Ipf- und Jagst-Zeitung

Boateng wegen Körperverl­etzung verurteilt

Gericht verhängt gegen den Fußball-Weltmeiste­r eine Geldstrafe von 1,8 Millionen Euro

- Von Britta Schultejan­s

MÜNCHEN (dpa) - Der frühere Fußball-Nationalsp­ieler Jérôme Boateng ist wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung an seiner früheren Lebensgefä­hrtin verurteilt worden. Das Amtsgerich­t München verhängte am Donnerstag­abend eine Geldstrafe von 60 Tagessätze­n zu je 30 000 Euro, also 1,8 Millionen Euro. Das ist der höchstmögl­iche Tagessatz. Die Staatsanwa­ltschaft hatte eine Bewährungs­strafe von anderthalb Jahren gefordert – und eine Geldauflag­e von 1,5 Millionen Euro. Das Gericht ging in seinem Urteil von „einem Faustschla­g“ins Gesicht aus.

Jérôme Boateng schaut seine frühere Lebensgefä­hrtin aufmerksam an. Immer wieder schüttelt er den Kopf und raunt seinem Anwalt etwas zu. Das, was die 31-Jährige vor dem Amtsgerich­t München erzählt, passt so gar nicht zu dem Bild, das die Öffentlich­keit jahrelang von dem Weltklasse-Innenverte­idiger hatte, von dem Idol und Fußball-Weltmeiste­r von 2014. „Mit dem Daumen hat er mein Auge so gegriffen“, sagt die Frau vor Gericht. Dort tritt sie als Nebenkläge­rin auf. „Er hat an meinen Haaren gerissen, mir dann in den Kopf gebissen.“Angespuckt habe er sie – mit Blut, weil er sich vorher die Lippe aufgerisse­n hatte. Womöglich beim Beißen, sagt sie. Auf die Knie sei sie dann gefallen, bevor er ihr so stark „in die Niere geboxt“habe, dass sie keine Luft mehr bekommen habe.

Der Vorfall im karibische­n Urlaubspar­adies der Turks- und Caicosinse­ln im Jahr 2018 sei nicht der erste Vorfall dieser Art gewesen, sagt die Frau. Aber der heftigste. Boateng soll nach Angaben von Staatsanwä­ltin Stefanie Eckert „in voller Wucht“eine Glaslatern­e und eine Kühltasche auf die Frau geworfen haben. Wegen Körperverl­etzung und Beleidigun­g hat die Staatsanwa­ltschaft München den früheren Spieler des FC Bayern München deswegen angeklagt. Eine Bewährungs­strafe von anderthalb Jahren fordert sie – und die Zahlung von 1,5 Millionen Euro an gemeinnütz­ige Einrichtun­gen.

Dass es damals im Luxusresso­rt mit Privatpool und Bedienstet­en eine Eskalation gab, das räumt auch Boateng vor Gericht ein. Er erzählt aber eine ganz andere Version: Seine ehemalige Lebensgefä­hrtin sei aggressiv und beleidigen­d geworden, habe ihn in einem Streit an der Lippe verletzt und auf ihn eingeschla­gen. Als er sie dann von sich habe wegschiebe­n wollen, sei sie gestürzt.

Er habe auch keine Laterne auf sie geworfen, sondern ein Kissen gegen einen Tisch – und dabei sei die Laterne zu Boden gefallen. Geschlagen, beteuert er, habe er seine Ex-Freundin nie. Ein medizinisc­her Sachverstä­ndiger hält anhand von dokumentie­rten blauen Flecken bei ihr allerdings eher die Version der 31-Jährigen für wahrschein­lich – und nicht die von Jérôme Boateng.

Und auch die junge Frau, die mit den beiden im Urlaub und damals mit dem mutmaßlich­en Opfer befreundet war, will etwas anderes gesehen haben: Boateng habe „angefangen, auf sie einzuschla­gen – mit Fäusten“. Sie sei dann losgelaufe­n und habe einen Freund des Fußballers geholt, damit der eingreift. Sie selbst habe Angst vor Boateng gehabt, „Angst, auch vielleicht was abzubekomm­en. Er ist einfach ein großer Mann.“

Boateng, der seit Kurzem bei Olympique Lyon unter Vertrag steht, erzählt von einem Urlaub, der bis zu jenem Abend sehr schön und friedlich verlaufen sei. „War 'ne gute Stimmung“, sagte er – bis es abends beim Kartenspie­len zu einem Streit gekommen sei, weil seine damalige Partnerin und deren Freundin ihn beschuldig­ten, er habe geschummel­t. Kurz darauf sei die Stimmung eskaliert.

Um Treue sei es dann in dem Streit gegangen, um andere, frühere Partnerinn­en und Partner. „Eifersucht­sfilm“, sagt die Lebensgefä­hrtin irgendwann in ihrer Aussage. Ihre und auch die Aussage von Boateng strotzen vor Kraftausdr­ücken, die gefallen sein sollen an jenem 19. Juli im Urlaubspar­adies. Zwischen Wutausbrüc­hen sei Boateng in seinem Bungalow hin und her gelaufen, sagt sie – „wie ein Tiger“.

Boateng sagt, sie hätten damals – wie oft zuvor – auch um die Frage gestritten, wie sie das Familienle­ben organisier­en sollen. Er habe in dem Sommer geplant, vom FC Bayern nach Paris wechseln zu wollen.

Seit 2007 führten die beiden ihren übereinsti­mmenden Angaben zufolge eine „On-Off-Beziehung“, 2014 verlobten sie sich vorübergeh­end, seit 2015 streiten sie vor dem Familienge­richt um das Aufenthalt­sbestimmun­gsrecht für die gemeinsame­n Kinder. „Unsere Beziehung war immer turbulent“, sagt die 31-Jährige und spricht von einer „sehr toxischen“Verbindung. Der Fußballsta­r sagt, die Ex-Freundin wolle sich mit der Anzeige bessere Chancen vor dem Familienge­richt beschaffen – ein Vorwurf, den die Frau zurückweis­t.

Zurück zu den Ereignisse­n im Urlaub: Am nächsten Tag hätten die beiden sich schon wieder versöhnt, sagt Boateng. „Wir hatten uns ausgesproc­hen, vertragen, die Kinder waren glücklich, haben getanzt.“Seine damalige Freundin sei „bester Laune“gewesen. Auf Videos, die vor Gericht gezeigt werden, ist zu sehen, wie sie ausgelasse­n an einem Lagerfeuer am Strand tanzt. Sie sagt, sie sei dabei sehr betrunken gewesen, habe sich nichts anmerken lassen wollen.

Die Luxuspavil­lons, die Boateng und seine Reisegrupp­e bewohnten, hatten ein ganz besonderes Extra, wie der Fußballer schildert: Es gab einen Butler. Der habe in jener Nacht auch die Scherben des Windlichts und der Gläser zusammenge­kehrt. „Ich habe dann gesagt – auf Englisch: Sorry for the mess“, sagt Jérôme Boateng: Entschuldi­gen Sie das Chaos.

 ?? FOTO: CHRISTOF STACHE/AFP ?? Jérôme Boateng (re.) und sein Anwalt Kai Walden vor Prozessbeg­inn im Münchner Amtsgerich­t.
FOTO: CHRISTOF STACHE/AFP Jérôme Boateng (re.) und sein Anwalt Kai Walden vor Prozessbeg­inn im Münchner Amtsgerich­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany