Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Schatten liegt über dem strahlende­n Sieger

Olaf Scholz und die SPD haben sich gerade noch vor der Bedeutungs­losigkeit gerettet – Doch nun brauchen sie Partner

- Von Stefan Kegel

BERLIN - „Ansonsten habe ich gut geschlafen“, sagt Kanzlerkan­didat Olaf Scholz und lächelt, als er am Montag den Morgen nach der Bundestags­wahl beschreibe­n soll. Eingerahmt von den beiden Gewinnerin­nen der Wahlen in Berlin und Mecklenbur­g-Vorpommern, Franziska Giffey und Manuela Schwesig, und den Parteichef­s Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken will er den Regierungs­anspruch seiner Partei untermauer­n.

Und doch liegt ein Schatten auf ihrem Auftritt. 25,7 Prozent sind zwar kein Ergebnis, mit dem man sich in die 40-Prozent-plus-Ahnenreihe der Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder einreihen könnte. Dennoch ist die fast schon totgesagte SPD wieder da – und will ihren Regierungs­anspruch untermauer­n. Die Partei hat kurz vor dem Absturz in die Bedeutungs­losigkeit die Kurve gekriegt. Aber sie hat jetzt ein neues Problem.

Dabei ist alles anders als damals, im Jahr 2017. Da saß Wolfgang Schmidt in der Landesvert­retung Hamburg und raufte sich die Haare. Der Mann, der Olaf Scholz seit Jahren von Station zu Station folgt und als sein engster Vertrauter gilt, war

Gast in einer Runde, die den katastroph­alen Wahlausgan­g analysiere­n sollte: hohe Parteifunk­tionäre, Meinungsfo­rschungsin­stitute und eine ganze Schar von Politologe­n.

Irgendwann kam die These auf, dass es die Hartz-Reformen waren, die für die Niederlage verantwort­lich gemacht werden müssten. Es seien nicht der unglücklic­h agierende Kandidat Martin Schulz, die unklare Wahlbotsch­aft und die ständigen Streiterei­en unter den Sozialdemo­kraten. An dieser Stelle raufte sich Berater Schmidt die Haare.

Man kann sagen, dass die Planung für den Nachwahlta­g 2021 damals in Schmidts Kopf reifte. Unter Führung der damaligen Parteichef­in Andrea Nahles verabschie­dete sich die Partei von Hartz, ohne damit zu brechen – und als Scholz nach der Niederlage im Kampf um Nahles’ Nachfolge Kanzlerkan­didat wurde, stimmte dann alles: die Botschaft, die Geschlosse­nheit und der Kandidat.

Das heißt nicht, dass Scholz nun die einzige Machtbasti­on in der SPD wäre. Der frisch in den Bundestag gewählte Ex-Juso-Chef Kevin Kühnert ist zu nennen, Arbeitsmin­ister Hubertus Heil, Generalsek­retär Lars Klingbeil und ja, auch die beiden Parteivors­itzenden. Und neben Scholz konkurrier­en auch drei erfolgreic­he

Frauen um Einfluss und Macht in der Partei, die Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, vor allem aber die nun frisch gewählten SPD-Frauen in Berlin und Mecklenbur­g-Vorpommern, Franziska Giffey und Manuela Schwesig.

Die Ausgangsla­ge ist also diesmal gut für die SPD. Aber auf der Bühne im Willy-Brandt-Haus bleiben die Mienen des Führungspe­rsonals meistens ernst. Denn auf Bundeseben­e braucht die Partei Koalitions­partner, um regieren zu können. Und ihre Optionen sind am Abend vorher zusammenge­schrumpft.

Die Möglichkei­t eines rot-grünroten Bündnisses hat sich mit dem schwachen Abschneide­n der Linken erledigt. Der siegreiche­n SPD bleiben daher nur zwei Möglichkei­ten, um eine Regierung zu bilden. Die eine davon, eine Fortsetzun­g der Großen Koalition, diesmal unter sozialdemo­kratischer Führung, wollen weder SPD noch CDU. Für beide Seiten kommt es nun darauf an, das beste Angebot zu bieten, um Grüne und FDP zu sich in eine Koalition zu holen. Ampel oder Jamaika – eines dieser beiden konkurrier­enden Modelle stellt nun die Zukunft dar.

Es ist also klar, dass sich sowohl die SPD als auch die CDU an die beiden heranrobbe­n. Nachdem CDUChef

Armin Laschet am Wahlabend bereits das Bild einer „Zukunftsko­alition“mit Grünen und Liberalen entworfen hatte, zieht SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz am Montag in der SPD-Zentrale nach und entwirft seinerseit­s das Bild einer „Fortschrit­tskoalitio­n“unter SPD-Führung. So regierten die drei Parteien in Rheinland-Pfalz schon zusammen. Er erinnert auch an die „sehr erfolgreic­hen soziallibe­ralen Koalitione­n“von 1969 bis 1982 und die „sehr gute Regierungs­zeit mit den Grünen“von 1998 bis 2005.

Scholz‘ salbungsvo­lle Worte stehen im Gegensatz zu dem, was die Parteichef­s Esken und Walter-Borjans bereits seit Tagen verbreiten. Die beiden Befürworte­r eines rotgrünen Bündnisses haben mit der

Einbeziehu­ng der Liberalen ein erkennbare­s Problem, etwa mit der Absage an Steuererhö­hungen und dem Festhalten an der schwarzen Null. Esken betonte schon kurz vor der Wahl: „Das ist Voodoo.“Walter-Borjans legte am Montagmorg­en nach. Es scheint, als setze die SPD auf die guter Polizist/böser Polizist-Strategie aus US-Krimis. Hier die strengen Parteichef­s, dort der salbungsvo­lle Kanzleranw­ärter. Für die SPD ist es dabei eine missliche Lage, dass sich zuerst Grüne und FDP untereinan­der abstimmen wollen.

Denn damit würde sie zu einer Getriebene­n, der man Zugeständn­isse abpressen kann. Scholz erinnert die FDP daher an die glücklose schwarz-gelbe Bundesregi­erung von 2009 bis 2013, an Regierungs­parteien, die „hintenrum erzählen, was die anderen alles schlecht machen“, an das „in den letzten Jahren abschrecke­ndste Beispiel“für Regierungs­tätigkeit. Er hingegen wolle eine Regierung bilden, die auf Vertrauen beruhe. Daher sei es „erst mal völlig okay“, wenn FDP und Grüne zunächst untereinan­der sprächen. „So schnell wie möglich“, spätestens bis Weihnachte­n, will Scholz ein Bündnis gezimmert haben. Es könnte allerdings sein, dass er das allein gar nicht bestimmen kann.

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FOTO: CONTINI/ IMAGO IMAGES Saskia Esken und Norbert WalterBorj­ans sind Parteivors­itzende der SPD.
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