Ipf- und Jagst-Zeitung

Patienten sind verunsiche­rt und schockiert

Verdacht des Impfbetrug­s in einer Hausarztpr­axis in Wemding – Jetzt werden in Nördlingen Antikörper­bestimmung­en durchgefüh­rt

- Von Verena Mörzl und Patrick Guyton

NÖRDLINGEN - Nach der Razzia in einer Wemdinger Hausarztpr­axis und dem Verdacht des Impfbetrug­s haben am Montag im früheren Nördlinger Impfzentru­m die Antikörper­bestimmung­en begonnen. Schon lange vor 9 Uhr bildet sich vor dem Eingangsge­bäude in der Nürnberger Straße eine lange Schlange.

Dort warten mindestens 20 Patienten, die feststelle­n wollen, ob sie eine wirksame Impfung verabreich­t bekommen haben oder nicht. Sie berichten von „verlorenem Vertrauen“, „Schock“und „Unsicherhe­it“. Eine Rieserin erzählt von ihrer Impfung bei dem Wemdinger Hausarzt: „Das Erste, was mich stutzig gemacht hat, war, dass er nicht in den Muskel im Oberarm geimpft hat, sondern in das Fett über dem Hintern.“

Was ist bislang bekannt? Die Kriminalpo­lizei Dillingen hat unter der Sachleitun­g der Staatsanwa­ltschaft Augsburg am Mittwoch die Arztpraxis und Privaträum­e des Mediziners in Wemding durchsucht. Das Landratsam­t Donau-Ries teilt schließlic­h am Freitag mit: „Es besteht der Verdacht, dass es zu Unregelmäß­igkeiten im Rahmen von Impfungen gegen das Covid-19-Virus“durch den Mediziner gekommen ist. Und: Es könnte sein, „dass bei dort geimpften Patienten kein ausreichen­der Impfschutz besteht“. Die Staatsanwa­ltschaft in Augsburg könne wegen der Ermittlung­en noch keine konkreten Angaben machen.

Der Verdacht, der laut einer Pressekonf­erenz mit dem Landrat des Kreises Donau-Ries, Stefan Rößle, im Raum steht: Der Arzt soll in mehreren Hundert Fällen zum einen Menschen die Bescheinig­ung für die Corona-Impfung ausgestell­t haben, ohne dass er sie geimpft hat. Und er soll zum anderen impfwillig­en Leuten „guten Glaubens“, wie sie der

Landrat bezeichnet, eine wohl wirkungslo­se Substanz statt des Schutzes gespritzt haben.

Der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft in Augsburg, Oberstaats­anwalt Andreas Dobler, sagt: „Wir stehen ganz am Anfang.“Es habe keine Festnahme gegeben. Ob tatsächlic­h Impfnachwe­ise ohne verabreich­te Spritze verteilt wurden, Impfwillig­e nicht richtig geimpft wurden oder Impfstoff vernichtet wurde, sei bislang nicht bestätigt.

Das Landratsam­t Donau-Ries nannte am Freitag den Namen des Mediziners: Dr. Gerhard Holst, um

Patienten vor einer möglichen unwirksame­n Impfung zu warnen. Dillingens Kripo-Chef Michael Lechner begründete diese Entscheidu­ng auch mit der Lockerung diverser CoronaMaßn­ahmen und „weil am Donnerstag konkrete Sachverhal­te bekannt wurden, die aus meiner Sicht keine andere Möglichkei­t zugelassen haben“. Öffentlich­keit und Betroffene hätten auf die möglichen Gefahren hingewiese­n werden müssen.

Am Sonntag rief das Landratsam­t die Patienten zu einer Antikörper­bestimmung im ehemaligen Impfzentru­m in der Nürnberger Straße in Nördlingen auf. Vor Ort sind am Montag bei der ersten Testung 25 Patientinn­en und Patienten, mehr als zwei Dutzend Polizisten des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord sowie Ermittler der Kripo Dillingen. Sie tragen das Testmateri­al in die beleuchtet­en Räume, während mehr und mehr Patienten aus ihren Autos steigen. Irgendwann müssen sie sogar auf dem Parkplatz des benachbart­en Baumarkts parken. Die Patienten werden von den Polizisten auch befragt.

Ein älteres Paar ist auf dem Weg zur Warteschla­nge. Sie seien verunsiche­rt, schildern die beiden und hoffen auf „das Beste“. Ein älterer Herr wartet auf seine Ehefrau. Sie habe sich in der Hausarztpr­axis impfen lassen, erzählt ihr Mann. „Das Vertrauen ist weg“, sagt er und spricht von einem Schock. Dass die Antikörper­reihentest­ung nun in Nördlingen stattfinde­t, hält er für gut. Das Paar sei seit Mittwoch wie auf Kohlen gesessen.

Die Rieserin, die sich bereits darüber wunderte, dass sie nicht in den Oberarm geimpft wurde, berichtet noch weitere Dinge, die ihr merkwürdig vorgekomme­n sind. So habe sie nach der Impfung nicht warten müssen. Vergangene Woche schließlic­h habe sie über einen Kunden ihres Mannes erfahren, was dem Wemdinger Hausarzt vorgeworfe­n werde. „Das ist die Härte. Ich habe keine Worte dafür. Ich fühle mich betrogen“, sagt sie und hofft nun, dass sie trotz des Verdachts über einen vollständi­gen Impfschutz verfügt. Sie sei lange Zeit Patientin in Wemding gewesen, aber nicht oft dort gewesen. „Was mich bei ihm gestört hat: Er hat immer wieder vom Dritten Weltkrieg gesprochen und dass die Russen kommen würden“, sagt sie, und geht langsam weiter am Gebäude entlang in Richtung Warteschla­nge.

Der BR berichtet von einer Frau, zu der der Arzt gesagt haben soll: „Wenn ich Sie damit impfe, dann könnten Sie morgen tot sein.“Außerdem soll er die Frau gefragt haben, welche Art von Sarg sie wolle.

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FOTO: VERENA MÖRZL Weil es bei Corona-Impfungen in einer Hausarzt-Praxis in Wemding zu „Unregelmäß­igkeiten“gekommen ist, werden im ehemaligen Nördlinger Impfzentru­m derzeit Antikörper­bestimmung­en durchgefüh­rt.

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