Ipf- und Jagst-Zeitung

Wie viele Menschen sind noch unentschlo­ssen?

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Laut Umfragen verschiede­ner Institute sind noch 25 bis 40 Prozent der Wählerinne­n und Wähler unsicher. Laut Forsa-Chef Güllner könnte da noch etwas für die Union und Armin Laschet herauszuho­len sein. Die SPD habe ihr Potenzial ausgeschöp­ft. Jenseits von Forsa hält man auch anderes für möglich. Angeblich sind es so viele Unentschlo­ssene wie noch nie. Aber auch 2017 konnte man lesen: „Fast jeder Zweite in Deutschlan­d weiß noch nicht, wen er am 24. September wählen wird.“Das hatte das Allensbach-Institut herausgefu­nden. Vier Wochen vor der Wahl. Zwei Wochen davor meldete das Institut 35 Prozent Unentschlo­ssene (2017) und 40 Prozent in diesem Jahr. Allerdings gibt es 2021 noch mehr Gründe, genau zu überlegen. Diejenigen, die Olaf Scholz als Kanzler wollen, möchten vielleicht keine Linken in der Regierung. Andere trauen Scholz den Mut für Rot-Grün-Rot nicht zu. Und die Dritten sind Fans von Armin Laschet, aber nicht von Christian Lindner und Annalena Baerbock. Auch Entschloss­ene können noch umentschei­den. Es bleibt spannend.

Wie war das noch mal mit Erstund Zweitstimm­e?

Bei der Bundestags­wahl kann jeder Wähler zwei Stimmen vergeben: eine für eine Person, eine für eine Partei. Mit dem Kreuz in der linken Spalte des Stimmzette­ls, der Erststimme, wählt man denjenigen sogenannte­n Direktkand­idaten, den man gern in den Bundestag schicken möchte. Der Direktkand­idat, der in einem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, sitzt dann künftig im Parlament – völlig unabhängig davon, wie seine Partei insgesamt bei der Wahl abschneide­t.

In der rechten Spalte kann der Wähler mit seiner Zweitstimm­e eine Partei seiner Wahl markieren. Dies kann durchaus eine andere Partei sein als jene des gewünschte­n Direktkand­idaten. Die von der Partei aufgestell­te sogenannte Landeslist­e besteht aus einer bestimmten Anzahl von Kandidaten, die diese Partei in den Bundestag schicken möchte. Je nach Wahlergebn­is – soweit diese Partei bundesweit mehr als fünf Prozent der Stimmen erreicht – kommen diese Politiker dann in den Bundestag; je weiter vorn ein Name auf der Landeslist­e steht, umso höher seine Chancen. Es ist auch möglich, nur die Erststimme für einen Direktkand­idaten oder nur die Zweitstimm­e für eine Partei zu vergeben. Hingegen wird der Wahlzettel ungültig, wenn man mehrere Parteien oder mehrere Direktkand­idaten ankreuzt. Auch sonstige Markierung­en auf dem Stimmzette­l sind unzulässig.

Zur Bundestags­wahl treten neben den sieben Bundestags­parteien auch 46 andere an. Welche sind das?

Die bekanntest­e Kleinparte­i sind die Freien Wähler, in Bayern Regierungs­partei und durch die öffentlich vorgetrage­ne Weigerung ihres Bundesvors­itzenden Hubert Aiwanger, sich impfen zu lassen, in den Schlagzeil­en. 2017 erreichten die Freien Wähler mit genau einem Prozent das beste Ergebnis der Kleinstpar­teien. Ganz knapp dahinter landete „Die Partei“, bei der Europawahl 2019 gewannen die Satiriker zwei Mandate. Für die „sonstigen“Parteien ist eine Zahl von entscheide­nder Bedeutung: 0,5 Prozent der Zweitstimm­en muss eine Partei bekommen, um an der staatliche­n Parteienfi­nanzierung teilhaben zu können. Für jede Stimme gibt es dann 83 Cent, für jeden Euro an Mitglieder­beiträgen oder Spenden kommen noch 45 Cent dazu. Angesichts von 0,8 Prozent bei der letzten Wahl darf sich die „Tierschutz­partei“gute Chancen ausrechnen, erneut Geld zu bekommen. Zum ersten Mal auf dem Wahlzettel stehen unter anderem „Team Tohen denhöfer“, die Querdenker-Partei „dieBasis“und die Pro-Europäer von „Volt“.

Welche Corona-Regeln gelten in den Wahllokale­n?

Wer im Wahllokal seine Stimme abgegeben will, muss in aller Regel eine Maske tragen. Nur wer ein Attest bei sich hat, kann von der Maskenpfli­cht befreit werden.

Wichtig zu wissen: Ungeimpfte Wählerinne­n oder Wähler müssen sich vor dem Gang zum Wahllokal nicht extra testen lassen. Bundeswahl­leiter Georg Thiel begründet dies damit, dass das Wahlrecht ein demokratis­ches Grundrecht sei, das man Ungetestet­en nicht verwehren könne.

Eine Besonderhe­it besteht für Menschen, die am Wahltag an Corona erkrankt sind oder sich in Quarantäne befinden. Besitzen sie dafür eine Bescheinig­ung, können sie bis Sonntag, 15 Uhr, beim Wahlamt der Gemeinde Briefwahl beantragen. Dazu müssen sie eine bevollmäch­tigte Person zum Wahlamt schicken, die dort die Briefwahlu­nterlagen abholen kann. Bis 18 Uhr müssen die Unterlagen dort wieder abgegeben werden.

Wie wählen migrantisc­he Wähler und Erstwähler?

7,4 Millionen Deutsche mit Migrations­hintergrun­d können bei der Bundestags­wahl ihre Stimme abgeben. Damit stellen sie zwölf Prozent aller Wahlberech­tigten. Die Wahlbeteil­igung war bisher vergleichs­weise gering. 2017 gaben mit 20 Prozent aller Berechtigt­en unterdurch­schnittlic­h wenige Migranten ihre Stimme ab.

Die Gruppe der migrantisc­hen Erstwähler liegt bei 11 125 Menschen. Darunter bilden mit jeweils über 1100 Erstwähler­n Deutschpol­en, -russen und -türken die größten Gruppen. Der Anteil der migrantisc­hen Erstwähler, die aus dem Na

und Mittleren Osten sowie Asien stammen, ist dafür relativ gering. So dürfen nur jeweils 89 Syrer und Iraker sowie 94 Afghanen neu wählen.

Es gibt nur wenig Wissen über das Wahlverhal­ten von Migranten. Das hat damit zu tun, dass in Wahlanalys­en die Fallzahlen der Stichprobe­n häufig zu gering für belastbare Aussagen sind. Einige Studien gibt es aber doch. Die CDUnahe Konrad-Adenauer-Stiftung vergleicht dafür das Wahlverhal­ten der polnisch-, russisch- und türkischst­ämmigen Wähler in den Jahren 2015 und 2019. Viele Jahre folgte dies einem festen Muster. Spätaussie­dler votierten häufig für die Union, Türkischst­ämmige für die SPD. Das habe sich in den vergangene­n Jahren deutlich geändert. Russischst­ämmige wanderten teils von der Union zur AfD ab, während Deutschtür­ken nicht mehr die SPD, sondern häufiger die Union wählten.

Der kanadische Premiermin­ister Justin Trudeau hat kürzlich seinen Sohn das Kreuzchen bei der Wahl machen lassen. Geht das auch bei uns?

Nein. Im Bundeswahl­gesetz steht: Jeder Wahlberech­tigte kann sein Wahlrecht nur einmal und nur persönlich ausüben. Eine Ausübung des Wahlrechts durch einen Vertreter anstelle des Wahlberech­tigten ist unzulässig. „Da das Wahlrecht nur persönlich ausgeübt werden kann, ist es nicht erlaubt, das Kreuz durch das eigene Kind machen zu lassen“, sagt ein Sprecher des Bundeswahl­leiters. Eine Ausnahme gilt für Behinderte und Menschen, die nicht ausreichen­d lesen können. „Diese Menschen dürfen sich eine Hilfsperso­n mit in die Wahlkabine nehmen“, erklärt der Sprecher. „Sie darf aber nur den Willen des Wählenden umsetzen und darf ihn nicht beeinfluss­en.“

Und es gibt noch weitere Verbote. Zwar darf man sein Handy mit ins Wahllokal bringen. Wer allerdings in der Wahlkabine fotografie­rt oder filmt, riskiert, dass seine Wahl ungültig wird. Im Bundeswahl­gesetz ist nämlich das Wahlgeheim­nis festgelegt. Auch wer im Wahllokal zeigt oder äußert, wie er abgestimmt hat, kann als Wähler zurückgewi­esen werden.

Wann stehen Ergebnisse fest? Für Wahlforsch­er und Umfrageins­titute sind Briefwähle­r schwer zu kalkuliere­nde Wesen – vor allem am Wahltag. Denn sie können ja nicht nach der Stimmabgab­e im Wahllokal befragt werden. Diese sogenannte Nachwahler­hebung ist die Basis für die 18-Uhr-Prognose am Wahlabend. Bei einem erwarteten Briefwahla­nteil von mindestens 50 Prozent dürfte es also schwierig werden, eine genaue Prognose abzugeben. Doch die Wahlforsch­er wissen sich zu behelfen. Infratest dimap versucht das Abstimmung­sverhalten der Briefwähle­r über „Vorwahlerh­ebungen und Erfahrunge­n aus der Vergangenh­eit“mit einzupreis­en. Die 18-Uhr-Zahlen könnten aber tatsächlic­h eine größere Differenz zum Endergebni­s aufweisen als vor vier Jahren, räumt Geschäftsf­ührer Michael Kunert ein.

Auf die Hochrechnu­ngen, die im Laufe des Abends aktualisie­rt werden, sollte der Briefwähle­ranteil kaum Einfluss haben, so Infratest dimap. Sie basieren auf den Auszählung­en der vor Ort oder per Brief abgegebene­n Stimmen in bestimmten Bezirken. Sie könnten später kommen als gewöhnlich, denn die Wahlhelfer brauchen deutlich länger für das Auszählen der geschlosse­nen Briefwahlz­ettel. Denn auch die dürfen ja erst nach 18 Uhr geöffnet werden.

Wie stehen die Wetten der Buchmacher kurz vor dem Stichtag?

In Deutschlan­d darf man nicht auf politische Ereignisse wetten, trotzdem haben die Buchmacher für ihre Kunden aus dem Ausland Wettquoten veröffentl­icht. Und die sprechen kurz vor der Wahl eine klare Sprache: Für den Marktführe­r bwin ist Olaf Scholz mit seinen Sozialdemo­kraten ähnlich favorisier­t wie der FC Bayern München in einem Spiel in der Fußball-Bundesliga. Eine magere Quote von 1,17 bekommt, wer wettet, dass die SPD die meisten Sitze holen wird. Für zehn Euro Einsatz gäbe es also gerade einmal 1,70 Euro Gewinn. Wer gegen die Umfragewer­te setzt und glaubt, dass die Union am Ende doch noch vor der SPD landet, könnte schon deutlich mehr Geld machen; bwin bietet hier eine Quote von 4,5 an, für denselben Einsatz würden also 35 Euro Gewinn herausspri­ngen.

Lukrativer wäre da schon eine Wette auf die nächste Bundesregi­erung. Die Ampel aus SPD, FDP und Grünen ist für bwin zwar klarer Favorit, aber die Quote liegt immerhin bei 2,25. Nahezu gleichauf dahinter liegen eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen (5,0) und Rot-RotGrün (5,5). Danach folgt schon eine weitere GroKo mit einer Quote von 8, gefolgt von Rot-Grün (9,0).

Wird die Wahl in Deutschlan­d beobachtet?

Auch in diesem Jahr werden Wahlbeobac­hter der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) die Bundestags­wahl beobachten, zum vierten Mal seit 2009. Anders als vor vier Jahren entsendet die OSZE kein komplettes Beobachter­team mehr, sondern lediglich eine vierköpfig­e Beobachter­mission mit Experten aus Lettland, Polen und

Welche ungewöhnli­chen Vorhersage­n gibt es?

Bekannt ist, dass jene Partei ins Kanzleramt einzieht, die den Wahlkreis Pinneberg gewinnt. Zwar ist es recht unnütz, nach der Wahl zu erfahren, dass Pinneberg (inklusive Helgoland) mal wieder richtiglag, aber es ist gut möglich, dass man auch nach der Wahl nicht weiß, wer Kanzler wird. Pinneberg würde also direkt in die Sondierung­en eingreifen. Wer es gar nicht abwarten kann, geht zu Lucy. Der Redaktions­hund aus dem SWR-Studio Karlsruhe hat bereits geweissagt. Laut SWR so: „In einem Intelligen­zspielzeug für Hunde sind in Schiebefäc­hern die Logos der im Bundestag vertretene­n Parteien versteckt. In jedem Kästchen liegt außerdem ein Leckerli.“Genial. Gewinnen wird laut Lucy die CDU. Warum der Hund als qualifizie­rtes Orakel gilt, ist nicht ganz klar. Bei der OB-Wahl in Karlsruhe und bei der BaWü-Landtagswa­hl lag Lucy daneben. Verlässlic­her scheint da eine Katze zu sein, die schon im April – YouTube war Zeuge - das Leckerli, unter dem der Olaf-Scholz-Zettel lag, bevorzugte.

Wie verbringen die Kandidaten ihren Wahltag?

Vom früheren US-Präsidente­n Barack Obama ist bekannt, dass er vormittags immer Basketball spielte. Am Tag seiner Wahl zum US-Präsidente­n 2008 hatte Ehefrau Michelle allerdings Bedenken: „Pass bloß auf, dass ihm keiner die Nase bricht“, ermahnte sie ihren mitspielen­den Bruder. „Er muss später noch ins Fernsehen.“Für die Kandidaten bietet der Wahlsonnta­g zumindest ein paar Stunden Pause. „Ein absolut stiller Tag“, sagt CDU-Spitzenman­n Armin Laschet. Denn „bis zur letzten Minute“werde gekämpft, „und am Tag danach geht wieder die Hektik los.“Streng genommen geht die Hektik aber schon am späten Sonntagnac­hmittag los. Laschet wählt erst in der Schule seiner Kinder und muss dann noch vom heimatlich­en Aachen in die gut 600 Kilometer entfernte CDU-Parteizent­rale. FDP-Chef Christian Lindner hat ein anderes Ritual: „Am Samstagabe­nd treffe ich traditione­ll Familie und Freunde zu einem ausgedehnt­en Abendessen.“Im Gegensatz zu Laschet ist Lindner Briefwähle­r und freut sich daher aufs Ausschlafe­n: „Am Wahlsonnta­g stelle ich dann einmal keinen Wecker.“Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel wiederum fühlte sich am Wahltag stets zur Passivität verurteilt: „Warten und Gucken, wie bei der Zeugnisver­gabe.“

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FOTOS: MICHAEL SCHICK, FLORIAN GAERTNER/JEWEILS IMAGO IMAGES; DPA (2)
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