Bundestagspräsident „isch over“
Wolfgang Schäuble verliert sein Amt an der Spitze des Parlaments
BERLIN - Für Wolfgang Schäuble ist das Ergebnis der Bundestagswahl besonders bitter. Für ihn hat das schlechte Abschneiden der Union ganz direkte Auswirkungen: Der 79-Jährige, der seit 1972 dem Bundestag angehört, hat sein Direktmandat im Wahlkreis Offenburg verteidigt, aber das Amt des Bundestagspräsidenten, immerhin das zweithöchste Staatsamt in der Bundesrepublik, ist er los. „Isch over“, wie er selbst einmal mit Blick auf ein Ultimatum für griechische Hilfszahlungen sagte.
Wenn Schäuble nicht schon graue Haare hätte, dann könnten sie ihm in der nächsten Legislaturperiode wachsen. Der CDU-Politiker hat jetzt vier Jahre lang Zeit darüber nachzudenken, wie hoch sein Anteil an den Verlusten der Union war. Im April hatte er sich eindeutig für den CDUVorsitzendem Armin Laschet positioniert, als es mit CSU-Chef Markus Söder zum Duell um die Unionskanzlerkandidatur gekommen war. Er sei für „Herrn Laschet“, sagte er dem SWR.
Mit der Begründung: Die Volkspartei Union bedürfe der Einigkeit von CDU und CSU. Diese werde durch Söder gefährdet. Schäuble wehrte sich auch dagegen, dass über die K-Frage in der Bundestagsfraktion entschieden werde, wohl wissend, dass dort eine Mehrheit für Laschet eher fraglich war. Deshalb gilt er neben dem hessischen Ministerpräsidenten und CDUVize Volker Bouffier als Treiber der CDU-Entscheidung pro Laschet.
Wie das Wahlergebnis mit Söder als Kanzlerkandidat letztlich ausgefallen wäre, ist Spekulation. Doch innerhalb der Union wurden zuletzt immer wieder Stimmen laut, die in Laschet den Hauptgrund für die schlechten Umfrageergebnisse gesehen haben. Viele CDU- und CSU-Abgeordneten fürchteten um ihren Wiedereinzug ins Parlament. Einige zu Recht, wie sich gezeigt hat.
Dass Schäuble sein Direktmandat verteidigt hat, mag für ihn nur ein schwacher Trost sein mit Blick auf potenziell vier Jahre in der Opposition, die der Union nun dräuen. Das voraussichtliche Ende seiner politischen Karriere hätte glanzvoller ausfallen können, wenn er sich nicht mehr zur Wahl gestellt hätte. Jetzt droht ein Ende als Hinterbänkler.
Schäuble, dessen politische Laufbahn mit dem Eintritt in die Junge
Union vor 60 Jahren begann, war seit Oktober 2017 Nachfolger von Norbert Lammert, der dieses Amt zwölf Jahre lang innehatte. Immerhin, eine Aufgabe bleibt Schäuble: Als dienstältestes Mitglied des Bundestags darf er als Alterspräsident die konstituierende Sitzung eröffnen.
Der Bundestagspräsident ist traditionell Mitglied der stärksten Fraktion im Parlament, auch wenn es dazu keine gesetzliche Bestimmung gibt. Dies wird künftig die SPD-Bundestagsfraktion sein, folglich wird der neue Bundestagspräsident ein SPD-Parteibuch haben. In Presseberichten wurden die Namen des bisherigen SPD-Fraktionschefs Rolf Mützenich und von Michael Müller, bis dato Regierender Bürgermeister von Berlin und neuerdings SPD-Bundestagsabgeordneter, genannt. Gewählt wird der Bundestagspräsident von den Abgeordneten in der konstituierenden Sitzung des Parlaments.
Schäuble, der auf Platz eins der baden-württembergischen CDU-Landesliste zur Bundestagswahl stand, verteidigte sein Direktmandat mit schlechteren Werten als zuvor. Dem vorläufigen Endergebnis zufolge kam er auf 34,9 Prozent der Erststimmen. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte er noch 48,1 Prozent der Erststimmen geholt, 2013 sogar 56 Prozent.