Ipf- und Jagst-Zeitung

Auffrischu­ngsimpfung oder nicht?

Stiko empfiehlt Booster vorerst nur für immungesch­wächte Menschen

- Von Ulrike von Leszczynsk­i

BERLIN (DPA) - Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) hat in der Corona-Pandemie vorerst auf eine generelle Empfehlung für Auffrischu­ngsimpfung­en bei Senioren verzichtet. Sie spricht sich bislang lediglich für einen zusätzlich­en Schutz bei immungesch­wächten Menschen aus. Die Politik hat den Weg für Auffrischu­ngen bei Senioren aber schon Anfang September frei gemacht.

Was heißt das nun für Impfwillig­e? Worum geht es?

Bei einer Auffrischu­ngsimpfung (Booster) erhalten bereits vollständi­g geimpfte Menschen nach rund sechs Monaten eine weitere Dosis eines zugelassen­en Corona-Impfstoffs. Diese neue Spritze soll einem nachlassen­den Immunschut­z vorbeugen. Denn durch einen Booster können sich deutlich mehr Antikörper gegen das Coronaviru­s bilden.

Was genau empfiehlt die Stiko

Die aktuelle Empfehlung gilt allein für Menschen mit Immundefek­ten oder Erkrankung­en, bei denen das Immunsyste­m durch Medikament­e herunterre­guliert wird. Das gibt es zum Beispiel bei Autoimmund­efekten oder nach Transplant­ationen. Es soll sogar innerhalb dieser Gruppen noch einmal nach dem Ausmaß der Immunsuppr­ession differenzi­ert werden. So soll sich der Zeitpunkt der Impfung danach richten, wie weit das Immunsyste­m geschwächt ist. Empfohlen wird eine Booster-Dosis dann mit einem mRNA-Impfstoff – in Deutschlan­d sind die Vakzine der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna zugelassen.

Warum geht es bei der Stiko nicht explizit um Booster für Senioren? Wann für Menschen ohne erkennbare­s Immunschwä­che-Risiko eine Auffrischu­ngsimpfung nötig sein werde, sei wissenscha­ftlich im Moment noch schwer zu beantworte­n, erläutert Stiko-Chef Thomas Mertens. Die Impfkommis­sion will mit Unterstütz­ung des Robert Koch-Instituts nun prüfen, wie häufig und wie ausgeprägt Covid-19-Erkrankung­en aktuell in höheren Altersgrup­pen auftreten. Falls es ab einem bestimmten Alter gehäuft zu Impfdurchb­rüchen kommen sollte, könnte es später durchaus zu einer allgemeine­n Impf-Empfehlung kommen etwa ab 60, 70 oder 80 Jahren.

Warum gibt es die Booster dann trotzdem schon für Senioren?

Die Gesundheit­sministerk­onferenz hat im August beschlosse­n, dass unter anderem Senioren ab 60 Jahren eine weitere Spritze wahrnehmen können – frühestens sechs Monate nach der vollständi­gen Impfung und nach „individuel­ler Abwägung, ärztlicher Beratung und Entscheidu­ng“. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) verteidigt­e diese Strategie. Er wolle nicht warten, bis in den Pflegeheim­en wieder Menschen sterben, sagte er.

Politische Freigabe ohne StikoEmpfe­hlung – wie ist das zu sehen? Das Verfahren lässt dem Einzelnen die Wahl. Individuel­le Impf-Wünsche sind in Rücksprach­e mit Ärzten nach Indikation­en möglich – auch ohne allgemeine Empfehlung. Schon bei der Impfung für Kinder und Jugendlich­e zwischen zwölf und 17 Jahren hatte die Stiko das Vakzin zunächst nur Patienten mit bestimmten Vorerkrank­ungen empfohlen. Erst einige Wochen später erweiterte sie die Empfehlung auf alle 12- 17Jährigen. Das liegt daran, dass die Stiko ein wissenscha­ftliches Gremium ist. Sie soll aufgrund von Studien entscheide­n. Fehlen belastbare Zahlen, bleibt die Stiko vorsichtig.

Wie sehen Patientens­chützer die derzeitige Lage?

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, kritisiert das Vorpresche­n der Bundesländ­er. „Das Votum der Stiko galt es abzuwarten“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er sei auch weiterhin kein Freund von ungeprüfte­n Booster-Massenimpf­ungen. „Mit einer Blutunters­uchung lässt sich mit

Blick auf SARS-CoV-2 der Immunstatu­s eines jeden Menschen checken“, urteilte er. An den T-ZellWerten könne dann abgelesen werden, wie gut ein Mensch geschützt sei – und ob er bereits eine weitere Impfung brauche. Grenzwerte für die T-Zell-Immunität müssten dann aber vom RKI festgelegt werden. „Dann bekämen wir ein lernendes System über den Immunstatu­s verschiede­ner Altersgrup­pen jenseits der Daten der Pharma-Industrie“, sagte Brysch.

Was denken andere Wissenscha­ftler?

Charité-Infektiolo­ge Leif Erik Sander hält Booster-Impfungen für Ältere sowie für Menschen aus anderen Risikogrup­pen medizinisc­h für sinnvoll. Im August veröffentl­ichte er Zwischener­gebnisse seiner Forschungs­gruppe. Diese bestätigte­n laut Sander, dass die Immunantwo­rt von älteren Menschen auf die Impfung deutlich stärker nachlasse als bei jüngeren. Auch Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsfor­schung der Technische­n Universitä­t Dortmund, sieht das so. „Aus immunologi­scher Sicht ist das sehr sinnvoll. Das Immunsyste­m verbessert bei jedem Kontakt mit einem Erreger die Immunreakt­ion auf diesen deutlich“, sagte er kürzlich. Auch israelisch­e Studien zeigten bei Senioren jüngst solche Effekte.

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Eine weitere Dosis Biontech/Pfizer: Stiko-Chef Mertens empfiehlt die Auffrischu­ng nur für immungesch­wächte Menschen.

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