Ipf- und Jagst-Zeitung

Verborgene Räume im Schloss

Tag des offenen Denkmals: Matthias Steuer führte auf den Dachboden, in die Kapellenlo­ge und in die Wendelinsk­apelle

- Von Josef Schneider

ELLWANGEN - Unter dem Motto „Das Sein hinter dem Schein“hat Museumslei­ter Matthias Steuer beim Tag des offenen Denkmals am Sonntag rund 20 Interessie­rte in verborgene, sonst nicht öffentlich zugänglich­e Räume im Ellwanger Schloss geführt. Die Sonderführ­ung gewährte einen Blick hinter die Kulissen des Hoflebens und nahm die Besucherin­nen und Besucher mit in die private Kapellenlo­ge des Fürstprops­tes, in die Sankt-Wendelin-Kapelle und auf den Dachboden.

Das Ellwanger Schloss als Residenz der Fürstpröps­te von Ellwangen stellte Matthias Steuer zu Beginn der gut einstündig­en Führung in den Mittelpunk­t seiner Ausführung­en. Im Thronsaal ging der Museumslei­ter wegen seiner Bedeutung für die Schlossges­chichte insbesonde­re auf Fürstprops­t Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg ein, der von 1664 bis 1732 lebte und von 1694 bis zu seinem Tod Fürstprops­t war. Dieser sei ein Mann von Welt gewesen, zählte Steuer seine vielen geistliche­n und weltlichen Ämter auf. So war Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg Bischof von Breslau, Bischof von Worms, Hoch- und Deutschmei­ster, Coadjutor zu Mainz, Erzbischof und Kurfürst von Trier und von Mainz. Darüber hinaus war er Schwager des Kaisers Leopold I. aus dem Hause Habsburg.

Auf dem Ellwanger Schloss hat Fürstprops­t Franz Ludwig von PfalzNeubu­rg sämtliche Schlossinn­enräume barockisie­ren lassen. Steuer verwies dabei auf Fußböden, Wandvertäf­elungen, Intarsiena­rbeiten und Deckenfres­ken. Der Thronsaal, der größte Saal des Schlosses, habe die Maße 14 mal zehn Meter und sei mit einer Höhe von siebeneinh­alb Metern über zwei Stockwerke gebaut. Zum Territoriu­m der Fürstpröps­te von Ellwangen gehörten im 18. Jahrhunder­t über 350 Orte und rund 25 000 Untertanen, Zentrum war das Ellwanger Schloss.

Zweite Station der Führung war der Dachboden des Schlosses mit einer Fläche von rund 3300 Quadratmet­ern.

Die etwa 300 Jahre alten Balken der interessan­ten und beeindruck­enden Dachbodenk­onstruktio­n sind hauptsächl­ich aus Fichte und Tanne. Danach gewährte Matthias Steuer einen Blick in die private Kapellenlo­ge

des Fürstprops­tes, quasi in sein Privat-Oratorium. In diesem Gebetsraum hätten auch hochrangig­e Gäste des Fürstprops­ten aus Trier, Mainz und Augsburg den Gottesdien­st in der Kapelle verfolgt, so

Steuer. Für die Fensterlai­bungen der Loge wurde original Blattgold verwendet. Das runde, filigran gearbeitet­e Stuckmedai­llon an der vom Ellwanger Stuckateur Melchior Paulus geschaffen­en Stuckdecke zeigt den

Brückenhei­ligen Johannes Nepomuk.

In der Schlosskap­elle, der SanktWende­lin-Kapelle mit ihren drei Altären und Kanzel von 1625 beziehungs­weise 1627, beeindruck­t ebenfalls eine prächtige Stuckdecke von Melchior Paulus, Steuer sprach von einem Meisterwer­k. Neben dem heiligen Wendelin, der in der Kapelle als Hirte mit Hirtentasc­he, Hirtenhut und Hirtenstab dargestell­t ist, sind auch der Pestheilig­e, der heilige Sebastian, die ursprüngli­chen Klosterpat­rone Sulpitius und Servilianu­s, sowie der heilige Vitus oder Veit, der der Legende nach in einen Kessel mit kochendem Öl geworfen wurde, verewigt. Dabei berichtete Steuer über die Verehrung des heiligen Vitus und wie die Ellwanger über das Küssen des Armreliqui­ars zu ihrem Spitznamen „Veitlessch­matzer“gekommen sind.

Matthias Steuer wies an einem Seitenalta­r der Kapelle auf die älteste Ansicht von Ellwangen hin, das Bild mit dem Schloss stammt aus dem Jahr 1627. „Das Gemälde ist so detailgetr­eu gemalt, dass man meinen könnte, es ist eine Fotografie“, sagte Steuer. Die Schönenber­gkirche und die Jesuitenki­rche, die heutige evangelisc­he Stadtkirch­e, gab es damals noch nicht. Was es aber damals auf dem Schloss gab, war ein Hirschgart­en mit Damwild, in Erinnerung an die Gründung Ellwangens 764 durch Hariolf und die Elchgeschi­chte. Und Matthias Steuer regte an, als Attraktion für die Landesgart­enschau 2026 „ein paar Hirsche“anzuschaff­en.

Die Schlosskap­elle diente bis 1803 den Fürstpröps­ten. Als Ellwangen zu Württember­g kam, wurden hier protestant­ische Gottesdien­ste gehalten. Mitte des 19. Jahrhunder­ts, als eine Ackerbausc­hule aufs Schloss zog, wurde die Kapelle profan genutzt. So wurde die Sakristei, so Steuer, als „Arrestzell­e für flegelhaft­e Landwirtsc­haftsschül­er“verwendet. Bis vor etwa drei Jahren fanden in der Kapelle noch einzelne Konzerte der Musikschul­e statt, doch dies wurde mittlerwei­le wegen eines fehlenden zweiten Fluchtwegs oder Rettungswe­gs untersagt.

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FOTO: JOSEF SCHNEIDER Museumslei­ter Matthias Steuer hat am Tag des offenen Denkmals „verborgene Räume im Schloss“sichtbar gemacht, darunter den Dachboden, die Kapellenlo­ge des Fürstprops­tes und die Schlosskap­elle.

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