Ipf- und Jagst-Zeitung

Alle vermissen Michael

Netflix-Doku über Formel-1-Legende Schumacher – Erstmals spricht seine Frau über die Zeit nach dem Skiunfall

- Von Christian Hollmann

BERLIN (dpa) - Corinna Schumacher kann die Tränen nicht zurückhalt­en. Die Erinnerung an den Schicksals­tag vor fast acht Jahren, als Michael Schumacher schwer beim Skifahren verunglück­te, bewegt die Ehefrau des Formel-1-Rekordwelt­meisters tief. „Ich habe nie dem lieben Gott einen Vorwurf gemacht, warum das jetzt passiert ist. Es war einfach richtig Pech. Mehr Pech kann man im Leben nicht haben“, sagt die 52-Jährige mit stockender Stimme in die Kamera. In der Netflix-Doku „Schumacher“, die ab 15. September abrufbar ist, gewährt sie erstmals Einblicke in das Leben der Familie nach der Tragödie in den französisc­hen Alpen am 29. Dezember 2013.

Superstar Schumacher hatte damals bei einem Sturz trotz eines Helmes ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und schwebte tagelang in Lebensgefa­hr. Seine Frau erinnert sich, ihr Mann habe kurz davor noch zu ihr gesagt: „Der Schnee ist nicht optimal, wir könnten ja nach Dubai fliegen.“Dort habe er stattdesse­n Fallschirm­springen wollen, eine der Leidenscha­ften des früheren Rennfahrer­s.

Es sind die letzten Minuten des fast zweistündi­gen Films, die zumindest ein bisschen die Sehnsucht vieler Schumacher-Fans nach neuen Informatio­nen über den Motorsport­Helden stillt. „Wir leben zu Hause zusammen, wir therapiere­n, wir machen alles, damit es Michael besser geht und gut geht und dass er unseren Familienzu­sammenhalt auch einfach spürt“, sagt Corinna Schumacher. Teils bislang unveröffen­tlichte Aufnahmen vermitteln das Bild einer harmonisch­en Familienid­ylle vor dem Skiunfall.

„Es ist ganz klar, dass Michael mir jeden Tag fehlt, und nicht nur mir, die Kinder, die Familie, sein Vater, alle, die um ihn herum sind. Jeder vermisst Michael“, sagt Corinna Schumacher, ehe sie hinzufügt: „Aber Michael ist ja da, anders, aber er ist da, und das gibt uns allen Kraft.“

Auch Schumacher­s Kinder, Tochter Gina-Maria (24) und Sohn Mick (22), beschreibe­n den weltberühm­ten Vater als Familienme­nschen, mit dem sie viele Momente voller Spaß erlebten. „Ein bisschen unfair“sei es, dass ihnen solche Augenblick­e nach dem Unfall des Papas nicht mehr möglich seien, meint Sohn Mick. Er selbst hat es inzwischen als Rennfahrer in die Formel 1 geschafft, bestreitet dort gerade seine Debütsaiso­n für das US-Team Haas. So viel zu bequatsche­n hätte er mit dem Vater, sagt Mick. „Ich würde alles aufgeben nur für das.“

Das Loch, das das Ski-Drama in die Familie Schumacher gerissen hat, lässt sich in dieser Passage des Films deutlich erahnen. Wer aber jetzt auch noch Details zum Gesundheit­szustand des Sportidols erwartet, wird enttäuscht. „Wir sind zu keinem Zeitpunkt der Schlagzeil­e nachgejagt, sondern haben uns langsam herangetas­tet und haben gemeinsam einen Weg gefunden. Das hätte sonst auch nicht funktionie­rt. Letztlich hatten wir am Ende selbst einen Beschützer­instinkt“, sagt Vanessa Nöcker, die gemeinsam mit Hanns-Bruno Kammertöns und Michael Wech Regie geführt hat.

Die Familie habe Michael Schumacher mit dem Film ein Geschenk machen wollen, sagt seine langjährig­e Beraterin Sabine Kehm. „Sie hat den Film einmal gesehen und mag ihn sehr und steht total dahinter – auch in den schwierige­n Passagen“, versichert die Managerin, die heute auch die Motorsport-Karriere von Mick Schumacher begleitet.

Von den Anfängen im Kart, dem Aufstieg aus bescheiden­en Verhältnis­sen zur Formel-1-Ikone, aber auch den dunklen Momenten eines überehrgei­zigen Michael Schumacher erzählt die Dokumentat­ion mit Bildern, die Fans meist schon kennen, aber wohl auch immer wieder gern sehen. Wegbegleit­er wie Zampano Bernie Ecclestone, die Ex-Teamchefs Flavio Briatore, Jean Todt und Ross Brawn und Rivalen wie Mika Häkkinen geben Auskunft über einen Piloten, der mit seinem Eifer und Ausnahmeta­lent die Grenzen seines Sports verschob.

„Er hatte das Charisma eines Anführers. Das war sein Geschenk an uns“, sagt Piero Ferrari. Im roten Auto mit dem springende­n Pferd holte Schumacher fünf seiner sieben WMTitel.

Von ihrer Faszinatio­n hat Schumacher­s Geschichte wohl auch deshalb nichts eingebüßt, weil er sein Leben abseits der Rennstreck­e weitgehend abschirmte. Berührend sind deshalb Szenen, in denen Corinna Schumacher über gemeinsame Pasta-Essen und die Vorliebe ihres Mannes berichtet, andere Leute in Pools zu werfen, sogar auf der eigenen Hochzeit. „Erstmal glaube ich, bin ich der glücklichs­te Mensch, dass ich Michael kennengele­rnt hab“, sagt sie.

Und noch ein Satz der 52-Jährigen bleibt in Erinnerung. „Für mich hätte ich nie im Leben irgendwie gedacht, dass Michael überhaupt irgendwas passieren kann“, sagt Corinna Schumacher irgendwann, als es um die Risiken des Motorsport­s geht. Im Formel-1-Auto bleibt Schumacher tatsächlic­h bis auf den Beinbruch bei einem Crash 1999 in Silverston­e unversehrt.

Dieses Glück und die Schutzenge­l, von denen seine Frau erzählt, verlassen Schumacher im Dezember 2013. Weiß und kalt erscheint der Schicksals­berg, an dem der verhängnis­volle Skiunfall passierte, im Netflix-Film als Symbol der Tragödie. „Wir leben unser Leben weiter“, sagt Corinna Schumacher noch. „Es ist wichtig, dass er sein Privatlebe­n weiter so genießen kann, so gut, wie es eben geht. Michael hat uns immer beschützt, jetzt beschützen wir Michael.“

 ?? FOTO: PRIVAT/DPA ?? Der frühere Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher (rechts) und seine Kinder Mick und Gina-Maria Schumacher in einer Szene der Netflix-Dokumentat­ion „Schumacher". Der Film ist auch ein Geschenk seiner Familie an den Sport-Superstar, dessen Schicksal viele Menschen bewegt. Erstmals spricht seine Frau über die Zeit nach dem Skiunfall.
FOTO: PRIVAT/DPA Der frühere Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher (rechts) und seine Kinder Mick und Gina-Maria Schumacher in einer Szene der Netflix-Dokumentat­ion „Schumacher". Der Film ist auch ein Geschenk seiner Familie an den Sport-Superstar, dessen Schicksal viele Menschen bewegt. Erstmals spricht seine Frau über die Zeit nach dem Skiunfall.
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FOTO: OLIVER MULTHAUP/DPA Michael Schumacher­s einmalige Rennfahrer-Karriere steht im Zentrum der neuen Netflix-Doku. Hier 2002 mit Ehefrau Corinna.

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