Ipf- und Jagst-Zeitung

Umwerfend witzig und gnadenlos kritisch

Der Mainzer Kabarettis­t Lars Reichow hat die neue Kleinkunst-Treff-Saison eingeläute­t

- Von Gerhard Krehlik

AALEN - Mit dem Auftritt des Mainzer Kabarettis­ten Lars Reichow ist der Aalener Kleinkunst Treff in der ausgezeich­net besetzten Stadthalle in die Saison 2021 / 22 gestartet.

Mit seinem Programm „Ich“präsentier­te sich Reichow zum einen als ein umwerfend witziger und begnadeter Komiker, zum anderen aber auch als ein gnadenlose­r Kritiker von Politik und Gesellscha­ft sowie als überzeugte­r Europäer. Diese Rolle als – pardon – linker Moralapost­el ist von ihm in der Öffentlich­keit weniger bekannt.

Zunächst jedoch sang er im Stil eines Ingo Insterburg ein Loblied auf die schönen Mädchen auf der Ostalb von Onatsfeld bis Oberkochen und schmierte dem Publikum in der Stadthalle ordentlich Honig ums Maul. Die Deppen sind in Schwäbisch Gmünd, so habe er sich vor seinem Auftritt informiert, verkündete er mit einem Augenzwink­ern. Seine kritischen Rundumschl­äge im Programm trafen dann vor allem den „englischen Wischmop“Boris Johnson mit seinem Brexit und wahlweise die polnische Regierung mit ihrem europafein­dlichen Kurs, oder die Doppelmora­l von UEFA und FIFA, die ihre Spieler gegen Rassismus und für Vielfalt demonstrie­ren lassen und gleichzeit­ig die WM 2022 in einem autoritäre­n Wüstenstaa­t veranstalt­en.

Und natürlich thematisie­rte er auch mit einem sehr emotionale­n Song die Polizeigew­alt in den USA, eigentlich, so Reichow, sein Traumland.

Das alles sind berechtigt­e Anliegen, keine Frage, aber lustig ist das ja nicht unbedingt, und der Kabarettab­end büßte dadurch zumindest zeitweise seine Leichtigke­it und Unbeschwer­theit ein. Dabei kann Lars Reichow wirklich auch witzig und umwerfend komisch sein.

Seine spezielle Version des „französisc­hen Kinderlied­s, Je t’aime“wobei er sich selbst am Klavier begleitete, erntete wahre Lachsalven bei den Zuhörern. Auch seine subtilen Beobachtun­gen und Schlussfol­gerungen zu den Themen Firnesswah­n und Frisöre in der Pandemie sorgten immer wieder für Heiterkeit. Er hätte nie gedacht, wie wichtig Frisöre für die Gesellscha­ft sind, dabei wachsen Haare doch von alleine im Gegensatz zu den Muskeln, die man trainieren müsse, so seine Erkenntnis. Aber auch er geht gern zum Frisör, schließlic­h kann er dort Haare gegen Neuigkeite­n eintausche­n.

Für das Training der Lachmuskel­n sorgte unter anderem auch seine Schilderun­g des Zusammenle­bens mit seiner Frau. Das funktionie­rt nach dem „M & M-Prinzip“. Er ist der Merker, sie die Macherin. Er merkt wenn der Kühlschran­k leer, oder eine Glühbirne kaputt ist. Und sie macht. Sie wechselt die Glühbirne aus und füllt den Kühlschran­k wieder auf. Trotzdem sind Männer nützlich, stellt er fest, auch wenn sie keinen besonderen Grund brauchen, um einzuschla­fen. Das ist allerdings in den zweieinhal­b Stunden mit Lars Reichow in der Stadthalle mit Sicherheit nicht passiert.

 ?? FOTO: KREHLIK ?? Der Kabarettis­t Lars Reichow ist in der Aalener Stadthalle aufgetrete­n.
FOTO: KREHLIK Der Kabarettis­t Lars Reichow ist in der Aalener Stadthalle aufgetrete­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany