Franz Reindl sucht seine Chance
Eishockey-Funktionär will Präsident des Weltverbandes werden – Vier weitere Kandidaten
ST. PETERSBURG (dpa) - Franz Reindl ist gestresst. Einer der größten Strippenzieher des europäischen Sports will am Samstag seine Funktionärskarriere krönen und Präsident des Eishockey-Weltverbandes IIHF werden. Dafür waren und sind Meetings, Gespräche und etliche Telefonate notwendig. „Das sind wirklich intensive Gespräche in hoher Anzahl“, sagt der 66-jährige Präsident des Deutschen Eishockey Bundes (DEB).
Der frühere Nationalspieler weilt bereits in St. Petersburg, wo der Nachfolger des scheidenden Schweizers René Fasel gekürt wird, der – 71-jährig und seit 1994 im Amt – nicht mehr antritt. Insgesamt fünf Nachfolgekandidaten gibt es. Neben Reindl sind dies der frühere Landshuter Torhüter Peter Briza aus Tschechien, der Däne Henrik Bach Nielsen, der aus Kanada stammende Franzose Luc Tardif und als Außenseiter der in Deutschland lebende Belarusse Sergej Gontscharow.
„Das Gefühl, das ich in den ganzen Gesprächen bekomme, ist sehr, sehr gut“, sagt Reindl nur scheinbar gelassen. „Gefühl wählt aber nicht.“
Reindl ist gewiefter Taktiker, im Deutschen Olympische Sportbund bestens vernetzt, seit Jahren Mitglied im IIHF-Exekutivkomitee und weit über das Eishockey hinaus bekannt. Als Nationalspieler gewann er 1976 Olympiabronze und startete später seine Funktionärskarriere. Reindl war Co-Trainer und Interimscoach des Nationalteams, war im DEB Sportdirektor, Generalsekretär und zwischendurch auch mal kaltgestellt, ehe er den Verband 2014 als Präsident übernahm und sportlich und wirtschaftlich reformierte.
Die, die davon profitierten, sowie alte Wegbegleiter äußern sich gerne. „Franz Reindl ist ein Visionär und für mich der beste Kandidat, diese wichtige Position im internationalen Eishockey zu übernehmen“, sagt der frühere Bundestrainer Uwe Krupp. „Sein Werdegang beim DEB und die Entwicklung, die das deutsche Eishockey unter seiner Führung gemacht hat, sprechen für sich selbst.“
Den Sturm des Nationalteams in die erweiterte Weltspitze samt der olympischen Silbermedaille 2018 schreibt Reindl sich ebenso gerne auf die Fahnen wie immer mehr und immer bessere deutsche Spieler in der nordamerikanischen Profiliga NHL. Ex-Bundestrainer Marco Sturm und Weltklassestürmer Leon Draisaitl unterstützen Reindl öffentlich.
„Was mir zugute kommt, ist die Entwicklung des deutschen Eishockeys. Der phänomenale Aufstieg wird registriert“, sagte Reindl stolz. Ob das reicht, ist unklar. Lange galt die Devise, Reindl trete bei der IIHFWahl nur an, wenn auch klar ist, dass er die besten Chancen hat. Es kam die Corona-Pandemie, die Wahl wurde um ein Jahr verschoben, Mehrheiten und Fronten bröckelten und wechselten, Reindls Nervosität nahm zu. Schließlich entschied er sich doch zur Kandidatur. Reindl kandidiert aber eben auch für das Amt des Vizepräsidenten und erneut für das Exekutivkomitee. Er setzt also voll auf den Weltverband.
Das hat Folgen für den DEB. Dort stehen 2022 wieder Wahlen an. Für Reindl ist dann nach mehr als 30 Jahren im Verband Schluss. „2022 ist schon Zeit für einen Neuanfang. Ich trete dann sicher nicht mehr an“, stellt er klar. Spätestens dann bräuchte der DEB eine neue Führung.
Sollte Reindl am Samstag neuer IIHF-Präsident werden, wäre die Zeit beim DEB sofort beendet. Der nationale Verband würde bis zur Wahl 2022 interimsweise geführt, möglicherweise vom Berliner Rechtsanwalt Marcus Haase, der Reindl und den DEB schon seit Jahren berät.
Doch wie es dann weitergeht, ist unklar. Der frühere Sportdirektor Stefan Schaidnagel, der ursprünglich zum neuen starken Mann aufgebaut werden und den Verband hauptamtlich führen sollte, schied im vergangenen Winter nach internen Querelen aus.
Einen Plan für die Zeit nach Franz Reindl scheint es nicht zu geben. Weder aus dem Verband, noch aus der Liga kommen Gedankenspiele. „Ich kenne im deutschen Eishockey genug Leute, die den Tatendrang und die nötige Intelligenz haben, etwas bewegen zu wollen“, sagte der Sportchef der Düsseldorfer EG, Niki Mondt.
Wer das sein könnte, verriet der frühere Nationalspieler nicht. „Der DEB ist aktuell sehr gut aufgestellt“, sagte Reindls aktueller DEB-Vize Daniel Hopp. Der Geschäftsführer der Adler Mannheim mahnte indes auch: „Es wird in Zukunft darum gehen, dass der eingeschlagene Weg der Reformierung des Verbands, einhergehend mit starkem Fokus auf die Nachwuchsarbeit, fortgesetzt wird.“Dass er derjenige sein könnte, der Reindls Kurs fortsetzt, ist eher unwahrscheinlich. Der Sohn von SAP-Gründer Dietmar Hopp ist auserkoren, die Geschicke beim Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim zu lenken, wenn der 81-jährige Vater dies nicht mehr kann.