Geldwäsche-Ermittler durchsuchen Finanzministerium
Bei der Razzia in der Behörde geht es um Strafvereitelung – Welche Rolle SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz dabei spielt
BERLIN - Razzia im Bundesfinanzministerium und damit im Haus von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz – zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl muss das für Aufregung sorgen. Am Donnerstag rückten vier Beamte der Polizei und sechs Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft an.
Worum geht es?
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt seit Sommer 2020 gegen unbekannte Mitarbeiter der Zentralstelle für Transaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit, kurz FIU). Der Verdacht lautet Strafvereitelung im Amt: Sie sollen die Geldwäsche-Verdachtsanzeige einer Bank wegen dubioser Zahlungen von über einer Million Euro nach Afrika nicht an die deutschen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet haben, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem „Spiegel“sagte. Die Bank habe vermutet, Hintergrund seien Terrorismusfinanzierung sowie Waffenund Drogenhandel. Doch die Zahlungen hätten nicht gestoppt werden können. Zwischen der FIU sowie dem Finanz- und dem Justizministerium, das ebenfalls durchsucht wurde, habe es umfangreiche Kommunikation gegeben. Ziel sei es, konkrete Beschuldigte zu identifizieren, die bei der FIU für die Weitergabe von Informationen verantwortlich waren. Der Verdacht richte sich nicht gegen Beschäftigte des Ministeriums, betonte ein Sprecher.
Wer ist die FIU?
Die Behörde mit Sitz in Köln analysiert Meldungen über Verdachtsfälle auf Geldwäsche. Nach dem Geldwäschegesetz müssen insbesondere Banken verdächtige Geldgeschäfte melden. Aus dem Finanzsektor kamen 2020 rund 97 Prozent der 144 000 Meldungen. Die 2001 gegründete FIU gehörte früher zum Bundeskriminalamt. 2017 wurde sie auf Betreiben von Scholz-Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) zum Zoll verlagert, für den das Finanzministerium zuständig ist. Scholz hat sich immer sehr für den Kampf gegen Geldwäsche engagiert. Kein Wunder: Gilt doch Deutschland als Geldwäscheparadies, in dem jährlich 100 Milliarden Euro gewaschen werden sollen. Als Minister hatte er dafür gesorgt, dass die Zahl der Mitarbeiter von anfänglich auf 165 auf 469 erhöht wurde.
Und wie effektiv arbeitet die FIU? Das ist genau der Knackpunkt: Seit das Finanzministerium für sie zuständig ist, herrsche Chaos, ist sich die Opposition einig. „Olaf Scholz hat die FIU sehenden Auges vor die Wand gefahren“, heißt es bei den Grünen. Schon der Fall Wirecard habe gezeigt, dass Scholz seine Behörden nicht im Griff habe. Da seien Geldwäsche-Verdachtsmeldungen nicht erkannt und rechtzeitig weitergeleitet worden, ergänzte der badenwürttembergische FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. Das Ministerium hatte eingeräumt, dass die FIU Verdachtsfälle habe liegen lassen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Staatsanwälte haben Unterlagen beschlagnahmt, deren Auswertung einige Wochen dauern dürfte – bis nach der Bundestagswahl. Der CDUAbgeordnete Axel Müller, früher selbst Richter und Staatsanwalt, sagte: „Da muss schon ziemlich viel Fleisch am Knochen sein, sonst hätte es das nicht gegeben.“Aus politischer Sicht trage immer der Minister die Verantwortung.