„Es wäre falsch, die Taliban als Verbündete zu sehen“
Terrorexperte Peter Neumann über die Lage in Afghanistan und Defizite in der EU-Sicherheitspolitik
BERLIN - Innere und äußere Sicherheit stärker zu verknüpfen ist eines der Anliegen von Peter Neumann. Er gehört zum Zukunftsteam von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet.
Seit einer Woche sind Sie nicht mehr hauptsächlich Wissenschaftler, sondern Teil des Zukunftsteams von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Wie läuft’s?
Mein Leben hat sich sehr verändert, ich habe meinen Terminplan völlig umgebaut und mache derzeit wenig anderes. Natürlich ist es mit Blick auf die Umfragen gerade eine Herausforderung. Ich glaube aber, dass sich der Trend noch drehen lässt.
Sie waren auch vorher schon als Terrorexperte viel in den Medien. Umweht Sie jetzt noch mal ein anderer Wind?
Man wird kritischer behandelt und hat auch plötzlich richtige Gegner. Vorher wurde mir auch heftig widersprochen, aber eben in der Sache, jetzt ist da so eine Grundgegnerschaft. Das ist neu.
Am Freitag stellt Laschet seine „Agenda für ein sichereres Deutschland“vor. Was wird kommen? Daran sind viele beteiligt. Ich werde das repräsentieren, was uns sehr wichtig ist; die stärkere Verknüpfung zwischen innen und außen. Dafür steht das Konzept eines Nationalen Sicherheitsrats beispielsweise, aber auch eine verbesserte europäische Kooperation.
Wie soll die aussehen?
Ein Beispiel: Es gibt bislang keine europäische Gefährderdatei. Deutschland und Frankreich wissen nicht, wen der jeweils andere als Gefährder einstuft. Wenn wir offene Grenzen haben, müssen wir da kooperieren und uns besser austauschen
Aber wir haben doch schon in unserem föderalen Deutschland im Fall des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri erfahren, wie schwer solche Kooperationen sind. Der Fall Amri hat das Problem schonungslos offengelegt. Wir mussten sogar erst mal eine gemeinsame Definition des Gefährders zwischen den Bundesländern herbeiführen. Die haben wir jetzt. Und das müssen wir jetzt auch europäisch voranbringen.
Warum ist das so schwer? Frankreich beispielsweise hat einen viel weiter gefassten Gefährder-Begriff. Grundlage sind zudem oft Erkenntnisse von Geheimdiensten, die aber von ihrer Kultur her nur ungern Informationen teilen. Das muss dann politisch durchgesetzt werden.
Laschet hat nun vom Ziel eines europäischen FBI gesprochen.
Wir müssen bereits vorhandene, richtige Ansätze verstärken. Bereits jetzt haben wir europäische Ermittlungsteams, die erfolgreich sind – so wie bei der Anti-Mafia-Razzia „Pollino“vor drei Jahren. Wir brauchen mehr solcher Teams. Daraus und aus gemeinsamen Dateien sowie der Behörde Europol kann dann so etwas wie ein europäisches FBI werden.
Ein anderer Vorschlag von Laschet ist der nationale Sicherheitsrat. Aber wir haben ja schon ein Krisenkabinett, das sich beispielsweise in Sachen Afghanistan koordiniert hat.
Es ist richtig, dass wir in einer Krise die Ressorts zusammenschalten. Aber dann sollten wir es doch auch schon vorher tun. Genau das ist das Ziel des Sicherheitsrats.
Demnächst haben wir zusätzlich zu den Chefs von Innen-, Außen- und Verteidigungsministerium einen nationalen Sicherheitsberater?
Es gibt ja international nicht nur dieses sehr bekannte US-Modell, sondern auch ganz andere. Das kann man auch ganz anders gestalten, darüber wäre zum Beispiel in Koalitionsverhandlungen zu sprechen.
Plötzlich sind die Taliban unsere Verhandlungspartner. Ist ihnen zu trauen?
Es wäre meines Erachtens falsch, die Taliban als Verbündete zu sehen, genauso falsch, wie nichts mit ihnen zu tun haben zu wollen. Es gibt bei den Taliban sehr unterschiedliche Tendenzen, auch durchaus pragmatische, aber es ist unklar, welche sich durchsetzen werden. Wir haben aber ja Interessen: unsere Staatsbürger und Ortskräfte nach Deutschland zu holen, aber auch das Land zu beruhigen. Wir müssen also verhandeln, das bedeutet jedoch keine Anerkennung des Regimes. Das kann, wenn überhaupt, erst ganz am Ende eines sehr, sehr langen Prozesses stehen.
Muss die Bundeswehr angesichts der Erfahrung in Afghanistan raus aus dem westafrikanischen Mali? Die Frage ist doch: Stimmt in Mali unser Ziel und stimmen unsere Mittel? Das Ergebnis der Prüfung könnte ja auch sein, dass wir den Einsatz intensivieren. Ich warne davor, die afghanische Erfahrung nun einfach eins zu eins zu übertragen und habe dafür auch ein Beispiel: Dass die humanitäre Mission der USA in Somalia 1993 so demütigend gescheitert ist, hat dazu geführt, dass sich ein Jahr später niemand entschlossen dem sich anbahnenden Genozid in Ruanda entgegenstellte. Das war eine Tragödie.