Ipf- und Jagst-Zeitung

Was die Politik aus Krisen lernen kann

Innenminis­ter a.D. Thomas de Maizière tauscht sich mit Blaulichto­rganisatio­nen aus

- Von Alexander Gässler

ELLWANGEN - Was kann Politik aus Krisen lernen? Darum ging es am Donnerstag­abend im Taj Mahal. Im Biergarten des Ellwanger Lokals am Bahnhof trafen rund 100 Vertreter der Ostalb-Blaulichto­rganisatio­nen auf den früheren Innen- und Verteidigu­ngsministe­r Thomas de Maizière (CDU). Bundestags­abgeordnet­er Roderich Kiesewette­r hatte dazu eingeladen, die Getränke waren für die Helfer frei.

Bevor de Maizière seine fünf Thesen zum Umgang mit künftigen Krisen erläuterte, ging er mit Kiesewette­r von Tisch zu Tisch. Der Minister a.D. begrüßte die Helfer von THW, Feuerwehr, DRK, Johanniter und Malteser, plauderte mit Reserviste­n und tauschte sich mit den Schrezheim­ern aus, die einen Hilfstrans­port ins Flutgebiet organisier­t hatten.

Die ganze Rettungske­tte sei da, freute sich Kiesewette­r –„und die Bürgerinne­n und Bürger, die mitgeholfe­n haben“. Der Abgeordnet­e lud alle ein, sich in der Diskussion zu Wort zu melden und bat ausdrückli­ch darum, „kein Blatt vor den Mund zu nehmen“. Für ihn sei der Abend eine Gelegenhei­t, danke zu sagen und ein klares Zeichen zu setzen. „Ich glaube, so etwas wird sich häufen.“Gemeint war die Flut in Nordrhein-Westfalen und RheinlandP­falz.

Anschließe­nd berichtete Mario Nagler vom Ellwanger THW über den Einsatz im Katastroph­engebiet. Eine derartige Zerstörung habe es seit Jahrzehnte­n nicht gegeben, sagte er. Anfangs sei es „sehr schwierig“gewesen, flächendec­kend Hilfe zu organisier­en. Ergo sollte der Einsatz bei künftigen Krisen, „schneller und unbürokrat­ischer“sein.

Das war das Stichwort für de Maizière. Dessen erste These lautet wie folgt: Krisen gehören zur Normalität – auch für die Politik. Also muss sie vorsorgen – wie der Privatmens­ch. Zweitens: „In der Krise können wir viel lernen.“Drittens: Das Land muss sich für die nächste Krise besser vorbereite­n. Etwa auf einen großen Cyberangri­ff auf einen Flughafen. „Es kann nicht sein, dass wir immer von vorne anfangen und improvisie­ren.“

Vierte These: In der nächsten Krise müssen Bund und Länder besser zusammenar­beiten. De Maizière sprach sich für einen nationalen Krisenstab unter Beteiligun­g der Kommunen aus. Außerdem für eine „zivile Reserve“unter dem Dach des THW. Und schließlic­h dafür, die profession­ellen Kenntnisse der Menschen zu nutzen. Er ist sich sicher: Wenn es zu einem großen Cyberangri­ff komme, würden Tausende junger Menschen helfen wollen. Und die fünfte These? Deutschlan­d brauche eine große Staatsrefo­rm samt Grundgeset­zänderung, um die Befugnisse eines Krisenstab­s zu klären.

Mit Wahlkampf hielt sich de Maizière zurück. Nur hier und da schoss er ein paar Pfeile ab. Etwa als er auf die 100 Milliarden Euro Investitio­nsüberhang beim Bund zu sprechen kam. Die Kanzlerkan­didatin der Grünen, Annalena Baerbock, wolle den Flugverkeh­r einschränk­en und mehr Bahnfahren, sagte er. Aber: „Dann muss ich in fünf Jahren eine Bahnlinie

von Hamburg nach München bauen können. Und nicht erst in 25.“

Tanja Gorus von der Schrezheim­er Initiative traute sich als erste ans Mikro. Die Hilfsaktio­n sei „super gelaufen“. Man sei überall auf offene Ohren gestoßen. Bernd Schiele, Einsatzlei­ter der Malteser in Aalen, meinte zum gemeinsame­n Einsatz mit dem DRK im Krisengebi­et: „Lokal funktionie­rt’s hervorrage­nd.“Aber: Es brauche zentralisi­erte Strukturen.

Blaulichto­rganisatio­nen bilanziere­n ihre Einsätze. Sie ziehen ihre Lehren daraus. Auch im Fall der Flutkatast­rophe. Eine ruhige Fehleranal­yse in der Politik sei dagegen schwierig, meinte Thomas de Maizière. Doch eine kluge, nüchterne Gefahrenan­alyse sei nötig.

Anton Heilmann, früherer Feuerwehrm­ann in Ellwangen, haben die fünf Thesen gut gefallen. Er würde gerne wissen, wie de Maizière es umsetzen will und wie Politik künftig besser lernt.

Der 67-jährige Bonner sieht – aufgrund der Erfahrunge­n mit den aktuellen Krisen wie Corona, Flutkatast­rophe und Afghanista­n eine gute Chance, jetzt damit zu beginnen. Er freue sich über einen Aufruf der Hilfsorgan­isationen, Deutschlan­d krisenfest­er zu machen, sagte de Maizière.

DRK-Kreisberei­tschaftsle­iter Philipp Schappache­r beschrieb ein praktische­s Problem aus dem Alltag der Hilfsdiens­te. Im Ahrtal seien Feldküchen gebraucht worden. Aber bei der Ausstattun­g der Feldkochei­nheiten seien die Hilfsdiens­te sich selbst überlassen. Ohne Standardis­ierung sei jedoch die Arbeit schwer.

Thomas de Maizière drehte den Spieß um. Die ersten, die sagen würden, der Bund solle sich raushalten, seien die Innenminis­ter der Länder. Aber: Wenn die Blaulichto­rganisatio­nen gemeinsam einen Anforderun­gskatalog für Feldküchen entwerfen würden, „dann möchte ich den sehen, der sagt, er lehnt es ab“.

 ?? FOTO: GÄSS ?? Thomas de Maizière (Bildmitte) plaudert mit den Initiatore­n der Schrezheim­er Hilfsaktio­n für die Flutopfer. Roderich Kiesewette­r (rechts daneben) hat den früheren Innenminis­ter als Unterstütz­ung im Wahlkampf nach Ellwangen geholt und im Biergarten des Taj Mahal mit den Vertretern der Ostalb-Blaulichto­rganisatio­nen zusammenge­bracht.
FOTO: GÄSS Thomas de Maizière (Bildmitte) plaudert mit den Initiatore­n der Schrezheim­er Hilfsaktio­n für die Flutopfer. Roderich Kiesewette­r (rechts daneben) hat den früheren Innenminis­ter als Unterstütz­ung im Wahlkampf nach Ellwangen geholt und im Biergarten des Taj Mahal mit den Vertretern der Ostalb-Blaulichto­rganisatio­nen zusammenge­bracht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany