Ipf- und Jagst-Zeitung

„Für mich ein Traum, für die SC-Fans ein Alptraum“

Der Ex-Freiburger Florian Niederlech­ner möchte mit dem FC Augsburg die Feier im Dreisamsta­dion verderben

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RAVENSBURG - Das letzte Spiel des SC Freiburg im Dreisamsta­dion lässt nicht nur bei den Anhängern etwas Wehmut aufkommen. Selbst für Daniel Caligiuri und Florian Niederlech­ner vom Gegner FC Augsburg ist die Rückkehr (So. 17.30/DAZN) an die ehemalige Wirkungsst­ätte ein emotionale­r Moment. Vor allem „Freiburg-Fan“und Stürmer Niederlech­ner ist sich der Tragweite seiner möglichen Treffer bewusst. Rücksicht kann und will der 30-Jährige dennoch nicht nehmen, wie er im Gespräch mit Felix Alex klarstellt.

Herr Niederlech­ner, gegen Mönchengla­dbach kamen Sie zum ersten Mal in dieser Saison nur als Joker zum Zug. Trainer Weinzierl sagte Ihnen vorher: „Du kommst rein und entscheide­st das Spiel.“So kam es dann. Was hat Ihnen der Trainer dieses Mal geflüstert?

Das Spiel in Freiburg ist für mich persönlich eines der wichtigste­n Spiele, und da will ich auf jeden Fall auflaufen und von Anfang an spielen. Was der Trainer dann im Speziellen sagt, das werden wir noch sehen. Unser Plan beinhaltet auf jeden Fall, die drei Punkte mitzunehme­n.

Also kein genauer Ablauf, der die Woche über einstudier­t wurde? Klar haben wir uns in dieser Woche einen Plan zurechtgel­egt, wie wir in Freiburg erfolgreic­h sein wollen. Der Fußball lebt aber natürlich auch von Fehlern. Vielleicht können der FC Bayern und der FC Barcelona mal ein Tor perfekt herausspie­len, aber das ist ja nicht der Normalfall. Auch wenn man die ganze Woche plant, wie es kommen könnte, gehört auch immer Glück dazu. Das Tor gegen Gladbach war aber zum Beispiel exakt einstudier­t, manche Sachen muss man aber einfach riechen und seiner Nase folgen.

Welche Situatione­n „riechen“Sie als Stürmer denn am liebsten? Leider kommt meine Lieblingss­ituation nicht so oft vor. Denn am liebsten laufe ich alleine auf das Tor zu, da bin ich ein ziemlich sicherer Spieler. Was ich dann genau mache, will ich nicht verraten, damit der Flekki (SC-Torhüter Mark Flekken; d. Red.) nicht allzu genau weiß, was auf ihn zukommt. Obwohl, ich habe ja lang genug mit ihm zusammenge­spielt, vielleicht weiß er es aber auch nicht mehr. (lacht)

Das Drehbuch für Sonntag steht also, zudem hat es bei Ihnen noch eine sehr persönlich­e Komponente. Im Dreisamsta­dion hat es für mich mit der Bundesliga richtig angefangen. Der Fußballer, der ich jetzt bin, bin ich zum größten Teil in Freiburg geworden. Ich mag den Verein, die Fans und habe dem SC viel zu verdanken. Es war einfach eine wunderschö­ne Zeit, und deshalb freue ich mich unfassbar, am Sonntag wieder dort zu sein.

Dabei wird es auf jeden Fall ein Abschied aus der jahrzehnte­langen Heimat, das letzte Spiel vor dem Auszug aus dem Dreisamsta­dion. Ich weiß gar nicht, wie viele Siege wir dort gefeiert haben – es waren auf jeden Fall sehr sehr viele. Aber selbst wenn wir ein Spiel mal 0:3 verloren haben, haben uns die Zuschauer hinterher beklatscht. Für mich sind die Spiele dort alle immer einige der schönsten gewesen. Es ist auch irgendwie schade, dass es so kommt mit dem Umzug. Aber jetzt freuen wir uns einfach mal auf Sonntag.

Würden Sie es sich selbst vielleicht etwas übel nehmen, wenn gerade Sie den Freiburger­n zum Abschied aus der alten Wirkungsst­ätte eine Niederlage beibringen? Wahrschein­lich ist ja auch eine anschließe­nde Abschiedsf­eier geplant, aber wir wollen alles dafür tun, dabei für etwas Katerstimm­ung zu sorgen. Wenn ich zwei Tore schieße und wir gewinnen, freue ich mich unheimlich und es wäre für mich ein Traum – für die SC-Fans aber wohl eher ein Alptraum.

In Freiburg hat es 2016 bei Ihnen dann so richtig Knack gemacht, was die Karriere anbelangt.

Ich bin jedem Verein, bei dem ich gespielt habe, dankbar. In Unterhachi­ng ging es damals los, ohne die wäre ich nie Profi geworden. In Heidenheim hatte ich unter Frank Schmidt eine riesige Zeit und habe mich stark weiterentw­ickelt, aber unter Christian Streich bin ich in Freiburg eben Bundesliga­spieler geworden. Der Trainer hat mir sehr viel Selbstvert­rauen gegeben. Wir haben uns damals auch so wohlgefühl­t, dass ich mir auch vorstellen hätte können, meine ganze Karriere dort zu bleiben.

Dazu kam es jedoch nicht, vor allem Ihre Heimat Bayern lockte dann zu sehr und Sie gingen zum FC Augsburg.

Als wir in Freiburg waren, ist meine Frau schwanger geworden, und ich wollte wieder heim zur Familie, zu meinen besten Freunden, die alle im Umland von München leben. Da ist man dann in einer Dreivierte­lstunde. Für einen heimatverb­undenen und familiären Menschen ist es das Beste, was es gibt. Außerdem kann ich beim FC Augsburg auch weiterhin in der 1. Bundesliga spielen. Was will man mehr?

Da ist Augsburg also Ihre perfekte Oase geworden.

Ja, wir fühlen uns unheimlich wohl hier. Ich lebe mit meiner Frau und meinem Kind in einem Haus und bin absolut zufrieden in Augsburg. Zudem hat mir der Wechsel damals auch sportlich noch einmal einen ordentlich­en Schub gegeben.

Dabei waren Sie schon in der Bayernliga froh, überhaupt dort spielen zu dürfen, wie Sie der „Schwäbisch­en Zeitung“2017 verraten haben.

Ich hätte das 2010 beim FC Ismaning auf keinen Fall geglaubt, mal in der Bundesliga zu spielen. Jetzt habe ich das schon eine Weile geschafft und will auch noch zwei, drei Jahre in der 1. Bundesliga spielen. Dafür werde ich alles tun. Ich lebe meinen Traum. Jeder Fußballer, der sein Hobby zum Beruf machen konnte, empfindet es wohl so.

Das scheint nicht durchgängi­g der Fall. Mussten Sie vor allem junge Teamkolleg­en schon einmal daran erinnern, wie viel Glück sie mit ihrem privilegie­rten Leben haben? Durch die Nachwuchsl­eistungsze­ntren ist das schon verbreitet. Es ist heutzutage manchmal so, dass viele es nicht ganz so wertschätz­en, wie ich oder andere es tun, die vorher schon einen Beruf erlernt und gearbeitet haben. Als ich noch Industriek­aufmann war, bin ich um 5 Uhr morgens aus dem Haus gegangen und um 20 Uhr abends wieder vom Training heimgekomm­en. Das ein oder andere Mal musste ich junge Spieler an unser Privileg erinnern, aber Augsburg und Freiburg sind Vereine, bei denen so etwas nur selten vorkommt. Das sind sehr familiäre Vereine, und da weiß jeder, wo er herkommt.

Und auch Vereine, die immer wieder sportlich über sich hinauswach­sen und so die Klasse halten. Unser Saisonstar­t war nicht so, wie wir ihn uns erhofft hatten. Aber man hat schon in Berlin beim Unentschie­den gemerkt, wie die Köpfe hoch gehen, alles war die Woche direkt positiver. Nach dem Sieg gegen Gladbach – und das ist ja auch nicht irgendwer –, war in der Mannschaft sofort eine absolute Überzeugun­g da. Man weiß ja selber, wie wichtig der Kopf im Fußball ist. Jetzt sind wir drin in der Saison. Wir fahren also mit sehr viel Selbstvert­rauen in den Breisgau, auch wenn der FCA dort in der Vergangenh­eit nicht immer gut ausgesehen hat.

Und am Ende halten beide Vereine natürlich wieder die Klasse und Sie treffen zweistelli­g?

Das mit dem Klassenerh­alt klingt gut. Bei mir persönlich ist das Wichtigste, so platt es klingt, dass ich gesund bleibe. Das hat ja in der Vergangenh­eit leider nicht immer funktionie­rt, so waren es in Freiburg zwei Jahre, in denen ich viel verletzt war. Ich will einfach so viele Spiele und so viele Tore und Vorlagen wie möglich machen. Dabei von angestrebt­en Zahlen zu sprechen, davon halte ich nicht mehr so viel. Am liebsten würde ich zudem meine Karriere in ein paar Jahren beim FC Augsburg beenden.

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FOTO: SCHREYER/IMAGO IMAGES. Florian Niederlech­ner kommt, wie der Rest seiner Augsburger Teamkolleg­en, mit Selbstvert­rauen.
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FOTOS (2): IMAGO IMAGES Zum Abschluss gegen Augsburg wird es am Sonntag noch einmal emotional.

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