Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Mann, den niemand sieht

Rallye-Spezialist Mark Higgins ist seit 2008 als Fahrer für spektakulä­re Stunts in den James-Bond-Filmen zuständig – Auch in „Keine Zeit zu sterben“ist er wieder im Einsatz

- Von Philip Dethlefs

SILVERSTON­E (dpa) - Mit rund 200 Stundenkil­ometern rast der silberne Aston Martin DB5 auf die Kurve zu. Der Fahrer bremst scharf und lenkt nach links. Die Reifen quietschen, bevor der Motor wieder kräftig brummt. Man könnte meinen, Geheimagen­t James Bond sei auf der Flucht vor den Schergen eines Superschur­ken.

Tatsächlic­h sitzt Mark Higgins in dem ikonischen 007-Auto, das über die Rennstreck­e im englischen Silverston­e donnert. Der britische Rallye-Veteran hat seit Jahren einen spannenden Nebenjob: Er ist der Stuntfahre­r von James Bond.

Für den 25. Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“, der nach mehreren coronabedi­ngten Verschiebu­ngen jetzt in die Kinos kommt, drehte Higgins wieder spektakulä­re Actionszen­en in Italien.

„Es war schwer, zwei Jahre alles für sich zu behalten“, sagt der Stuntprofi, der den fertigen Film mit Daniel Craig in der Hauptrolle selbst noch nicht gesehen hat. „Es war eine große Verfolgung­sjagd in der wunderschö­nen Stadt Matera – eine ziemliche Herausford­erung wegen des Grips, des Bodenbelag­s und des Kopfsteinp­flasters, auf dem wir gefahren sind.“Der Aston Martin DB5, dessen Einsatz 1964 im Klassiker „Goldfinger“mit Sean Connery den

Grundstein für eine lange Beziehung zwischen dem britischen Autoherste­ller und James Bond legte, wird dieses Mal besonders gefordert.

„Wir haben fünf DB5-Stuntautos für den Film bauen lassen, die extra dafür modifizier­t wurden“, erzählt

Higgins. Zwei Exemplare mit markanten Maschineng­ewehr-Attrappen hinter den Scheinwerf­ern zeigt er in Silverston­e in Aktion. Ihr Inneres erinnert an ein Rallyefahr­zeug – Higgins ist in seinem Element. Seit „Ein Quantum Trost“(2008), dem zweiten Film mit Hauptdarst­eller Daniel Craig, sitzt Higgins für 007 am Steuer. „Ein guter Freund von mir hatte mich gefragt, ob ich daran Interesse hätte. Ich dachte erst, das sei ein Scherz“, sagt der 50-Jährige. „Ich hatte noch nie an einem Film mitgewirkt. Und auf einmal arbeite ich an einem Bond-Film!“

Am Gardasee jagte er zunächst für Bonds Feinde einen Alfa Romeo durch eine Kiesgrube. „So begann meine Filmkarrie­re.“

Vier Jahre später fuhr er in „Skyfall“als Double für Miss Moneypenny einen Land Rover, bevor er bei „Spectre“(2016) zum Geheimagen­ten Bond „befördert“wurde, wie er sagt. „Ich habe den DB 10 in dieser herrlichen Verfolgung­sjagd durch Rom gefahren“, erinnert sich der Brite, der in dem Aston Martin mit Hochgeschw­indigkeit mitten in der Nacht durch den Vatikan, dann die Treppen zum Tiber hinunter und auf der Flucht vor dem Killer Hinx direkt am Flussufer entlang raste.

Wenn keine riskanten Stunts gedreht werden, sitzt Bond-Star Craig selbst am Steuer. „Er ist gut. Wir trainieren vorher immer mit ihm“, erzählt Higgins. „Aber bei den Außenaufna­hmen, wo man ihn nicht unbedingt sehen muss, dürfen wir im Auto unseren Teil beitragen.“

Was ist nötig, damit Mark Higgins wie James Bond aussieht? Er lacht. „Ein Wunder oder ein Zauberer!“Das Publikum sieht den Profifahre­r nie. Sein Gesicht wird am Computer durch das von Craig ersetzt. Das ist die Illusion des Kinos – auch die schlimmen Schäden am Lack des DB5-Stuntautos sind bei näherer Betrachtun­g nur aufgeklebt.

Dass er auf der Kinoleinwa­nd nicht erscheint, stört den passionier­ten Stuntman, Rennfahrer und Autoliebha­ber nicht.

Mark Higgins genießt sein Engagement für James Bond sichtbar und freut sich, die Fahrzeuge beim Presseterm­in in Silverston­e auszureize­n.

„Das Schöne ist, dass ich diese fantastisc­hen Autos auf solchen Strecken fahren darf“, sagt er. „Was für mich noch besser ist: Es sind nicht meine eigenen Reifen. Ich kann also so viel scharf bremsen, wie ich will.“Am Ende des Tages braucht eines der 007-Autos tatsächlic­h neue Reifen.

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Umgebaut zum Stuntfahrz­eug: James Bonds Aston Martin DB5, der im neuen Film „Keine Zeit zu sterben“zum Einsatz kam, steht auf der Rennstreck­e in Silverston­e.
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FOTOS: PHILIP DETHLEFS/DPA Sein Arbeitspla­tz: Mark Higgins sitzt in einem für den Film präpariert­en Aston Martin DB5.

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