Bei der Weinstube „Zur Kanne“tut sich was
Hariolf und Wolfgang Kirsch haben die Zeit der pandemiebedingten Schließung zum Sanieren genutzt
ELLWANGEN - Das Gerüst an der traditionsreichen Weinstube „Zur Kanne“verrät es von Weitem: Das denkmalgeschützte Gebäude in der Oberen Straße wird saniert. Derzeit erhält die Fassade einen frischen Anstrich, aber das ist noch längst nicht alles. Umfassend haben die Brüder Hariolf und Wolfgang Kirsch in den vergangenen Monaten Hand an dem alten Gemäuer angelegt. Es ist ein ganzes Bündel von Baumaßnahmen im Rahmen des Förderprogramms „Sanierungsgebiet Ellwangen-Mitte 2022“, das die Hausbesitzer in Angriff genommen haben. Dazu gehört auch eine neue Tür.
Eine echte Errungenschaft ist diese Tür im Anbau der „Kanne“. Sie befindet sich da, wo es bisher nur ein Fenster zum Lesegarten des benachbarten Palais Adelmann hin gab. Er könne gar nicht sagen, wie oft er durch dieses Fenster geklettert sei, um bei kleinen Veranstaltungen die Gäste im Palaisgarten zu bewirten, sagt Hariolf Kirsch. Oft. „Ich hatte mir extra ein Trepple dafür gebaut.“
Das braucht er nun nicht mehr. Er kann künftig einfach die neue Tür öffnen, die von seinem Anbau in den Garten führt, um beim „Sommer in der Stadt“die Zuhörer von Bolz & Knecht oder der „Geschichten zur guten Nacht“mit Erfrischungen zu versorgen. Sagt’s und macht die neue Tür wieder zu, denn begonnen haben er und sein Bruder mit den Baumaßnahmen im Innern ihres Hauses.
Es ist ein altes Haus. „Eins der ältesten in der Stadt“, meint Kirsch. 1612 finde sich der erste Eintrag, der die Existenz der „guldenen Kantenwirtschaft“in dem Gebäude belege. „Irgendwann wurde der Name zu ’Kanne’ umgedeutet“, weiß der Wirt. Seine Familie führt die Weinstube seit 1890 und damit in vierter Generation, die Brüder Kirsch sind hier aufgewachsen, haben 2001 den Betrieb übernommen und wohnen beide im zweiten Stock. Sie kennen „jede Fuge“und wissen deshalb auch: „Zum Erhalt dieses alten Gemäuers muss man ständig was machen.“
Der Brocken, den sie derzeit stemmen, ist besonders groß. „Anlass war das ,Sanierungsgebiet Mitte’, das 2022 ausläuft“, berichtet Hariolf Kirsch. Vor zwei Jahren haben er und sein Bruder beschlossen, „auf diesen Zug aufzuspringen“. Keine Kleinigkeit. Gefordert war, ein ganzes Maßnahmenpaket zu schnüren, die Gewerke zu vergeben, eine Kostenrechnung aufzustellen und am Ende eine Modernisierungsvereinbarung zu treffen, in der die Zuschüsse festgelegt wurden. 2020 unterschrieben die Kirschs, wohl wissend: „Trotz der Zuschüsse tragen wir noch hohe Kosten.“Dafür sei das Haus dann für eine lange Zeit gründlich hergerichtet.
Dann zählt Kirsch auf: Die GästeWCs im Keller wurden saniert und modernisiert, was vielen Gästen bereits positiv aufgefallen sei. Ein WC im Erdgeschoss wurde neu und barrierefrei gemacht. Eine neue Heizungsanlage, „die nicht mehr im
Winter ausfällt“, ist eingebaut. Und in der Wirtsstube liegt ein neuer Boden. Einfach sei das alles nicht gewesen. „Es kamen viele Unwägbarkeiten dazu“, erzählt der Wirt. So ein altes Haus berge viele Überraschungen. Heute weiß er: „Die Renovierung hätten wir niemals in den paar Wochen geschafft, die wir eigentlich dafür vorgesehen hatten“, so Hariolf Kirsch. Deshalb erwies sich der Corona-Lockdown für die Brüder als Glücksfall.
Denn während die „Kanne“von November 2020 bis Mitte Juni diesen Jahres pandemiebedingt geschlossen blieb und von außen besehen im Tiefschlaf lag, konnte drinnen emsig gewerkelt werden. „Die ganze Familie hat mit angepackt“, erzählt Kirsch. „Ich bin froh, dass wir diese Zeit genutzt haben.“
Auch die Fassadensanierung, die erste seit 1984, sei komplizierter ausgefallen als gedacht. Die Witterung habe die Außenwände an vielen Stellen rissig gemacht, es reichte nicht, einfach neu anzustreichen. Inzwischen aber kann man ahnen, wie das Haus aussehen wird, wenn Anfang der Woche ein Teil des Gerüsts, der am Anbau, abgebaut werden kann. Dieser neuere Teil des Hauses wird dann in Altweiß mit hellgrau umrandeten Fenstern erstrahlen. Das ältere Hauptgebäude erhält wieder seine braune Fassade mit hellbeigen Lisements und Faschen – das sind die Fensterumrahmungen. Alles im Einklang mit dem Denkmalschutz, so Kirsch.
Bleibt die alte, von Feuchtigkeit durchsetzte Wand zur Färbergasse hin. Besonders stolz ist Hariolf Kirsch auf deren Sanierung. Bis in zwei Meter Tiefe habe man außen den Boden aufgegraben, um das Fundament freizulegen, mürbes Material herauszuholen, neuen Zementputz anzubringen, mit Metallgittern zu stabilisieren und mit Beton und Dichtschlämmen abzudichten. Dazu kamen Drainage-Matten und eine Drainage-Leitung, die künftig das Wasser, das von der Straße ans Gebäude läuft, zur Kanalisation zu führen. „Das war baulich sehr aufwendig.“
Fehlen noch: die Dachsanierung, der Ausbau eines Teils der Bühne und das Treppenhaus. Ende des Jahres soll alles fertig sein. Aber die Gäste können schon seit Mitte Juni wieder kommen.
Prompt klingelt das Telefon, und Kirsch notiert eine Reservierung. Eigentlich macht er erst um 18 Uhr auf. „Aber 17 Uhr geht auch“, entscheidet er. „Dann fangen wir eben eine Stunde früher an.“