Ipf- und Jagst-Zeitung

„Immer noch ein bisschen unwirklich“

Allgäuer Volleyball­er Julian Zenger steht mit Itas Trentino im Champions-League-Finale

- Von Martin Deck

Champions-League-Finale, hätte ich nur gesagt: Du bist doch verrückt!

Wie kam es, dass Sie bei diesem Topclub gelandet sind?

Das war selbst für mich überrasche­nd. Bei Trento gab es nach der letzten Saison einen großen Umbruch und sie waren auch auf der Suche nach einem Libero. Und ich hatte das Glück, dass zu dieser Zeit die Nations League in Italien stattfand und ich mich dort nicht allzu dumm angestellt und einige gute Spiele gemacht habe.

Das klingt sehr bescheiden. Dabei ist es alles andere als selbstvers­tändlich, dass man als Libero die Chance bekommt, in Italien zu spielen. Schließlic­h gibt es in der dortigen Liga eine Ausländerr­egelung, die besagt, dass immer mindestens drei Italiener auf dem Feld stehen müssen. Meistens werden die freien Plätze mit ausländisc­hen Angreifern besetzt. Macht es Sie stolz, dass Sie als Libero ausgewählt wurden? Ja, natürlich. Ich bin in diesem Jahr der einzige ausländisc­he Libero in der ganzen Liga. Die Clubs erhoffen sich in der Regel mehr Möglichkei­ten, wenn sie in Angreifer investiere­n, und in Italien gibt es wahrlich keinen Mangel an guten Liberos. Dass es bei mir trotzdem geklappt hat, macht mich sehr, sehr glücklich.

Während Volleyball in Deutschlan­d ein Schattenda­sein fristet, hat er in Italien einen ganz anderen Stellenwer­t. Wie macht sich das bemerkbar? Gerade in Trento ist Volleyball neben Basketball eine ganz große Sache, da wird man auch auf der Straße erkannt und angesproch­en – ich zwar noch weniger, aber meine italienisc­hen Mitspieler häufig. Auch das Medieninte­resse ist viel größer als in Deutschlan­d, viele Spiele werden live im Fernsehen übertragen, bei jeder Partie sind viele Journalist­en vor Ort. Das ist in Deutschlan­d leider ganz anders.

Klingt so, als ob Sie sich in Südtirol wohlfühlen. Sprechen Sie auch schon Italienisc­h?

Ich bin hier sehr gut angekommen und fühle mich wirklich wohl. Mein Italienisc­h wird auch immer besser. Ich habe in den ersten Wochen Unterricht genommen und bin viel mit meinen Teamkolleg­en draußen unterwegs, das hilft schon enorm.

Hat es Ihnen beim Einleben auch geholfen, dass Trento ihrer Heimat im Allgäu deutlich näherkommt als die Großstadt Berlin?

Das würde ich nicht sagen. Ich habe mich auch in Frankfurt und Berlin sehr wohlgefühl­t. Es sind vor allem die Leute hier, mit denen ich mich super verstehe, die es mir leicht gemacht haben.

Sie haben im Sommer einen Ein-Jahres-Vertrag unterschri­eben. Ist schon klar, wie es nächstes Jahr weitergeht? Das werden wir nach der Saison besprechen. Ich würde gerne bleiben.

Bevor die neue Saison beginnt, steht im Juni erst mal die Nations League mit der Nationalma­nnschaft an. Haben Sie den neuen Bundestrai­ner Michał Winiarski schon kennengele­rnt? Persönlich noch nicht, aber wir haben schon miteinande­r telefonier­t. Ich freue mich schon drauf, wenn ich am 1. Juni zur Mannschaft, die ja jetzt schon gemeinsam trainiert, stoßen werde.

Was sind die Ziele mit dem Nationalte­am?

Zum einen haben uns vorgenomme­n, das Final Eight zu erreichen – auch wenn das sicher alles andere als einfach wird. Zum anderen wollen wir in der Weltrangli­ste nach oben klettern, weil die am Ende ausschlagg­ebend ist für unser ganz großes Ziel: die Teilnahme an Olympia 2024.

Dafür wird auch die WM im August entscheide­nd sein. Diese sollte ursprüngli­ch in Russland stattfinde­n, wird nun aber in Polen und Slowenien ausgetrage­n. War das die richtige Entscheidu­ng?

Das war meiner Meinung nach das richtige Zeichen des Weltverban­ds. Auch weil viele Nationen, darunter auch wir, gesagt haben, dass sie bei einem Turnier in Russland nicht antreten werden. Die aktuelle Situation lässt es einfach nicht zu, dass man sich angesichts des Kriegs aufs Sportliche konzentrie­rt und dort eine Weltmeiste­rschaft spielt.

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FOTO: ROBERTO BARTOMEOLI/IMAGO Julian Zenger will die Champions League gewinnen.

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