Abschied vom Dreisamstadion
Nach 67 Jahren spielt der SC Freiburg zum letzten Mal in der altehrwürdigen Arena
FREIBURG (SID) - Christian Streich grübelte kurz, aber er konnte und wollte sich einfach nicht entscheiden. Den einen besonderen Moment „gab es nicht“, sagte der Trainer des SC Freiburg platt – und schwelgte dann in einem Meer voller Erinne(17.30 rungen an das altehrwürdige Dreisamstadion: „Ich habe ein paar Hundert besondere Momente. Es gab so viele, ich kann nicht einen rausnehmen. Meistens mit Freude verbunden, einem Gefühl von Gemeinsamkeit – manchmal auch Niederlagen.“
Mit dem Heimspiel gegen den FC Augsburg heißt es am Sonntag
Uhr/DAZN) nach 67 Jahren Abschied nehmen. Nach dann mehr als 350 Spielen in der Bundesliga und über 400 Partien in der 2. Liga ziehen die Breisgauer aus ihrem alten Schmuckkästchen ins neu gebaute Europa-Park-Stadion im Nordwesten der Stadt. Die letzte Partie werde „sehr emotional“, sagte Freiburgs Kult-Coach Volker Finke wehmütig, der 73-Jährige relativierte aber auch: „Das Schöne ist, dass man gar nicht groß Abschied nehmen muss, weil zum Glück weiter dort gespielt wird.“Die Zweite Mannschaft und die Frauen des Sport-Clubs werden nach dem Umzug des BundesligaTeams ihre Fußballspiele im Dreisamstadion austragen.
Der kleinste Platz der Liga, Bratwurstgeruch auf den Rängen und über der Fankurve lugen die Tannenwipfel – das Dreisamstadion hatte zweifellos einen einmaligen Charme. „Manchmal habe ich beim Warmmachen schon den Geruch von Gras in der Nase gehabt, ja. Ich kenne kein Stadion, wo man als Fan so nah dran ist“, sagte Angreifer Nils
Petersen der „Sport Bild“. Unzählige spezielle Geschichten schrieb der in der kommerzialisierten Fußballwelt so angenehm bescheiden daherkommende SC in seinem Wohnzimmer.
Seien es Triumphe gegen die großen Bayern wie beispielsweise das legendäre 5:1 im August 1994, magische Nächte im UEFA-Cup oder kurz vor Weihnachten einfach 20 000 Wunderkerzen auf den Rängen bei einem Heimspiel gegen Borussia Dortmund. „Die Stimmung war unglaublich und hat auf eine schöne Weise gezeigt, wie der Fußball Menschen verbindet, die sonst vielleicht nichts miteinander zu tun hätten“, schwärmte Finke, von 1991 bis 2007 Trainer der Breisgauer.
Er werde „Gänsehaut“bekommen, wenn am Sonntag zum letzten Mal das traditionelle Badnerlied im Stadion ertönt, prophezeite Kapitän Christian Günter. Doch zu viel Feiertagsstimmung solle es dann auch bitte nicht sein, forderte Streich. „Wir müssen aufpassen. Es werden jetzt ganz viele Anekdoten rausgeholt. Es ist viel Nostalgie, das ist alles nachvollziehbar“, sagte der dienstälteste Trainer der Liga. Doch die Mannschaft müsse gleichzeitig ein „normales Bundesligaspiel“absolvieren. „Das darf nicht über den Spielern stehen“, betonte er: „Melancholie, alles wunderbar. Das gehört alles dazu, aber ist nicht wichtig.“
Es gehe darum, das bestmöglich auszublenden und nichts Besonderes aus der Partie zu machen. Man dürfe „nicht die ganze Zeit denken: Oje, das muss unbedingt funktionieren, das letzte Spiel, um Gottes Willen“, so Streich weiter. Denn: „Dann wird der Druck zu hoch. Dann denkt man noch, man tut den Leuten etwas an, wenn man nicht gut spielt. Aber das tun wir ja nicht.“
Vielmehr hat der SC Freiburg den Menschen im Dreisamstadion über Jahrzehnte sehr viel Gutes getan.