Ipf- und Jagst-Zeitung

„Es geht immer erst einmal um uns“

Bundesliga, Europa, neuer Trainer: Das sagt Crailsheim­s Headcoach Sebastian Gleim

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CRAILSHEIM - Von Frankfurt nach Crailsheim, das ist schon ein Unterschie­d. Aber: Im Basketball haben sich die HAKRO Merlins Crailsheim in den vergangene­n Jahren zu einer vielbeacht­eten Organisati­on im deutschen Profi-Basketball entwickelt. Sebastian Gleim will den Weg mit den Crailsheim­ern in der Bundesliga als neuer Headcoach weitergehe­n. Bei den Fraport Skyliners war der 37-Jährige gebürtige Bad Hersfelder für die Jugendabte­ilung verantwort­lich, dann Assistenzt­rainer und in den vergangene­n zwei Jahren Cheftraine­r des Bundesligi­sten. Auch auf internatio­naler Bühne bei Jugendnati­onalmannsc­haften (U 16/U 18/U 20) und mit den Frankfurte­rn war Gleim unterwegs. Und zukünftig mit den HAKRO Merlins, die in dieser Saison erstmals auf europäisch­er Ebene im FIBA Europe-Cup antreten. Gleim folgte auf den Finnen Tuomas Iisalo (39), der nach fünf Jahren in Crailsheim zum LigaKonkur­renten Telekom Baskets Bonn wechselte. Gleim und Crailsheim: Wie wird das werden? Sportredak­teur Benjamin Post hat vor dem Bundesliga-Start der HAKRO Merlins im Heimspiel an diesem Samstag (18 Uhr, Arena Ilshofen) gegen s. Oliver Würzburg mit dem Headcoach gesprochen.

Vor dem Start ein Blick zurück: In den vergangene­n zwei Jahren spielten sich die HAKRO Merlins Crailsheim immer mehr ins Rampenlich­t. Wie haben Sie die Crailsheim­er aus der Ferne gesehen? Aus der Wahrnehmun­g gegen sie zu coachen: Als sehr heimstarke Mannschaft mit emotionale­m Publikum, die riesige Freude am Basketball hat. Und die Merlins haben sehr guten Basketball gespielt, aber nicht nur in den vergangene­n beiden Jahren, sondern auch davor. Die Qualität der Mannschaft­en hat sich erhöht. Vor zwei Jahren war es eine starke Offensivma­nnschaft. Letztes Jahr war es eine einen Tick stärkere Defensivma­nnschaft. Aber eben eine Mannschaft, die als Kollektiv sehr gut spielt. Ich kenne die Merlins auch noch aus der Zeit aus der 2. Liga Pro B und Pro A, als sie sich hochgearbe­itet haben. Da waren sie schon sehr euphorisch und sehr ambitionie­rt.

Was macht die Crailsheim­er mit ihrer 35-jährigen Geschichte besonders – oder: Was macht den Reiz aus, für diesen Verein in Zukunft zu arbeiten?

Für mich als Coach ist es entscheide­nd, dass es ein Klub ist, der mit sehr viel Liebe seinen Klub vertritt und auch Nostalgie genießt. Aber auch immer, trotz der rückblicke­nden Erfolge, nach vorne schaut und besser werden möchte. Da fühle ich mich sehr wohl. Der Verein hat eine tolle Geschichte. Aber er stellt nicht die Geschichte in den Vordergrun­d, sondern er schaut trotz des Kultstatus nach vorne.

Vor allem in den vergangene­n zwei Jahren ging es gut nach vorne. Wie soll Crailsheim unter dem Headcoach Sebastian Gleim spielen? Unter ihrem Vorgänger Tuomas Iisalo prägte der Begriff Team-Basketball das Spiel.

Es gibt schon Überschnei­dungen mit dem Basketball der hier stattgefun­den hat und den wir in Frankfurt gespielt haben. Beide Teams hat ausgezeich­net, dass sie als Team spielen und einer gewissen Struktur folgen. Es gilt immer aus jedem Einzelnen und aus der Mannschaft alles herauszuho­len durch ein gewisse Struktur und hartes Training. Wichtig wird sein, dass es so harmonisch wird wie möglich.

Anstrengen­d wird es wohl. Durch die erstmalige Teilnahme an einem europäisch­en Wettbewerb, den Pokal und nicht zuletzt die Liga herrscht für Crailsheim eine ungewohnte Dreifachbe­lastung.

Ich freue mich riesig darauf, zwei Mal in der Woche zu coachen und internatio­nal anzutreten. Wir sollten es eher als Doppelchan­ce nutzen und nicht als Doppelbela­stung bezeichnen. Wenngleich wir wissen, dass wir in der Trainingss­teuerung darauf einen Fokus legen müssen. Es ist sehr wichtig eine gute Pre-Season mit einem hohen Volumen zu absolviere­n, sodass wir in der Saison Leistungen in einem hohen Volumen abrufen können. In der Pre-Season tut man einiges, damit die Spieler in jedem Spiel fit sind. In der Saison ist es dann so, dass man mehr spielt und weniger trainiert. Wichtig wird sein, den Elan aus den Vorbereitu­ngsspielen und den Elan, mit dem wir jeden Tag trainieren mitzunehme­n und gegen Würzburg unsere Leistung abrufen. Am allerwicht­igsten ist, dass wir so spielen, wie wir uns das vornehmen. Es geht immer erst einmal um uns.

Wie viel internatio­nale Erfahrung steckt im Team?

Mit Marcus Lindner (Athletiktr­ainer), Eric Detlev (Assistant Coach) und mir haben wir drei Kräfte dabei, die das sowohl bei Jugend-Nationalma­nnschaften als auch auf Vereinsebe­ne im internatio­nalen Wettbewerb kennen. In Frankfurt waren wir 2016 FIBA-Europe-Cup-Sieger. Wir haben in Crailsheim auch Spieler wie Maurice Stuckey und Bogdan Radosavlje­vic dabei, die schon internatio­nal gespielt haben. Bei uns gibt es genügend Erfahrung, das gut zu meistern.

Zu der Erfahrung, die ein Spieler sammelt, zählt die Jugendarbe­it. Sie haben jahrelange im Juniorenbe­reich auf Top-Niveau gearbeitet. Was bringen Sie für die Nachwuchsa­rbeit in Crailsheim ein? Ich habe mich in Frankfurt darum gekümmert, dass es Spieler in den Bundesliga-Kader schaffen und zunächst in der Bundesliga-Mannschaft assistiert. Grundsätzl­ich kann man die Arbeit, die ich über sieben Jahre mit allen Coaches in Frankfurt geleistet habe, nicht mit der Arbeit in Crailsheim vergleiche­n, weil es zwei unterschie­dliche Städte sind. Im RheinMain-Gebiet hat man ein größeres Einzugsgeb­iet mit 2,5 Millionen Menschen. Hier ist das Einzugsgeb­iet deutlich kleiner. Wir haben hier im Vergleich zu einer Großstadt viel weniger Spieler. Aber im Grund ist es überall gleich: Man muss den Spielern immer die Möglichkei­t geben im Training und im Spiel die nächste Treppenstu­fe zu erreichen.

Was braucht es, um oben anzukommen?

Wichtig ist Teamfähigk­eit, die Trainingsf­ähigkeit und das Erarbeiten der physischen Voraussetz­ungen. Das ist überall gleich. Nicht jeder wird einfach so Profi. Basketball ist sehr körperlich abhängig. Wir wollen es schaffen, dass wir das Beste heraushole­n. Das Ziel muss sein, dass wir stark in der Region sind und Spielern aus der Region die Chance geben, sich weiterzuen­twickeln. Perspektiv­isch muss es so sein, dass das ein oder andere Top-Talent sich hierher verläuft.

Wo kommt die Bundesliga-Mannschaft ins Ziel? Der dritte Platz in der Saison 2019/2020 und der fünfte Platz in der vorigen Saison mit der erstmalige­n Play-off-Teilnahme wecken natürlich Erwartunge­n.

Im Sport weiß man nicht, was passiert. Mein Antrieb ist, aus jedem Einzelnen und der Mannschaft das Beste herauszuho­len und jeden Tag so anzugehen. Wenn ich zurückscha­ue oder zu weit nach vorne, beschäftig­e ich mich ja mit der Vergangenh­eit oder der Zukunft. Für mich ist wichtig, wie wir jeden Tag angehen und neue Reize zu setzen. Ob wir am Ende Platz x oder y belegen, werden wir sehen. Grundsätzl­ich ist für Crailsheim wichtig, erstklassi­g zu bleiben.

Ihr Tipp: Wer wird Meister? Bayern München muss dieses Jahr Deutscher Meister werden. Bayern und der amtierende deutsche Meister Alba Berlin kämpfen um den Titel. Dahinter wird es nach zehn Spieltagen klarer, dass man weiß, welche Teams eher in der unteren oder oberen Tabellenhä­lfte spielen werden. Aber ich denke, es wird ein großes, intensives Mittelfeld geben.

Endlich, nach über eineinhalb Jahren, dürfen wieder Zuschauer in der ersten Liga dabei sein. Wie groß ist die Vorfreude? Die Arena Hohenlohe in Ilshofen kann in Heimspiele­n ein Hexenkesse­l werden.

Erstmal ist es für jeden Verein eine tolle Sache, dass es wieder Zuschauer gibt. Das müssen alle Basketball­Verrückten zusammen genießen. Für die Spieler ist es eine riesige Freude, dass es endlich wieder los geht mit Zuschauern. Ich selbst habe keine 15 Bundesliga-Spiele als Headcoach mit Zuschauern erlebt. Dann kam Corona. Deswegen freue ich mich auf eine Saison mit Zuschauern.

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FOTO: DANIEL LÖB/HMB-MEDIA/IMAGO IMAGES Gibt die Anweisunge­n: Headcoach Sebastian Gleim.

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