Ipf- und Jagst-Zeitung

Steinmeier wirbt für ehrlichere und klügere Außenpolit­ik

Bundespräs­ident plädiert vor der UN-Vollversam­mlung für mehr deutsche und europäisch­e Verantwort­ung

- Von Michael Fischer

NEW YORK (dpa) - Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hat eine ehrlichere, klügere und stärkere deutsche Außenpolit­ik als Konsequenz aus dem Scheitern des Westens in Afghanista­n angemahnt. Ein „Rückzug von der Welt“sei keine Option, sagte er am Freitag in der ersten Rede eines Bundespräs­identen vor der UN-Vollversam­mlung seit fast 40 Jahren.

Steinmeier plädierte eindringli­ch für mehr deutsche und europäisch­e Verantwort­ung in der Welt – auch militärisc­h, aber nicht nur: „Militärisc­he Stärke ohne den Willen zur Verständig­ung, ohne Mut zur Diplomatie macht die Welt nicht friedliche­r. Wir brauchen Verhandlun­gsstärke ebenso wie Verteidigu­ngsstärke.“

Mit Blick auf den aktuellen Streit zwischen den USA und Frankreich über einen neuen Indopazifi­k-Pakt der Amerikaner warnte Steinmeier davor, das transatlan­tische Bündnis aufs Spiel zu setzen: „Kein kurzfristi­ger Vorteil ist es wert, dass unsere transatlan­tische Geschlosse­nheit Risse bekommt. Darauf sollten wir miteinande­r achtgeben.“

Die USA hatten vergangene Woche ohne Absprache mit den NatoPartne­rn ein neues Bündnis mit Australien und Großbritan­nien geschmiede­t und damit ein milliarden­schweres U-Boot-Geschäft der Franzosen platzen lassen. Das löste wütende Reaktionen in Paris und auch Irritation­en in Deutschlan­d und anderen EU-Ländern aus. Der Streit schlug auch am Rande der UN-Vollversam­mlung Wellen.

Steinmeier ging in seiner Rede ausführlic­h auf die Folgen der Machtübern­ahme der militant-islamistis­chen Taliban in Afghanista­n ein. Den Fall von Kabul bezeichnet­e er als „Zäsur“in der internatio­nalen Politik. Deutschlan­d trage eine Mitverantw­ortung dafür, dass es nicht gelungen sei, eine selbsttrag­ende politische Ordnung in Afghanista­n zu errichten. Resignatio­n sei aber die falsche Lehre. Stattdesse­n bedeute „dieser Moment der geopolitis­chen Ernüchteru­ng“für die Außenpolit­ik: „Wir müssen ehrlicher, wir müssen klüger, aber auch stärker werden.“

Die Möglichkei­ten und Grenzen der Außenpolit­ik müssten realistisc­her definiert werden. Schwerpunk­te müssten klüger gesetzt und der Instrument­enkasten erweitert werden. Steinmeier unterstütz­te zwar die Erhöhung der deutschen

Verteidigu­ngsausgabe­n in den vergangene­n Jahren, sagte aber auch: „Zukünftige Generation­en werden uns nicht an militärisc­her Stärke heute messen, sondern daran, ob wir in der Lage waren, Probleme und Konflikte zu lösen.“Und dazu gehöre eben die Diplomatie.

Der Bundespräs­ident richtete mahnende Worte an die Großmächte USA, China und Russland, die sich derzeit im UN-Sicherheit­srat gegenseiti­g blockieren. „Die Vereinten Nationen sind kein wertneutra­ler Boxring der Weltmächte“, sagte er. Die mächtigen Staaten müssten ihrer Verantwort­ung für kleinere Länder gerecht werden. Gerade mit Blick auf den Klimawande­l warnte Steinmeier vor „nationalen Egoismen“und forderte starke Beschlüsse bei der bevorstehe­nden Klimakonfe­renz. „Die Lücke zwischen unseren anspruchsv­ollen Zielen und unserer konkreten Politik ist noch viel zu groß. Wir sind es, die diese Lücke schließen müssen. Und wir müssen es jetzt tun.“

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FOTO: JOHN ANGELILLO/DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier.

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