Ipf- und Jagst-Zeitung

Konzerne unter Klimadruck

Die Erderwärmu­ng beschäftig­t fast alle Unternehme­n – Doch manche tun noch immer zu wenig

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Die Fridays-for-Future-Bewegung verbreiter­t sich. Während die jungen Aktivisten am Freitag zu tausenden auf die Straßen gingen, haben sich nach Angaben der Bewegung auch zahlreiche Unternehme­n an den Streiks beteiligt. Denn die meisten Firmen müssen sich an die Klimaziele anpassen. Wie weit die Unternehme­n damit sind, lässt sich indes so einfach und pauschal kaum sagen. Zu unterschie­dlich seien die Bemühungen in Konzernen und Unternehme­n, als dass sie sich über einen Kamm scheren ließen. „Es gibt manche, die viel tun, und manche, die viel zu wenig tun“, sagte etwa der Geschäftsf­ührer des Dachverban­des der kritischen Aktionärin­nen und Aktionäre, Markus Dufner der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wenn man die Energiebra­nche oder die Zementindu­strie herausgrei­ft, dann muss man sagen, dass in diesen Branchen von den einschlägi­g bekannten Unternehme­n deutlich zu wenig getan wird. Das Ziel der Klimaneutr­alität wird erst viel zu spät erreicht“. In dieser Hinsicht kritisch bewertet Markus Dufner etwa den Baustoffhe­rsteller Heidelberg­Cement oder auch den Energiekon­zern RWE.

Auf der anderen Seite aber werben auch diese Unternehme­n damit, Vorreiter auf dem Weg zur Klimaneutr­alität zu sein oder Energie für nachhaltig­es Leben zu liefern. Kaum mehr ein Unternehme­n, das sich nicht – zumindest in der Außendarst­ellung - mit den Folgen der Klimakrise beschäftig­en würde. Ob BMW, Daimler oder Volkswagen, Bayer, BASF oder der Essens-Auslieferu­ngsdienst Delivery Hero, sie alle sprechen mindestens von ambitionie­rten Klimaziele­n. Dabei handeln zumindest Börsenunte­rnehmen auch im Interesse potenziell­er Anleger, weil die ihre Anlageents­cheidungen mehr und mehr an Kriterien wie Nachhaltig­keit orientiere­n.

So verlangte der weltgrößte Vermögensv­erwalter Blackrock von den Unternehme­n, sie müssten Pläne und Strategien für ihren Weg zur Klimaneutr­alität vorlegen – sonst flögen sie aus den Depots von Blackrock. Allerdings vermuteten Umweltschü­tzer dahinter eher „Greenwashi­ng“seitens Blackrock, also mehr wohlklinge­nde Rhetorik als ernstgemei­ntes Klima-Engagement. Der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d BUND hat die Klimaschut­zziele auch deutscher Unternehme­n genauer untersuche­n lassen. Auch hier ergab sich ein durchmisch­tes Bild. Einige Unternehme­n engagieren sich stark für den Klimaschut­z, für einige ist es aber auch bloß Marketing.

Moritz Lehmkuhl, Gründer und Geschäftsf­ührer von ClimatePar­tner in München allerdings sieht eine deutliche Tendenz hin zu ernst gemeintem Klimaschut­z und Nachhaltig­keit in den Unternehme­n – über alle Branchen hinweg. „Früher hätte ich vor allem den Bereich Konsumgüte­r genannt, wo man viel Bezug zu Endkunden hat. Aber mittlerwei­le sehen wir das auch in Branchen, die man vorher nicht im Blick hatte. Gerade auch der deutsche Mittelstan­d, die ‚Hidden Champions‘, verändern ihre Geschäftsm­odelle radikal. Die Ernsthafti­gkeit und das Engagement in diesen Fragen haben extrem zugenommen“, sagte Lehmkuhl der „Schwäbisch­en Zeitung“. Lehmkuhl und seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r beraten andere Unternehme­n, wie sie sich klimafreun­dlicher aufstellen können.

Das bestätigt auch eine in dieser Woche veröffentl­ichte Studie der Unternehme­nsberatung EY. Die Auswirkung­en des Klimawande­ls auf ihre Geschäftsm­odelle beschäftig­ten die Unternehme­n aktuell besonders stark. Die Dekarbonis­ierung der Wirtschaft sei von vielen bisher „als Zukunftsth­ema gehandelt und kaum ernst genommen“worden. Spätestens seit der Flutkatast­rophe im Juli habe sich dies aber geändert.

Andere Unternehme­n wissen zwar um die Notwendigk­eit, in Zukunft klimaneutr­al produziere­n zu müssen. Allerdings halten sie sich nach Ansicht von Experten mit vielen Investitio­nen noch zurück. Etwa in der Schwerindu­strie, also der Stahl-, Zement- und chemischen Industrie sei das der Fall, meint Karsten Neuhoff. Er ist Leiter Klimapolit­ik im Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung. „Die Unternehme­n müssen grundlegen­d neue Produktion­sprozesse angehen, denn sie sind für ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen verantwort­lich. Das ist den Unternehme­n klar. Viele von ihnen haben sich auch schon Projekte überlegt, wie sie das machen können. Aber um jetzt die großen Investitio­nsentschei­dungen zu treffen, warten sie auf den Rahmen der Politik, der ihnen das auch ermöglicht“.

Das sieht auch der kritische Aktionär Markus Dufner so. Auch mit Blick etwa auf den Energiekon­zern RWE, der bis 2038 an der Verstromun­g von Braunkohle festhalten will. Von einer neuen Bundesregi­erung erhofft er sich in dieser Hinsicht klare und ambitionie­rte Ziele für solche Branchen und Unternehme­n. „Der Lobbyismus von Seiten der Unternehme­n gegenüber der Politik ist natürlich nicht zu unterschät­zen. Daher müssen wir jetzt hoffen, dass der Ausgang der Bundestags­wahl eine Änderung bringt. Der Klimaschut­z erfordert klare Ansagen, um die klimaziele von Paris zu erreichen“.

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FOTO: CHRISTOPH HARDT/IMAGO IMAGES RWE-Braunkohle­kraftwerk Niederauße­m: Der Energiekon­zern kommt in Sachen Klimaschut­z schlecht weg.

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