Unaufhaltsame neue Ära
Martin Winterkorn referiert auf der IAA über emissionsfreies Fahren und Elektromobilität. Der VW-Chef spricht davon, dass der Konzern den Markt mit neuen elektrischen Modellen aufrollen will. Diese Rede ist nun sechs Jahre her. Was früher Zukunftsmusik war, ist heute Realität. Doch Winterkorn ist kein Teil dieser neuen Welt. Einen Tag nach seiner Rede in Frankfurt erschüttert den Konzern und die Automobilbranche die Nachricht von der Manipulation von Millionen Dieselautos. Die Affäre wird sich als größter Industrieskandal der deutschen Geschichte erweisen.
Bis zu diesem Zeitpunkt stand die deutsche Autoindustrie an der Spitze der Technik. Keiner baute so saubere Diesel-Pkw wie VW. Keine andere Industrie genoss ein so hohes Ansehen in der Welt. Der Dieselbetrug machte dieses Image mit einem Schlag zunichte. Und er ließ Millionen betrogene Käufer zurück.
Für sie geht es in dem nun beginnenden Strafprozess darum, Gerechtigkeit zu erfahren. Doch die Affäre ist mehr als ein Wirtschaftsskandal, sie markiert den Beginn einer Zeitenwende in der Mobilität. Damals sprach Winterkorn über Elektromobilität, doch richtig ernst meinte er es nicht. E-Autos wurden von den Autokonzernen eher wie Stiefkinder behandelt. Das Geld machte man mit immer größeren Spritfressern. Klar gab es Umweltauflagen, doch damit nahmen es die Konzerne offenbar nicht so genau. Erst die Dieselaffäre machte ein Umrüsten notwendig.
VW und Co. mussten ihr Image reinwaschen, indem sie dem Diesel den Rücken kehrten. Zugleich zwang sie die Politik durch immer härtere Vorschriften zum Umbau. Nun haben sich viele Konzerne selbst ein Ausstiegsdatum für den Verbrenner gesetzt. Doch das Verhältnis zwischen Politik und Automobilindustrie hat sich verändert. Die Zeiten, in denen die Branche diktieren konnte, wie es läuft, sind vorbei. Auch wenn das Auto weiter am populärsten ist, eine neue Ära ist angebrochen. Für die kommende Bundesregierung wird es darauf ankommen, mehr Gleichwertigkeit zwischen Auto-, Bahn- und Radverkehr herzustellen.