Die größten Verluste, die größten Gewinne
Bundestagswahl 2021: Das sagen die Sieger, das sagen die Verlierer – Region hat nur noch vier Abgeordnete in Berlin
ELLWANGEN - Roderich Kiesewetter (CDU) hat zum vierten Mal in Folge das Direktmandat im Wahlkreis Aalen-Heidenheim gewonnen. Leni Breymaier (SPD) hat es über die Landesliste in den Bundestag geschafft. Im Gegensatz zu Margit Stumpp (Grüne). Nach einer Amtsperiode ist für die Königsbronnerin Schluss.
Dass es für Margit Stumpp nicht gereicht hat, hat eine Vorgeschichte. Sie hatte sich beim Listenparteitag der Grünen im April für Platz 11 beworben. Heraus kam am Ende aber nur der 20. Platz. Und der hat jetzt nicht genügt. Somit wird der Wahlkreis Aalen-Heidenheim im neuen Bundestag nur noch von zwei Abgeordneten vertreten.
Das gilt auch für den Nachbarwahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd. Dort hat es Ricarda Lang (Grüne) über die Landesliste geschafft. Mit Platz 8 war ihr der Einzug in den Bundestag sicher. Das Direktmandat im Wahlkreis BacknangSchwäbisch Gmünd hat sich die frühere Europaabgeordnete Inge Gräßle (CDU) aus Großkuchen geholt.
Wie hat Margit Stumpp das Wahlergebnis verdaut? „Demokratie lehrt Demut“, sagt sie auf Nachfrage der „Ipf- und Jagst-Zeitung / Aalener Nachrichten“. Die Wählerinnen und Wähler hätten eben so entschieden.
Dass sie ihre Themen Bildung und digitale Infrastruktur jetzt in andere Hände geben müsse, „schmerzt schon sehr“. Sie habe einen guten Stand in Berlin gehabt und unter einer möglichen Regierungsbeteiligung der Grünen weiterzumachen, hätte ihr Spaß gemacht. Es kam anders. Das sei schade und bitter, sagt Margit Stumpp. Auch für die Region.
Margit Stumpp muss jetzt ihr Abgeordnetenbüro auflösen und ihre Wohnung in Berlin kündigen. Und wie geht es beruflich weiter? Sie wird voraussichtlich in den Schuldienst zurückkehren.
Margit Stumpp war Lehrerin an der Technischen Schule in Heidenheim. Ihren Schulleiter habe sie bereits informiert, sagt sie. Er freue sich, dass er im Mangelfach Informationstechnik bald wieder jemanden habe. „Vermutlich werde ich im Januar wieder im Klassenzimmer stehen.“
Im Wahlkreis wird sie weiterhin politisch aktiv sein. Als Mitglied des Kreistags in Heidenheim und des Regionalverbands Ostwürttemberg. Sie scheide ja nur aus dem Mandat, sagt Margit Stumpp.
Indessen freut sich Leni Breymaier, dass sie dem neuen Bundestag wieder angehören wird. „Sie erleben eine sehr zufriedene Bundestagsabgeordnete“, sagte sie am Montag nach der Sitzung des SPD-Parteivorstands in Berlin. Der hat beschlossen, dass die Parteispitze und Kanzlerkandidat Olaf Scholz jetzt in erste Sondierungen gehen werden.
Wer für eine Regierungskoalition in Frage kommt, liegt für Leni Breymaier auf der Hand – SPD, Grüne und FDP. Alle drei Parteien hätten zugelegt, sagt sie. Daraus leite sich ein Regierungsauftrag ab. „Wir sollten eine Koalition der Sieger bilden.“
Die Union sei „geschreddert“aus der Wahl hervorgegangen, sagt sie weiter. Ergo hätten weder die Partei noch Armin Laschet als Spitzenkandidat den Auftrag, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
Rot-Rot-Grün ist nicht mehr möglich. Wie sie das findet? Sie hätte es schön gefunden, antwortet Leni Breymaier – weil es einfach eine weitere Option für Gespräche gewesen wäre. Eine weitere Türe, durch die man gehen könne. Oder nicht. Sie fand es jedenfalls richtig, dass RotRot-Grün wie schon 2017 nicht im Vorfeld ausgeschlossen wurde.
Leni Breymaier hat bei den Erststimmen 0,9 Prozent zugelegt. Sie freut sich über das „leichte“Plus.
Mehr noch freut sie sich über das Zweitstimmenergebnis von 23,6 Prozent – fünf Prozent mehr als 2017. Damit habe der Wahlkreis Aalen-Heidenheim zu einem guten SPD-Ergebnis in BadenWürttemberg beigetragen. Nach einem „Tag der Freude“für die SPD hat sie richtig Lust, für Ostwürttemberg und ihre Themen zu arbeiten – Altersarmut, Wertschätzung der Dienstleistungsarbeit und ein Haltungswandel beim Thema Prostitution.
Wie wertet der Wahlsieger den Wahlausgang? Roderich Kiesewetter freut sich, wie er sagt, wahnsinnig über sein Ergebnis. Es ist das beste Erststimmenergebnis der CDU in Baden-Württemberg – und das zweitbeste aller direkt gewählten Abgeordneten im Ländle. Besser war nur Cem Özdemir (Grüne). Er hat in Stuttgart 40 Prozent geholt.
Kiesewetter kam auf 37 Prozent. Aber die CDU hinkt bei den Zweitstimmen zehn Punkte hinterher. Wie erklärt er sich das? Die CDU habe im ländlichen Raum immer noch eine relativ gute Basis, antwortet Kiesewetter. Er führt das schlechte Wahlergebnis seiner Partei vor allem auf die Uneinigkeit zurück.
Die SPD sei hinter Olaf Scholz gestanden, erläutert Kiesewetter. Hätte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder das auch getan, wäre es für Kanzlerkandidat Armin nicht so schwer gewesen. „Wir haben den Zusammenhalt nicht gehabt.“
Für Kiesewetter steht fest: Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Die CDU habe 2,5 Millionen Stimmen an SPD, FDP und Grüne abgegeben, aber nur 60 000 von Rechts geholt. Ergo: Das Schielen nach Rechts habe der Union geschadet. Maß, Zuversicht und Ausgleich kämen aber besser an als die Konfrontation und ein vermeintlich konservativer Kurs. Und wer sich nur in den letzten zwei Wochen hinter Armin Laschet stelle, sei „unglaubwürdig.“Gemeint ist der bayerische Ministerpräsident.
Kiesewetter muss im neuen Bundestag