Ein deutliches Signal
Das souveräne 3:0 in Barcelona unterstreicht die Ambitionen des FC Bayern, Europas Geld-Phalanx zu ärgern
BARCELONA - Als wäre die kümmerliche Darbietung auf dem Rasen nicht schon Strafe genug gewesen, zeigte die renommierte spanische Sport-Tageszeitung „Marca“am Mittwoch auf ihrer Titelseite die sich abklatschenden Bayern-Torschützen Thomas Müller und Doppelpacker Robert Lewandowski, titelte dazu: „Armes Barça!“
Während der „Kindergarten“des FC Barcelona (noch mal „Marca“) im Champions-League-Spiel eins nach dem Abgang der Clublegende Lionel Messi keinen einzigen Schuss aufs Tor zustande brachte – was es seit 18 Jahren nicht mehr gab –, spazierten die Bayern im altehrwürdigen (Betonung auf: alt!) Stadion Camp Nou zum lockeren 3:0 (1:0)-Auswärtserfolg.
Joshua Kimmich sprach nach dem 18. Auftakterfolg zur Gruppenphase in Serie – natürlich ein Rekord – die Wahrheit: „In der Bundesliga ist es für uns zum Teil schwerer, weil die Mannschaften tiefer stehen. Was uns zugute kommt: Barça ist eine Mannschaft, die Fußball spielen möchte.“Können sie aber nur mehr schlecht als recht (Betonung auf: schlecht!). Die Bayern dagegen strahlen alte Dominanz
und neue Leidenschaft aus. Mit dem Erfolg bei den Katalanen ist man seit nunmehr 19 Auswärtsspielen in Europas First Class ungeschlagen (15 Siege, vier Remis), erzielte auch im 23. Champions-LeagueSpiel in Serie einen Treffer.
Robert Lewandowski schwärmte von einem „perfekten Tag“, während Kapitän Manuel Neuer über das 3:0 in Gedanken an Europas Fußballelite sagte: „Wir haben ein Ausrufezeichen gesetzt“.
Ob das die Herrschaften bei Titelverteidiger FC Chelsea sowie den anderen größtenteils fremdfinanzierten und in diesem Transfersommer trotz der Folgen der Corona-Pandemie mit Geld nur so um sich schmeißenden Vereinen wie Paris St. Germain oder Manchester City beeindruckt? Womit der engere Favoritenkreis benannt sein dürfte.
„Wir müssen jetzt wieder zeigen, dass wir wieder zu den Top drei in Europa gehören“, meinte Bayerns Vorstandsboss Oliver Kahn vor der Partie und twitterte am Mittwoch: „Der Auftritt unterstreicht unsere hohen Ziele und ist ein deutliches Signal an die internationale Konkurrenz.“Der neue Amazon-Analyst Matthias Sammer verkündete vollmundig: „Gegen diese Bayern verlieren die meisten.“Aber eben nicht alle?
Wie gut und wie titelreif sind diese Bayern 13 Monate nach dem Henkelpott-Gewinn unter Hansi Flick in Lissabon und nach zweieinhalb Monaten unter der Führung ihres neuen Trainers Julian Nagelsmann wirklich?
Der Kader: Mit Mittelfeld-Allrounder Marcel Sabitzer und Innenverteidiger Dayot Upamecano (beide von RB Leipzig) hat man zwei erstklassige Bundesliga-Profis verpflichtet, die sich dank des Niveaus ihrer neuen Mitspieler weiter verbessern können. Upamecano, bereits Stammspieler, sei ein „Gewinn für Bayern, ein ganz wichtiger Transfer“, meinte Bayerns ehemaliger Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge bei „Bild Live“.
Gegenüber dem ChampionsLeague-Erfolg von 2020 hat man die Stammspieler David Alaba, Jérôme Boateng und Thiago plus die wichtigen Ergänzungsspieler Ivan Perisic und Philippe Coutinho (beide nur geliehen) abgegeben, vergangenen Sommer kam Leroy Sané hinzu, der stark aufsteigende Form zeigt. Unterm Strich: Sind von eins bis 15 alle Akteure fit, ist der aktuelle Kader
Weltklasse, dahinter wird es im Vergleich zu vorher etwas dünner.
Der Torgarant: Stand Robert Lewandowski im Bayern-Trikot auf dem Platz, hat er letztmals im Februar in einem Pflichtspiel NICHT getroffen, beim 0:0 gegen RB Leipzig – im Februar! Der Weltfußballer ist mit 32 Jahren in der Form seines Lebens, schoss seine Tore Nummer 74 und 75 in der Königsklasse. „Der hört halt nie auf“, schwärmte der frühere Bayern-Mittelstürmer Mario Gómez, nun Experte bei Amazon. „Lewy kann auch 50 Tore in einer Bundesliga-Saison erzielen.“41 waren es zuletzt. „Er ist ein Vorbild, in jeglicher Hinsicht“, so Gómez weiter. LewyFan Julian Nagelsmann: „Er ist ein außergewöhnlicher Neuner, der sein ganzes Leben auf seine Leistung ausrichtet.“
Die neue Spielphilosophie: Deren Umsetzung, etwa die asymmetrisch angeordneten Außenverteidiger der Viererkette, passt Nagelsmann noch nicht, er forscht weiter akribisch nach der perfekten Mischung aus Automatismen und (seinen) neuen Impulsen. Trotz der Gala bei Barça fordert er eine kontinuierliche Weiterentwicklung – denn nur dann
„sind wir einer der Favoriten – wenn nicht, nicht“. Joshua Kimmich mahnte, dieser Erfolg sei nach dem 5:0 gegen Hertha BSC erst „unser zweiter souveräner Sieg“dieser Saison gewesen, Zuvor waren „ein paar wilde Spiele“dabei. Thomas Müller weiß: „Wir wissen, dass wir schon noch was zu arbeiten haben.“Etwa im Liga-Alltag, am Samstag in der Allianz Arena gegen Aufsteiger VfL Bochum.
Karl-Heinz Rummenigge denkt da weiter, er hätte gerne eine Revanche gegen PSG, gegen das Bayern im April im Viertelfinale scheiterte: „Mal sehen, wer da als Sieger vom Platz geht.“
FC Barcelona – FC Bayern 0:3 (0:0) Barcelona: ter Stegen - Araujo, Piqué, Garcia (66. Mingueza) Roberto (59. Demir), Busquets (59. Gavi), Alba (73. Balde) - F. de Jong, Pedri - L. de Jong (66. Coutinho), Depay. – München: Neuer Pavard (66. Hernández), Upamecano, Süle (82. Stanisic), Davies Kimmich, Goretzka - Musiala (69. Gnabry), T. Müller (82. Sabitzer), Sané (82. Coman) - Lewandowski. – Tore: 0:1 T. Müller (33.), 0:2, 0:3 Lewandowski (56., 85.). – Zuschauer: 40 000.