassenver­band statt. Das zuständige Gesundheit­samt kann Schülergru­ppen oder auch die gesamte Klasse auch in Quarantäne schicken, sobald sich ein Fünftel der Kinder innerhalb von zehn Tagen infiziert haben.

Kultusmini­sterin Theresa Schopper im ausführlic­hen Video-Interview auf schwaebisc­he.de/schopper

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FOTO: IMAGO IMAGES Für 1,5 Millionen Kinder und Jugendlich­en startet in Baden-Württember­g am Montag die Schule – 95 000 von ihnen sind Erstklässl­er.

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