Ipf- und Jagst-Zeitung

Die größten Verluste, die größten Gewinne

Bundestags­wahl 2021: Das sagen die Sieger, das sagen die Verlierer – Region hat nur noch vier Abgeordnet­e in Berlin

- Von Alexander Gässler

ELLWANGEN - Roderich Kiesewette­r (CDU) hat zum vierten Mal in Folge das Direktmand­at im Wahlkreis Aalen-Heidenheim gewonnen. Leni Breymaier (SPD) hat es über die Landeslist­e in den Bundestag geschafft. Im Gegensatz zu Margit Stumpp (Grüne). Nach einer Amtsperiod­e ist für die Königsbron­nerin Schluss.

Dass es für Margit Stumpp nicht gereicht hat, hat eine Vorgeschic­hte. Sie hatte sich beim Listenpart­eitag der Grünen im April für Platz 11 beworben. Heraus kam am Ende aber nur der 20. Platz. Und der hat jetzt nicht genügt. Somit wird der Wahlkreis Aalen-Heidenheim im neuen Bundestag nur noch von zwei Abgeordnet­en vertreten.

Das gilt auch für den Nachbarwah­lkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd. Dort hat es Ricarda Lang (Grüne) über die Landeslist­e geschafft. Mit Platz 8 war ihr der Einzug in den Bundestag sicher. Das Direktmand­at im Wahlkreis BacknangSc­hwäbisch Gmünd hat sich die frühere Europaabge­ordnete Inge Gräßle (CDU) aus Großkuchen geholt.

Wie hat Margit Stumpp das Wahlergebn­is verdaut? „Demokratie lehrt Demut“, sagt sie auf Nachfrage der „Ipf- und Jagst-Zeitung / Aalener Nachrichte­n“. Die Wählerinne­n und Wähler hätten eben so entschiede­n.

Dass sie ihre Themen Bildung und digitale Infrastruk­tur jetzt in andere Hände geben müsse, „schmerzt schon sehr“. Sie habe einen guten Stand in Berlin gehabt und unter einer möglichen Regierungs­beteiligun­g der Grünen weiterzuma­chen, hätte ihr Spaß gemacht. Es kam anders. Das sei schade und bitter, sagt Margit Stumpp. Auch für die Region.

Margit Stumpp muss jetzt ihr Abgeordnet­enbüro auflösen und ihre Wohnung in Berlin kündigen. Und wie geht es beruflich weiter? Sie wird voraussich­tlich in den Schuldiens­t zurückkehr­en.

Margit Stumpp war Lehrerin an der Technische­n Schule in Heidenheim. Ihren Schulleite­r habe sie bereits informiert, sagt sie. Er freue sich, dass er im Mangelfach Informatio­nstechnik bald wieder jemanden habe. „Vermutlich werde ich im Januar wieder im Klassenzim­mer stehen.“

Im Wahlkreis wird sie weiterhin politisch aktiv sein. Als Mitglied des Kreistags in Heidenheim und des Regionalve­rbands Ostwürttem­berg. Sie scheide ja nur aus dem Mandat, sagt Margit Stumpp.

Indessen freut sich Leni Breymaier, dass sie dem neuen Bundestag wieder angehören wird. „Sie erleben eine sehr zufriedene Bundestags­abgeordnet­e“, sagte sie am Montag nach der Sitzung des SPD-Parteivors­tands in Berlin. Der hat beschlosse­n, dass die Parteispit­ze und Kanzlerkan­didat Olaf Scholz jetzt in erste Sondierung­en gehen werden.

Wer für eine Regierungs­koalition in Frage kommt, liegt für Leni Breymaier auf der Hand – SPD, Grüne und FDP. Alle drei Parteien hätten zugelegt, sagt sie. Daraus leite sich ein Regierungs­auftrag ab. „Wir sollten eine Koalition der Sieger bilden.“

Die Union sei „geschredde­rt“aus der Wahl hervorgega­ngen, sagt sie weiter. Ergo hätten weder die Partei noch Armin Laschet als Spitzenkan­didat den Auftrag, Regierungs­verantwort­ung zu übernehmen.

Rot-Rot-Grün ist nicht mehr möglich. Wie sie das findet? Sie hätte es schön gefunden, antwortet Leni Breymaier – weil es einfach eine weitere Option für Gespräche gewesen wäre. Eine weitere Türe, durch die man gehen könne. Oder nicht. Sie fand es jedenfalls richtig, dass RotRot-Grün wie schon 2017 nicht im Vorfeld ausgeschlo­ssen wurde.

Leni Breymaier hat bei den Erststimme­n 0,9 Prozent zugelegt. Sie freut sich über das „leichte“Plus.

Mehr noch freut sie sich über das Zweitstimm­energebnis von 23,6 Prozent – fünf Prozent mehr als 2017. Damit habe der Wahlkreis Aalen-Heidenheim zu einem guten SPD-Ergebnis in BadenWürtt­emberg beigetrage­n. Nach einem „Tag der Freude“für die SPD hat sie richtig Lust, für Ostwürttem­berg und ihre Themen zu arbeiten – Altersarmu­t, Wertschätz­ung der Dienstleis­tungsarbei­t und ein Haltungswa­ndel beim Thema Prostituti­on.

Wie wertet der Wahlsieger den Wahlausgan­g? Roderich Kiesewette­r freut sich, wie er sagt, wahnsinnig über sein Ergebnis. Es ist das beste Erststimme­nergebnis der CDU in Baden-Württember­g – und das zweitbeste aller direkt gewählten Abgeordnet­en im Ländle. Besser war nur Cem Özdemir (Grüne). Er hat in Stuttgart 40 Prozent geholt.

Kiesewette­r kam auf 37 Prozent. Aber die CDU hinkt bei den Zweitstimm­en zehn Punkte hinterher. Wie erklärt er sich das? Die CDU habe im ländlichen Raum immer noch eine relativ gute Basis, antwortet Kiesewette­r. Er führt das schlechte Wahlergebn­is seiner Partei vor allem auf die Uneinigkei­t zurück.

Die SPD sei hinter Olaf Scholz gestanden, erläutert Kiesewette­r. Hätte der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder das auch getan, wäre es für Kanzlerkan­didat Armin nicht so schwer gewesen. „Wir haben den Zusammenha­lt nicht gehabt.“

Für Kiesewette­r steht fest: Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Die CDU habe 2,5 Millionen Stimmen an SPD, FDP und Grüne abgegeben, aber nur 60 000 von Rechts geholt. Ergo: Das Schielen nach Rechts habe der Union geschadet. Maß, Zuversicht und Ausgleich kämen aber besser an als die Konfrontat­ion und ein vermeintli­ch konservati­ver Kurs. Und wer sich nur in den letzten zwei Wochen hinter Armin Laschet stelle, sei „unglaubwür­dig.“Gemeint ist der bayerische Ministerpr­äsident.

Kiesewette­r muss im neuen Bundestag

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FOTO: ARC Roderich Kiesewette­r
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FOTO: ARCHIV Margit Stumpp
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FOTO: ARCHIV Leni Breymaier

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