Heidenheimer Halbzeiträtsel
Wieder kassiert der FCH in 2. Liga zu schnell Gegentore – und immer nur nach der Pause
HEIDENHEIM - Die Ostalb kann rau sein, aber auch wunderschön. Vor allem, wenn einem die Sonne ins Gesicht scheint. Timo Schultz hockte zwanzig Minuten nach dem Abpfiff vor einer Werbebande in Heidenheim und wartete auf sein TV-Interview.
Wenige Minuten später saß der Trainer des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli auf seinem Platz auf der Pressekonferenz neben seinem Kollegen Frank Schmidt, der nur gut weiß wie schön die Ostalb ist, schließlich ist er ein Kind der Region.
An diesem sonnigen Samstagnachmittag freute sich aber der gebürtige Ostfriese beim ZweitligaTrip auf die Ostalb. Der Gast nahm mal eben die Punkte mit, im Schnelldurchgang kann man sagen, wenn man das ganze Geschehen konzentriert betrachtet, machten die Kiezkicker binnen fünf Minuten alles klar, beim 4:2-Sieg.
Danach sah es zu Zeiten des Kabinengangs nicht aus. Was hat Schultz seinen Mannen in den Heidenheimer Katakomben mit auf den Weg zu Teil 2 auf dem Rasen gegeben?
0:1-Rückstand und damit noch bestens bedient, denn Schmidts Heidenheimer lieferten beste Arbeit ab, eine erste Halbzeit auf „Top-Niveau von uns“, dem man zustimmen kann. Bis auf die Chancenauswertung und die sollte sich rächen, wie so oft im Fußball, so war die zweite Halbzeit „schrecklich von uns“, vor allem die fünf Minuten mit drei Gegentoren.
Schultz, der seinen Weg als Fußballlehrer machen wird, zauberte nicht, drehte auch keine „zehn Stellschrauben“, änderte nur „Kleinigkeiten“
wie das „Anlaufverhalten“. „Es war jetzt nicht ein großer taktischer Kniff in der Halbzeit“, erklärte der Gästecoach. Und: „Wir haben die Jungs einfach weiter ermutigt, schnellstmöglich nach vorne zu spielen.“Auf jeden Fall geriet der FCH gehörig durcheinander.
Nicht das erste Mal. Schon in Bremen fielen drei Gegentore zu schnell. Ohnehin kassieren die Heidenheimer ihre Gegentreffer – von den es in den ersten acht Spielen nur sechs gab – in den jüngsten beiden Partien aber sieben auf einmal, allesamt erst in der zweiten Halbzeit. Da denkt man sich: So eine Halbzeitpause scheint nicht immer gut zu sein, das Runterfahren kann offenbar hinderlich sein.
Zumal die erste Halbzeit ziemlich stark gewesen ist vom FCH, wieder einmal. Einfach weiterspielen geht ja aber auch nicht. Noch ist es ein Rätsel. Auf der anderen Seiten kann man sagen: Um nach der Pause nicht zu schnell ins Schwanken zu kommen, würde es auch helfen, deutlicher vorzulegen als es die Heidenheimer bisher taten.
„Es ist gut, wenn man die Chancen hat, jetzt müssen wir sie aber auch mal nutzen“, befand Schmidt. Nur einer nutzte eine – und rätselt mit. „Es ist unerklärlich, weil wir eigentlich eine defensive Stabilität haben, die wir auch über Jahre hinweg gezeigt haben“, suchte 1:0-Torschütze Tobias Mohr nach Erklärungen. Nach den wilden Minuten von Samstag fielen Begriff wie Organisation und Ordnung, die nicht stimmten. „Das ist schwer in Worte zu fassen“, sagte Kapitän und Abwehrchef Patrick Mainka.
Es wird dahingehend kommuniziert werden bei den Heidenheimern. „Wir müssen jetzt Erklärungsansätze suchen, weil das ist jetzt das zweite Mal passiert“, erklärte Mainka.
Ein drittes Mal soll dringlichst vermieden werden, am kommenden Samstag reist der FCH zum kürzesten Auswärtsspiel der Saison zum ungeschlagenen 1. FC Nürnberg. Achtung: Der Club ist ein Spätzünder und schoss bis zum zehnten Spieltag seine Tore gerne nach der Halbzeitpause (neun gegenüber drei).
„Wir müssen die Niederlage aufarbeiten und solche Phasen, wie nach dem 1:1, aus den Köpfen bekommen. Das wird unsere Aufgabe sein, aus dieser Spirale herauszukommen. Wir müssen das aufarbeiten, damit uns das nicht in aller Regelmäßigkeit passiert“, erklärte Schmidt. Aufarbeitung beim Tabellenneunten folgt. Und Schultz lacht als Spitzenreiter weiter die Sonne ins Gesicht – am Abend saß er schon wieder in Hamburg auf der Tribüne, um sich den HSV gegen Fortuna Düsseldorf anzuschauen (1:1).