Was die Politik aus Krisen lernen kann
Innenminister a.D. Thomas de Maizière tauscht sich mit Blaulichtorganisationen aus
ELLWANGEN - Was kann Politik aus Krisen lernen? Darum ging es am Donnerstagabend im Taj Mahal. Im Biergarten des Ellwanger Lokals am Bahnhof trafen rund 100 Vertreter der Ostalb-Blaulichtorganisationen auf den früheren Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Bundestagsabgeordneter Roderich Kiesewetter hatte dazu eingeladen, die Getränke waren für die Helfer frei.
Bevor de Maizière seine fünf Thesen zum Umgang mit künftigen Krisen erläuterte, ging er mit Kiesewetter von Tisch zu Tisch. Der Minister a.D. begrüßte die Helfer von THW, Feuerwehr, DRK, Johanniter und Malteser, plauderte mit Reservisten und tauschte sich mit den Schrezheimern aus, die einen Hilfstransport ins Flutgebiet organisiert hatten.
Die ganze Rettungskette sei da, freute sich Kiesewetter –„und die Bürgerinnen und Bürger, die mitgeholfen haben“. Der Abgeordnete lud alle ein, sich in der Diskussion zu Wort zu melden und bat ausdrücklich darum, „kein Blatt vor den Mund zu nehmen“. Für ihn sei der Abend eine Gelegenheit, danke zu sagen und ein klares Zeichen zu setzen. „Ich glaube, so etwas wird sich häufen.“Gemeint war die Flut in Nordrhein-Westfalen und RheinlandPfalz.
Anschließend berichtete Mario Nagler vom Ellwanger THW über den Einsatz im Katastrophengebiet. Eine derartige Zerstörung habe es seit Jahrzehnten nicht gegeben, sagte er. Anfangs sei es „sehr schwierig“gewesen, flächendeckend Hilfe zu organisieren. Ergo sollte der Einsatz bei künftigen Krisen, „schneller und unbürokratischer“sein.
Das war das Stichwort für de Maizière. Dessen erste These lautet wie folgt: Krisen gehören zur Normalität – auch für die Politik. Also muss sie vorsorgen – wie der Privatmensch. Zweitens: „In der Krise können wir viel lernen.“Drittens: Das Land muss sich für die nächste Krise besser vorbereiten. Etwa auf einen großen Cyberangriff auf einen Flughafen. „Es kann nicht sein, dass wir immer von vorne anfangen und improvisieren.“
Vierte These: In der nächsten Krise müssen Bund und Länder besser zusammenarbeiten. De Maizière sprach sich für einen nationalen Krisenstab unter Beteiligung der Kommunen aus. Außerdem für eine „zivile Reserve“unter dem Dach des THW. Und schließlich dafür, die professionellen Kenntnisse der Menschen zu nutzen. Er ist sich sicher: Wenn es zu einem großen Cyberangriff komme, würden Tausende junger Menschen helfen wollen. Und die fünfte These? Deutschland brauche eine große Staatsreform samt Grundgesetzänderung, um die Befugnisse eines Krisenstabs zu klären.
Mit Wahlkampf hielt sich de Maizière zurück. Nur hier und da schoss er ein paar Pfeile ab. Etwa als er auf die 100 Milliarden Euro Investitionsüberhang beim Bund zu sprechen kam. Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, wolle den Flugverkehr einschränken und mehr Bahnfahren, sagte er. Aber: „Dann muss ich in fünf Jahren eine Bahnlinie
von Hamburg nach München bauen können. Und nicht erst in 25.“
Tanja Gorus von der Schrezheimer Initiative traute sich als erste ans Mikro. Die Hilfsaktion sei „super gelaufen“. Man sei überall auf offene Ohren gestoßen. Bernd Schiele, Einsatzleiter der Malteser in Aalen, meinte zum gemeinsamen Einsatz mit dem DRK im Krisengebiet: „Lokal funktioniert’s hervorragend.“Aber: Es brauche zentralisierte Strukturen.
Blaulichtorganisationen bilanzieren ihre Einsätze. Sie ziehen ihre Lehren daraus. Auch im Fall der Flutkatastrophe. Eine ruhige Fehleranalyse in der Politik sei dagegen schwierig, meinte Thomas de Maizière. Doch eine kluge, nüchterne Gefahrenanalyse sei nötig.
Anton Heilmann, früherer Feuerwehrmann in Ellwangen, haben die fünf Thesen gut gefallen. Er würde gerne wissen, wie de Maizière es umsetzen will und wie Politik künftig besser lernt.
Der 67-jährige Bonner sieht – aufgrund der Erfahrungen mit den aktuellen Krisen wie Corona, Flutkatastrophe und Afghanistan eine gute Chance, jetzt damit zu beginnen. Er freue sich über einen Aufruf der Hilfsorganisationen, Deutschland krisenfester zu machen, sagte de Maizière.
DRK-Kreisbereitschaftsleiter Philipp Schappacher beschrieb ein praktisches Problem aus dem Alltag der Hilfsdienste. Im Ahrtal seien Feldküchen gebraucht worden. Aber bei der Ausstattung der Feldkocheinheiten seien die Hilfsdienste sich selbst überlassen. Ohne Standardisierung sei jedoch die Arbeit schwer.
Thomas de Maizière drehte den Spieß um. Die ersten, die sagen würden, der Bund solle sich raushalten, seien die Innenminister der Länder. Aber: Wenn die Blaulichtorganisationen gemeinsam einen Anforderungskatalog für Feldküchen entwerfen würden, „dann möchte ich den sehen, der sagt, er lehnt es ab“.