Elektrisch, digital, gefährlich
Chinas Autobauer greifen ihre Wettbewerber in aller Welt an – Warum das auch für die IAA ein großes Problem ist
BERLIN - Die Automesse IAA Mobility steht im Zeichen des Wandels: Der Verkehr wird elektrischer, digitaler und vernetzter. Für die deutsche Fahrzeugindustrie bedeutet das auch deshalb so einen tiefgreifenden Wandel, weil sich damit neue Konkurrenz auftut. Die Anbieter aus China konnten zwar beim Verbrennungsmotor nicht mithalten. Aber bei Elektronik und Apps macht ihnen keiner was vor. Das ist für die deutschen Anbieter deshalb bedrohlich, weil China auf absehbare Zeit der größte Markt der Welt bleiben wird.
China ist jedoch heute schon der größte Produzent von Elektroautos. Kein Wunder, denn im Reich der Mitte herrscht hier besonders rege Nachfrage. Ganze 55 Prozent der weltweiten Verkäufe vollelektrischer Autos entfallen auf das asiatische Land. Die Hersteller dort können sich also auf einen stabilen Absatz in der Heimat und viel technische Erfahrung stützen, wenn sie die Auslandsmärkte angehen. Daher gehören die chinesischen Marken Xpeng, Polestar oder Leapmotor auch zu den wenigen internationalen Anbietern, die noch in der IAA ausstellen – es handelt sich um Elektro-Spezialisten. Der Technologiekonzern Huawei präsentiert sich als Zulieferer fürs autonome Fahren. Aus Asien ist an großen Namen der Fahrzeugbranche nur Hyundai/Kia vertreten. Für Toyota oder Nissan ist die IAA komplett uninteressant geworden. Sie konzentrieren sich lieber auf die Auto China, denn hier entscheidet sich der globale Erfolg. Die Messe findet abwechselnd in Peking und Shanghai statt. Branchenkenner Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research in Duisburg hält sie für „die einzige Automesse, die wirklich funktioniert“und für bedeutende Spieler eine Pflichtveranstaltung ist.
Polestar als schwedisch-chinesische Marke hat in Europa zahlreiche Vorteile. Das Unternehmen gehört zum chinesischen Geely-Konzern, der auch Anteile am baden-württembergischen Autobauer Daimler hält, hat aber Wurzeln in Schweden und dort auch seinen Firmensitz. Trotz der Verbindungen zur Traditionsmarke Volvo hat Polestar auf den Aufbau eines Vertriebsnetzes mit Autohäusern verzichtet. Die E-Autos lassen sich nur online direkt beim Hersteller bestellen. Dieser eröffnet bloß kleine Läden, in denen potenzielle Kunden die zwei Modelle einmal in der Realität begutachten können. Die Limousine Polestar 2 kostet 45 000 Euro.
Auch Xpeng, eine rein chinesische Marke, wagt derzeit über Norwegen den Markteinstieg in Europa. Das Unternehmen will den EuropaAbsatz seines elektrischen SUV G3 hochfahren, nachdem dieser in China bereits Erfolge feiert. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Marke Nio, die als Besonderheit auf die Fähigkeit zum Batteriewechsel setzt. Sie hat in Norwegen bereits Wechselstationen errichten lassen.
Alle diese chinesischen Anbieter setzen auf Online-Vertrieb. Sie nutzen damit moderne Vermarktungsmöglichkeiten, die enorm viel Geld und Aufwand einsparen. Der Ansatz ohne den Ballast eines Vertriebsnetzes und des schwierigen Verhältnisses zu unzähligen unabhängigen Händlern gilt unterm Strich als Vorteil. Die ebenfalls aus China stammenden Marke Lynk & Co. will mit so einem Vertriebsmodell ebenfalls den Einstieg in Europa wagen. Sein Ziel ist es, ein „Streamingdienst für Mobilität“zu werden statt einfach physische Autos zu verkaufen – auch das sind Ideen, die im Mittelpunkt der IAA stehen. Die Autos gibt es für wenige hundert Euro im Monat im Abo. Lynk & Co. ist eine Schwestermarke von Polestar unter dem Dach von Geely.
Die Fahrzeuge der chinesischen Anbieter sind vollkommen auf die fortschreitende Digitalisierung ausgerichtet. Einer der Investoren von Xpeng ist beispielsweise der Gründer der Handy-Marke Xiaomi. Das Auto hat daher umfangreiche AppFunktionen und lässt sich beispielsweise von außen mit dem Mobiltelefon aufschließen. Große Bildschirme, die Verschränkung mit dem Smartphone und intensiver Datenverkehr mit dem Internet zeichnen die chinesischen Anbieter aus. Für Nio beispielsweise ist es wichtig, eine Online-Community der Autokunden am Leben zu halten. Man besitzt nicht einfach einen Wagen, sondern wird Teil eines sozialen Netzwerks von Fahrern der Marke.
Daher haben es VW-Modelle auch in China tendenziell schwer. Gerade die jungen Kunden dort erwarten eher eine Handy-Erweiterung auf Rädern, die einen ohne viel Stress ans Ziel bringt. Die Elektromodelle ID.4 und ID.6, die dort vor dem ID.3 auf den Markt gekommen sind, haben sich nach einem schleppenden Start zuletzt zwar besser verkauft. Doch der Absatz liegt noch unter Plan. Das deutsche Elektroauto bringt nach Vermutung von Analysten nicht genug technischen Schnickschnack mit, es ist zu sehr aufs Fahren fixiert. Internationale Marken müssen noch lernen, bei der Entwicklung neuer Modelle von Anfang an die Einbindung in die beliebten chinesischen Apps und Internetdienste zu achten, schreibt die Unternehmensberatung McKinsey in einer Studie zum chinesischen Automarkt.
Doch die chinesischen Angebote sind nicht nur billige Plastikwagen mit viel Elektronik. McKinsey hat auch die Qualität der Modelle untersucht. Sie sind zum Teil besser auf die Vorteile des Batterieantriebs ausgelegt als westliche Rivalen. Und zu sehen sind die Modelle in der Volksrepublik – auf der Messe Auto China.