„Mit Vorbild, Herzblut und Leidenschaft“
Thilo Rentschler wird nach acht Jahren an diesem Freitag aus dem Amt des Aalener Oberbürgermeisters verabschiedet
AALEN - „Man muss mit Vorbild, Herzblut und Leidenschaft an eine Sache herangehen, sonst erreicht man nichts.“Unter dieser Prämisse hat Thilo Rentschler in den vergangenen acht Jahren sein Amt an der Spitze der Stadt Aalen ausgefüllt. Ein Amt, „das nicht Oberverwaltungsmeister, sondern Oberbürgermeister“heißt, wie er betont. An diesem Freitag wird Rentschler in der Stadthalle aus diesem Amt verabschiedet werden, am 30. September ist ganz offiziell sein letzter Arbeitstag im Aalener Rathaus. Einen Tag später, am 1. Oktober, wird er seinen Schreibtisch als neuer Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwürttemberg in der Heidenheimer LudwigErhard-Straße beziehen. Thilo Rentschler hat es so gewollt.
Es war die „Hammermeldung“des noch frühen Jahres in Aalen: Rentschler erklärte Anfang Februar, im Sommer nicht mehr für eine Wiederwahl als OB zu kandidieren. In sein künftiges Amt wurde er wenige Tage später von der IHK-Vollversammlung gewählt. Von Mitte November bis Ende Dezember vergangenen Jahres hat Rentschler und seine Familie diese Entscheidung umgetrieben, wie er im Rückblick sagt. Denn „aus der Mitte der IHK heraus“, so erzählt er, sei er angesprochen worden, ob er sich einen solchen beruflichen Schwenk vorstellen könne. Als Rentschler grünes Licht gab, ist er vom IHK-Präsidium als einziger Bewerber der Vollversammlung zur Wahl als neuer Hauptgeschäftsführer vorgeschlagen worden. Nach der Wahl stand fest: Thilo Rentschler wird das Aalener Rathaus und den OB-Sessel verlassen.
Dass er sich auf diesem Sessel nicht ausruhen werde, stand für Rentschler schon fest, als er am 21. Juli 2013 im zweiten Wahlgang mit 60,5 Prozent der Stimmen zum Aalener Oberbürgermeister gewählt wurde. Von seiner bisherigen Funktion als Vorstandssprecher der diakonischen Einrichtung Mariaberg nahe Gammertingen auf der Alb war ihm der Ruf als „Turbo-Thilo“nach Aalen vorausgeeilt. In weiten Kreisen Aalens selbst war der Wunsch groß, die Stadt möge nach den eher ruhigen Jahren unter Rentschlers Vorgänger Martin Gerlach endlich wieder die ihr gebührende Rolle spielen. Und Rentschler war der Richtige dafür. „Für mich war klar: Einfach laufen lassen geht nicht“, sagt er im Rückblick. Vernünftige Stadtentwicklung gehe nur mit klarer Führung.
Kommunalpolitisch brachte der gelernte Banker und studierte Betriebswirt sein Rüstzeug für das neue Amt aus zwölf Jahren als SPD-Stadtrat im Fellbacher Gemeinderat mit, zuletzt als Fraktionsvorsitzender, wirtschaftlich und unternehmerisch aus seiner Tätigkeit als Unternehmensberater und Organisationsentwickler, die er vor seiner Mariaberger Zeit ausgeübt hatte. „Ich habe schon in jungen Jahren von Banken über Unternehmen bis zur öffentlichen Verwaltung viel abbekommen“,
„Für mich war klar: Einfach laufen lassen geht nicht.“
beschreibt er seine vielfältigen beruflichen Erfahrungen als großen Vorteil. Was aber noch wichtiger sein sollte für Aalen und Rentschlers neues Amt: Aus all seinen bisherigen Tätigkeiten war er auf Landesebene in vielen Bereichen extrem gut vernetzt. „Ich kenne eigentlich Gott und die Welt“, sagt er. Und so war es nicht verwunderlich, dass sich im Laufe der OB-Jahre im Aalener Rathaus Staatssekretärinnen und hohe Verbandsfunktionäre, wichtige Vertreter aus Kultur, Architektur oder dem Sozialwesen die Klinke in die Hand gaben und nicht selten zu Fürsprechern und Förderern der Anliegen der Stadt wurden. „Manchmal gehört auch ein bisschen Mut dazu, auf solche Menschen zuzugehen, gleichzeitig gilt es, Respekt und Demut vor ihren Ämtern und Rollen zu haben“, sagt Rentschler. Wichtig sei es jedenfalls, in gegenseitiger Wertschätzung eine Atmosphäre zu schaffen, damit aus solchen Kontakten auch ein Mehrwert entstehen könne. Ablesen lässt sich dieser „Mehrwert“ganz sicher an der Entwicklung der Hochschule, am Ablauf und Ergebnis so mancher städtebaulicher Planung bis hin zum Kombibad oder an der letztendlich gewonnenen „Schlacht“um das neue Führungs- und Lagezentrum der Polizei.
Seine zielstrebige Art, sein extrem hohes und konzentriertes Arbeitstempo
Rentschler über den Beginn seiner Amtszeit.
und sein selbstbewusster Umgang mit dem Gang der Dinge haben Rentschler, der in seiner raren Freizeit Bücher reihenweise verschlingen kann, aber genauso gerne mit Leidenschaft kocht und viel wandert, nicht nur Befürworter beschert. „Ich leide darunter, dass ich bestimmte Situationen im Gemeinderat bis heute nicht verstehen kann“, gibt er zu. Obwohl er von Anfang an auf ein gedeihliches Miteinander gesetzt habe. Im Gemeinderat war Rentschler von bestimmten Seiten immer wieder teilweise rüde angegangen worden. Nach dem Rauswurf des einstigen Stadtwerke-Chefs Cord Müller waren die Grünen sogar gerichtlich gegen den OB zu Felde gezogen. Ein Problem des Gemeinderats selbst sieht Rentschler in der fast schon genüsslichen Langatmigkeit der Sitzungen – wohlwissend, dass ihm diese Feststellung als Sitzungsleiter auch selbst auf die Füße fallen könnte. Was er allerdings so nicht gelten lassen würde. In anderen vergleichbaren Städten, so führt er ins Feld, schaffe man ähnlich volle Tagesordnungen in drei Stunden.
Was andere in der Politik nur versprochen, aber nicht geschafft haben, kann Thilo Rentschler jedem Aalener unter die Halbe legen: Das wichtigste Kursbuch in seiner Amtszeit, das integrierte Stadtentwicklungskonzept, grafisch spiralenförmig aufgearbeitet,
„Ich kenne eigentlich Gott und die Welt.“
passt wirklich auf einen Bierdeckel. Die Darstellung soll deutlich machen, dass in der Stadtentwicklung eigentlich alles mit allem zusammenhängt. Und dass es wirklich funktionieren kann, das eine zu tun, ohne das andere lassen zu müssen. Was Rentschler ein „ausbalanciertes Vorgehen“nennt. „Wir haben uns um den Radverkehr und die B29 zugleich gekümmert“, sagt er, um das Kombibad und die Sportentwicklung, um den Wohnungsbau in der Stadt und die Häuslebauer in den Teilorten. „Eine Stadt besteht eben aus allen Teilen, Interessen und Bedürfnissen.“
Und trotz der Menge an Projekten und Vorhaben halte sich die Anzahl an Zielkonflikten in Aalen in Grenzen. „Was Gegenbewegungen und Proteste aus der Bürgerschaft betrifft, sind wir eher unterdurchschnittlich“, meint Rentschler. Was daran liege, dass viele Dinge aus seiner Sicht offen und ehrlich diskutiert worden seien. Als Beispiel dafür führt der das Kombibad und die Situation rund um den Hirschbach an.
Und wieder fällt im Gespräch sein Blick auf das – in diesem Fall im Großformat – an der Wand über dem Besprechungstisch seines Amtszimmers hängende Stadtentwicklungskonzept. „Vieles davon ist ja noch gar nicht umgesetzt“, sagt Rentschler. Sein Nachfolger könne nun gerne daran weiterarbeiten, denn Stadtentwicklung sei ein
Rentschler über seine vielen Kontakte und seine Vernetzung. immerwährender Prozess. „Und zu denken, man kann alles erledigen, ist eine völlig falsche Vorstellung“, beugt er schon mal der möglichen Frage vor, was er als Aalener OB denn noch alles gerne gemacht hätte.
„Man kann entscheiden und gestalten, das ist das Schöne daran“, blickt Thilo Rentschler auf die letzten acht intensiven Jahre im Aalener Rathaus zurück. Er freut sich aber nun auch auf seine „Transformation“wie er sagt, zur IHK, die kein Ausstieg, sondern ein Umstieg von der einen in eine neue, eine andere Verantwortung sei. Dass er auch seine neue Tätigkeit „mit Vorbild, Herzblut und Leidenschaft“und mit einem entsprechenden Tempo angehen wird, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Am 8. November startet die neue „Zukunftsoffensive Ostwürttemberg“unter Schirmherrschaft von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, die IHK will dabei eine führende Rolle spielen. Für den umtriebigen und gut vernetzten „Turbo-Thilo“ein „g’mähts Wiesle“, wie man auch auf den Fildern sagen würde, wo Rentschler 1967 geboren wurde. Aalen indes werden Thilo Rentschler, seine Frau Brigitte und die Familie auch weiterhin erhalten bleiben. Sie werden weiter hier wohnen, und der Noch-OB, der im vergangenen Dezember zum ersten Mal Großvater geworden ist, freut sich, wie er sagt, trotz einer neuen beruflichen Herausforderung auch auf eine neue, eine andere Art von Lebensqualität.