CDU verliert im Südwesten fünf Direktmandate
Auch für manchen Grünen-Abgeordneten ist das Wahlergebnis bitter – SPD gewinnt mehr Sitze als gedacht
STUTTGART - Die Bundestagswahl hat der CDU im Südwesten Tiefschläge verpasst – auch mit Blick auf die Erststimmen. Bei der Wahl 2017 konnten die Unionsbewerber noch alle 38 Wahlkreise direkt gewinnen. Fünf davon büßten sie ein und sind künftig nur noch mit 33 Abgeordneten in Berlin. Auch manch Grüner hat den zwischendurch sicher geglaubten Einzug verpasst, FDP und SPD konnten indes mehr Sitze gewinnen als ursprünglich gedacht.
Ein Direktmandat ging in Mannheim an die SPD und in vier städtischen Wahlkreisen an die Grünen
– etwa in Karlsruhe und Freiburg.
Auch die beiden Grünen-Spitzenkandidaten bekamen in ihren Bezirken die meisten Erststimmen – Franziska Brantner in Heidelberg und Cem Özdemir in Stuttgart. Bundespolitiker Özdemir ist mit 40 Prozent landesweiter Stimmenkönig der Wahl.
Im Gebiet der „Schwäbischen Zeitung“konnten derweil alle CDUKandidaten ein Direktmandat gewinnen – wenn auch mit viel weniger Vorsprung als ihnen wohl lieb gewesen wäre. Thomas
Bareiß etwa, Bezirksvorsitzender der CDU Württemberg-Hohenzollern, büßte im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren 15 Prozentpunkte ein und landete bei 30 Prozent im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen.
Johannes Kretschmann, Sohn des Ministerpräsidenten und Herausforderer Bareiß’, träumte vor der Wahl zeitweise sogar vom Direktmandat. Bei den Erststimmen landete er auf Platz drei und hat auch über die Landesliste der Grünen, auf der er auf Platz 21 gesetzt war, den Sprung in den Bundestag verpasst. Er selbst spricht von einer „herben Entäuschung“und sagt: „Während des Wahlkampfs habe ich eine andere Stimmung wahrgenommen.“
Die Stimmenverluste, die Bareiß verschmerzen muss, verzeichnen auch die anderen CDU-Kandidaten im Verbreitungsgebiet. Josef Rief im Wahlkreis Biberach büßte 9,4 Prozentpunkte ein, Axel Müller im Wahlkreis Ravensburg fast acht Prozentpunkte im Vergleich zu seinem Ergebnis vor vier Jahren. Im Bodenseekreis war Lothar Riebsamen nicht mehr als Kandidat angetreten. Sein Nachfolger Volker Mayer-Lay startet mit elf Prozentpunkten weniger als sein Vorgänger 2017 erreichte. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Wahlkreis Tuttlingen-Rottweil, den bislang das CDU-Urgestein Volker Kauder innehatte. Der ehemalige Unionsfraktionschef im Bundestag war nicht erneut angetreten. Seine Nachfolgerin Maria-Lena Weiss verlor 11,5 Prozentpunkte im Vergleich zu Kauders letzter Wahl vor vier Jahren. Die Ulmer CDU-Abgeordnete Ronja Kemmer büßte zehn Prozentpunkte ein. Fast genauso groß ist der Stimmenverlust für Roderich Kiesewetter, Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Aalen-Heidenheim.
Enttäuschung macht sich auch bei den Grünen breit – trotz der vier Direktmandate. Als sie ihre Landesliste im April aufstellten, sprachen Parteistrategen wegen des damals hohen Zuspruchs von mehr als 30 Sitzen für Abgeordnete aus dem Südwesten. 18 haben es nun geschafft. Margit Stumpp, bislang Abgeordnete des Wahlkreises Aalen-Heidenheim, gehört nicht zu ihnen. Beim Parteitag hatte sie um die Plätze elf und 13 kandidiert, landete allerdings schließlich auf Listenplatz 21. Dass ihr Weg nun nicht zurück nach Berlin führt „schmerzt schon sehr“, wie sie sagt.
Die SPD erlebt das Gegenteil: Als die Partei ihre Landesliste Anfang
Mai aufgestellt hat, rechnete die Ravensburger Kandidatin Heike Engelhardt mit ihrem Listenplatz 21 nicht mit einem Einzug in den Bundestag. „Als im Sommer die Zahlen immer weiter nach oben gingen, wurde es nach den Umfragen plötzlich realistisch, dass Listenplatz 21 doch ziehen würde“, sagt sie. Die SPD ist künftig mit 22 Abgeordneten aus dem Südwesten in Berlin vertreten. Gerade in Südwürttemberg ist Martin Gerster nun nicht mehr allein auf weiter Flur: Neben Engelhardt hat es auch Robin Mesarosch aus dem Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen in den Bundestag geschafft.
Auch die FDP kann einen Zuwachs feiern. Die Liberalen schicken künftig 16 statt bislang zwölf Abgeordnete aus dem Südwesten nach Berlin. Einer davon kommt aus dem Gebiet der „Schwäbischen Zeitung“: Benjamin Strasser aus dem Wahlkreis Ravensburg. Dass er den Wiedereinzug schaffen würde, war mit seinem Listenplatz sechs absehbar.
Der Wahlkreis Ravensburg wird in der 20. Legislaturperiode extrem stark vertreten sein in Berlin – nämlich mit vier Abgeordneten. Neben Strasser, Engelhardt und Müller bleibt auch Agnieszka Brugger (Grüne) im Bundestag.