Ipf- und Jagst-Zeitung

Das Grundrecht auf Hosenfreih­eit

- ●» untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Ö

fters schon war es uns vergönnt, an dieser Stelle das legerste Kleidungss­tück seit Erfindung des Rupfensack­s zu thematisie­ren: die Jogginghos­e. Als Mischung aus Schlafanzu­g und Sportbekle­idung ist sie bei gemütliche­n Abenden vor dem Fernseher kaum wegzudenke­n. Und weil es aus der Mode ist, sich wenigstens in der Öffentlich­keit anständig anzuziehen, begleitet uns das schlabberl­ookige Beinkleid fast überallhin. Natürlich auch in die Gastronomi­e. Mit einer Ausnahme: dem Café Leonardo in Mülheim an der Ruhr.

Der Wirt des dortigen Etablissem­ents findet die Jogginghos­e unvereinba­r mit dem Stil des Hauses und hat verboten, sie dort zu tragen. Bilder des Internetau­ftritts seines Cafés zeigen prunkvolle Räume, in denen sich wohl auch Ludwig XIV. wohlgefühl­t hätte. Kein Wunder also, dass Jogginghos­en dort schon rein optisch nicht hineinpass­en. Und wie das in heutiger Zeit so ist, hat sich sofort eine sich in ihrem verfassung­sgemäßen Grundrecht auf Hosenfreih­eit eingeschrä­nkt fühlende Minderheit formiert. Sie ruft zum Boykott des Cafés und Schlimmere­m auf.

Die Geschichte der Jogginghos­e ist letztlich eine voller Missverstä­ndnisse – wie es so viele gibt. Denn das gilt auch etwa für die Pilotenbri­lle, bei der es keinen Pilotensch­ein braucht, um sie mit Würde zu tragen. Und dass die Armbanduhr zwar bis 300 Meter Tauchtiefe bestens geeignet ist, zum Geschirrsp­ülen aber trotzdem stets abgelegt wird, zeigt die Ambivalenz von uns Menschen. Jedenfalls schön zu sehen, dass dem Mülheimer Wirt sein Café nicht Jacke wie Hose ist. (nyf )

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? An der Leine bestens aufgehoben – die Jogginghos­e.
FOTO: IMAGO IMAGES An der Leine bestens aufgehoben – die Jogginghos­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany