Sie sprechen darauf an, dass die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt mithilfe der Union Bundespräsidentin werden könnte?
Zurück zu Armin Laschet. Was bedeutet das Wahlergebnis für seine politische Zukunft?
Er steht bereits erheblich unter Druck. Wenn die Union in die Opposition gehen muss, dann wird er Schwierigkeiten haben, sich als CDUVorsitzender zu halten. Das wird sich wahrscheinlich in den nächsten Tagen zeigen. Bei der Schwesterpartei CSU werden in der Landesleitung bereits Stimmen laut, die sich recht deutlich von Laschet absetzen und ihn für das schlechte Wahlergebnis verantwortlich machen. Auch CSUChef Markus Söder sagte heute Morgen, dass die Union Jamaika nicht um jeden Preis machen könne.
Laschet muss nicht unbedingt Fraktionsvorsitzender sein, um Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen zu führen. Er kann das mit seiner Aussicht, Bundeskanzler zu werden, begründen. Deshalb will er das Risiko einer Wahl zum Unionsfraktionsvorsitzenden nicht eingehen. Er befürchtet zu Recht, dass er diese Wahl verlieren wird. Und wenn das passiert, muss er auch keine Koalitionsverhandlungen mehr führen.
Dass die SPD die Wahl gewonnen hat, lag wohl an ihrem Kanzlerkandidaten – und an der neuen Geschlossenheit der Partei.
Es ist vor allem das Verdienst von Olaf Scholz, dass die SPD die Wahl gewonnen hat. Aber der Wahlsieg wäre ihm nicht gelungen, wenn nicht die anderen so massive Fehler gemacht hätten. Er konnte vieles retten, aber die Initialzündung, dass es etwas zu retten gab, verdankt er vor allem der Grünen-Kanzlerkandidatin
Annalena Baerbock, aber auch Armin Laschet. Weil die beiden im Wahlkampf dermaßen gepatzt haben, lautete der Wettbewerb zuletzt nicht Laschet gegen Baerbock, sondern Laschet gegen Scholz.
Wird sich die SPD mit der nötigen Beinfreiheit, die es braucht, um eine Ampel mit Grünen und FDP auszuhandeln, bei Scholz bedanken? Die Verhandlungen über eine Koalition werden maßgeblich von der
Parteispitze geführt. Da ist der Kanzlerkandidat nur einer von mehreren. Der linksgerichtete Flügel der SPD wird sich nicht in Luft auflösen. Wichtig könnte für Scholz deshalb die Unterstützung der starken, aber gemäßigten SPD-Frauen in den Ländern werden. Sowohl Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern als auch Franziska Giffey in Berlin haben mit ihrem Kurs am Sonntag Wahlerfolge verbucht. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer gehört in diese Riege. Bei den SPDVerhandlungen spielen die Leute in den Ländern eine starke Rolle. Insofern hat Scholz durchaus Unterstützung – und nicht nur eine linke Parteiführung gegen sich.
Entscheidend für die Koalitionsbildung dürften die Präferenzen von FDP und Grünen sein. Was erwarten Sie von deren Vorsondierungsgesprächen?
Die werden ausgesprochen schwierig. Aber es war eine sehr kluge Strategie der beiden Parteien, Union und SPD sofort klarzumachen, wer die Entscheidung über eine mögliche Koalition trifft – nämlich sie. Sich auf inhaltliche Schnittmengen zu verständigen, könnte dagegen anstrengend werden. Eine Möglichkeit beispielsweise in der Klimapolitik wäre die Einigung auf einen früheren Kohleausstieg. Dieses Ziel wäre mit den CO2-Bepreisungsplänen der FDP vereinbar und für die Grünen ein wichtiges Prestigevorhaben.
Wird Christian Lindner letztlich darüber entscheiden, wer künftig regiert?
Im Moment haben das beide in der Hand – FDP und Grüne. Die Ampel ist ohne die FDP nicht machbar, Jamaika nicht ohne die Grünen. Aber je deutlicher die CSU Zweifel an Laschet äußert und je mehr Kritik an ihm laut wird, desto unwahrscheinlicher wird natürlich Jamaika. Das ist noch nicht entschieden, aber es kann sich schnell zuspitzen. Sollte diese Option wegfallen, dann hängt es an der FDP zu entscheiden, ob sie in eine Koalition mit SPD und Grünen hineingehen. Das Kuriose an der momentanen Situation ist tatsächlich, dass wir fast ein Patt der führenden Parteien haben, aber auch fast ein Patt der Koalitionsoptionen.
Wäre es für die SPD einfacher, eine Ampel zu verhandeln, wenn die Linken besser abgeschnitten hätten?
Auf jeden Fall. Für die SPD ist das schlechte Abschneiden der Linken ein Debakel. Sie hätte sich zwar niemals auf ein Linksbündnis eingelassen, aber dass das nun rechnerisch nicht möglich ist, schwächt ihre Verhandlungsposition immens. Sie kann die FDP weniger unter Druck setzen. Die Union hätte hingegen, sollte Laschet überhaupt noch so weit kommen, ein verlockendes Angebot bei Verhandlungen mit den Grünen. Sie könnte ihnen anbieten, deren Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl zu unterstützen. Das kann die SPD nicht.
Genau.
Wäre es für die FDP politisch klug, eine Koalition mit dem Wahlverlierer Union einzugehen?
Das hätte für die FDP vielleicht sogar einen Vorteil. Sie könnte sich als Modernisierer in einer solchen Koalition hervortun. Für viele in der FDP hat Jamaika nach wie vor einen größeren Charme als die Ampel.
Und wie fällt Ihr Blick in die Glaskugel aus?
Mit Prognosen bin ich derzeit sehr vorsichtig – auch mit Blick auf die politische Laufbahn von Armin Laschet. Wenn er die nächsten zwei Tage in der Union überstehen sollte, ist nicht auszuschließen, dass es noch auf Jamaika hinauslaufen könnte. Aber es ist eine verfahrene Situation. In meinem absoluten Albtraum sehe ich schon wieder eine Große Koalition daherkommen, wenn auch unter anderer Führung.