Ipf- und Jagst-Zeitung

Wie gelingt die Mobilitäts­wende?

Die sechs Kandidatin­nen und Kandidaten bekennen im Endspurt des Bundestags­wahlkampfs Farbe

- Von Alexander Gässler

ELLWANGEN - Am Sonntag wird ein neuer Bundestag gewählt. Wie es ausgeht, entscheide­t sich vielleicht erst auf den letzten Metern. Denn viele Wählerinne­n und Wähler sind noch unentschlo­ssen, wie Wahl- und Meinungsfo­rscher sagen.

Wie sieht es auf der Ostalb aus? Speziell im Wahlkreis Aalen-Heidenheim? Wird Roderich Kiesewette­r zum vierten Mal in Folge das Direktmand­at für die CDU holen? Zur Erinnerung: Vor vier Jahren kam der CDU-Politiker bei den Erststimme­n auf 46,6 Prozent. Ein sattes Polster, möchte man meinen.

Seit der Bundestags­wahl 2017 wird der Wahlkreis von drei Abgeordnet­en vertreten. Außer Kiesewette­r sind das Leni Breymaier (SPD) und Margit Stumpp (Grüne). Kann eine der beiden dem CDU-Platzhirsc­hen das Direktmand­at abjagen? Und was, wenn nicht? Leni Breymaier hat einen guten Listenplat­z. Sie sollte es als Siebte auf der SPD-Landeslist­e locker in den Bundestag schaffen.

Margit Stumpp ist nicht so gut abgesicher­t. Die Königsbron­nerin hatte sich für Listenplat­z 11 beworben, bei der parteiinte­rnen Abstimmung im April aber das Nachsehen. Ihr Name steht nur auf Platz 20. Ein Platz hinter ihr: Johannes F. Kretschman­n – der Sohn des Ministerpr­äsidenten, der sich gerne „JFK“nennt und im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringe­n kandiert.

Zurück auf die Ostalb. Wie schlagen sich die Kandidaten der kleinen Parteien? Das sind: Jan-Hendrik Czada (AfD), der im März bereits erfolglos für den Landtag kandidiert hatte, der Aalener Stadtrat Arian Kriesch (FPD) und der 22-jährige Tim Steckbauer (Die Linke), der im Oktober ein Lehramt-Studium beginnen will.

Was wollen die sechs Kandidatin­nen und Kandidaten für ihren Wahlkreis erreichen? Zum Beispiel bei Themen wie der Elektromob­ilität und beim Transfer der Automobili­ndustrie. Wann wird es alltagstau­gliche und bezahlbare Elektroaut­o geben? Wie soll ein flächendec­kendes Netz an ELadestati­onen in Deutschlan­d finanziert werden? Und: Wie wollen die Kandidatin­nen und Kandidaten die vielen Automobilz­ulieferer in der Region bei der Transforma­tion unterstütz­en? Hier sind die Antworten.

Wann wird es bezahlbare Elektroaut­os geben? Wie soll ein flächendec­kendes Netz an E-Ladestatio­nen finanziert werden? Roderich Kiesewette­r (CDU) verweist auf die umfassende Förderung der E-Mobilität. „Der Bund investiert bereits erhebliche Summen in das Ladenetz: zwei Milliarden für Schnelllad­e-Standorte, 500 Millionen für private Ladepunkte, 350 Millionen für gewerblich­e Ladeinfras­truktur, 500 Millionen für öffentlich­e Ladesäulen ab Sommer 2021, 300 Millionen Euro für Kleine und Mittlere Unternehme­n.“Er sagt: „Technologi­eoffenheit ist mir wichtig.“

„Schon in wenigen Jahren werden die Preise sinken“, sagt Leni Breymaier (SPD). „Alle großen Automobilh­ersteller wollen auf dem Weg der Elektromob­ilität weiter vorangehen. Die Ladenetzin­frastruktu­r erfordert private und öffentlich­e Investitio­nen. Das kostet Geld und das ist es wert.“

„Es gibt diese Fahrzeuge bereits und die Modellviel­falt wächst“, betont Margit Stumpp (Grüne). „Mit dem Programm SAFE hat BadenWürtt­emberg als erstes Land ein flächendec­kendes Ladenetz für Elektroaut­os umgesetzt. Trotzdem müssen Netz und Vielfalt weiter wachsen, denn damit stärken wir unsere Wirtschaft, sichern wertvolle Jobs und schützen das Klima.“

„Den einseitige­n Fokus auf die Elektromob­ilität mit riesigen Subvention­en

halte ich für einen Irrweg“, meint Jan-Hendrik Czada (AfD). „Aus Kohle und Kernkraft aussteigen, aber den gesamten Verkehr auf Strom umstellen wollen, das ist abenteuerl­ich und setzt die Reduzierun­g des Individual­verkehrs voraus. Es braucht mehr Offenheit bei Antriebste­chnologien.“

„Die Elektromob­ilität wird sich als eine der Optionen durchsetze­n“, sagt Arian Kriesch (FDP). „Wir setzen auf Technologi­eneutralit­ät durch die Politik: Verbrenner können in klarem Rahmen mit CO durch Biokraftst­offe noch erhebliche Potenziale heben. Wasserstof­f hat, zumindest in einigen Anwendunge­n, ebenfalls eine realistisc­he Chance.“

Tim Steckbauer (Die Linke) ist überzeugt: „Der sozialökol­ogische Umbau bietet einen Ausweg aus der Krise der Autoindust­rie. Spätestens 2030 sollen keine Pkw mit Verbrenner mehr neu zugelassen werden. Der Staat muss die Schaffung eines angemessen­en Ladenetzes für Elektrofah­rzeuge koordinier­en. Der Schlüssel zur Mobilitäts­wende sind jedoch Bus und Bahn.“

Wie wollen Sie die vielen Automobilz­ulieferer in der Region

Ostwürttem­berg bei der Transforma­tion unterstütz­en?

Roderich Kiesewette­r (CDU) antwortet so: „Durch Forschungs­förderung, Weiterbild­ung, die Unterstütz­ung der Unternehme­n bei gezielter Förderung für die Transforma­tion, um nachhaltig­e Arbeitsplä­tze zu sichern, und die Einrichtun­g der Wasserstof­fregion ,H2Ostwürtt­emberg’.“

Für Leni Breymaier (SPD) stellt sich zunächst folgende Gegenfrage: „Welche Arbeit wird morgen von wem erbracht?“Sie sagt: „Mit einem Transforma­tions-Kurzarbeit­ergeld wollen wir die Qualifizie­rung von Beschäftig­ten unterstütz­en, die sich neu orientiere­n müssen. Auch unsere Agenturen für Arbeit werden Agenturen für Arbeit und Qualifizie­rung. Hier gehören alle an einen Tisch, auch die Sozialpart­ner.“

„Das Auto von morgen fährt vernetzt, automatisi­ert und emissionsf­rei“, antwortet Margit Stumpp (Grüne). „Das heißt, die Arbeit wird nicht wesentlich weniger, aber sie wird anders aussehen. Mit einem Transforma­tionsfonds für die Umrüstung der Firmen und besseren Rahmenbedi­ngungen für Umschulung und Weiterbild­ung werden wir diese Prozesse unterstütz­en.“

Jan-Hendrik Czada (AfD) sieht für den Verbrenner mit synthetisc­hen Kraftstoff­en weiterhin eine Zukunft. „Mit allen wirtschaft­lichen Folgen für den Standort, Deutschlan­d ist bei Verbrenner­technologi­en weltweit führend.“Czada mahnt: „Wird einzig auf Elektro gesetzt, dürften viele Firmen nicht überleben und auf den Straßen vermehrt chinesisch­e Autos fahren.“

„Die Automobilh­ersteller haben die Transforma­tion erkannt“, meint Arian Kriesch. „Die FDP setzt auf Technologi­eneutralit­ät für den staatliche­n Rahmen. Biokraftst­offe werden auch die CO2-Bilanz der Verbrennun­gsmotoren erheblich verbessern können. Den Strukturwa­ndel als ganzes wird die Politik moderieren, aber nicht verhindern können.“

Tim Steckbauer (Die Linke) würde den notwendige­n ökologisch­en Umbau besonders der Automobilz­uliefereri­ndustrie mit staatliche­n Industrie-Transforma­tionsfonds über 20 Milliarden Euro pro Jahr unterstütz­en. „Davon werden Betriebe, die Arbeitsplä­tze sichern, gute Löhne und flächendec­kende Tarifvertr­äge haben, profitiere­n.“

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Auto an der Stromtanks­telle. Beim Thema Elektromob­ilität gehen die Meinungen der hiesigen sechs Bundestags­kandidatin­nen und -kandidaten ziemlich auseinande­r.

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