„Immer noch ein bisschen unwirklich“
Allgäuer Volleyballer Julian Zenger steht mit Itas Trentino im Champions-League-Finale
Champions-League-Finale, hätte ich nur gesagt: Du bist doch verrückt!
Wie kam es, dass Sie bei diesem Topclub gelandet sind?
Das war selbst für mich überraschend. Bei Trento gab es nach der letzten Saison einen großen Umbruch und sie waren auch auf der Suche nach einem Libero. Und ich hatte das Glück, dass zu dieser Zeit die Nations League in Italien stattfand und ich mich dort nicht allzu dumm angestellt und einige gute Spiele gemacht habe.
Das klingt sehr bescheiden. Dabei ist es alles andere als selbstverständlich, dass man als Libero die Chance bekommt, in Italien zu spielen. Schließlich gibt es in der dortigen Liga eine Ausländerregelung, die besagt, dass immer mindestens drei Italiener auf dem Feld stehen müssen. Meistens werden die freien Plätze mit ausländischen Angreifern besetzt. Macht es Sie stolz, dass Sie als Libero ausgewählt wurden? Ja, natürlich. Ich bin in diesem Jahr der einzige ausländische Libero in der ganzen Liga. Die Clubs erhoffen sich in der Regel mehr Möglichkeiten, wenn sie in Angreifer investieren, und in Italien gibt es wahrlich keinen Mangel an guten Liberos. Dass es bei mir trotzdem geklappt hat, macht mich sehr, sehr glücklich.
Während Volleyball in Deutschland ein Schattendasein fristet, hat er in Italien einen ganz anderen Stellenwert. Wie macht sich das bemerkbar? Gerade in Trento ist Volleyball neben Basketball eine ganz große Sache, da wird man auch auf der Straße erkannt und angesprochen – ich zwar noch weniger, aber meine italienischen Mitspieler häufig. Auch das Medieninteresse ist viel größer als in Deutschland, viele Spiele werden live im Fernsehen übertragen, bei jeder Partie sind viele Journalisten vor Ort. Das ist in Deutschland leider ganz anders.
Klingt so, als ob Sie sich in Südtirol wohlfühlen. Sprechen Sie auch schon Italienisch?
Ich bin hier sehr gut angekommen und fühle mich wirklich wohl. Mein Italienisch wird auch immer besser. Ich habe in den ersten Wochen Unterricht genommen und bin viel mit meinen Teamkollegen draußen unterwegs, das hilft schon enorm.
Hat es Ihnen beim Einleben auch geholfen, dass Trento ihrer Heimat im Allgäu deutlich näherkommt als die Großstadt Berlin?
Das würde ich nicht sagen. Ich habe mich auch in Frankfurt und Berlin sehr wohlgefühlt. Es sind vor allem die Leute hier, mit denen ich mich super verstehe, die es mir leicht gemacht haben.
Sie haben im Sommer einen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieben. Ist schon klar, wie es nächstes Jahr weitergeht? Das werden wir nach der Saison besprechen. Ich würde gerne bleiben.
Bevor die neue Saison beginnt, steht im Juni erst mal die Nations League mit der Nationalmannschaft an. Haben Sie den neuen Bundestrainer Michał Winiarski schon kennengelernt? Persönlich noch nicht, aber wir haben schon miteinander telefoniert. Ich freue mich schon drauf, wenn ich am 1. Juni zur Mannschaft, die ja jetzt schon gemeinsam trainiert, stoßen werde.
Was sind die Ziele mit dem Nationalteam?
Zum einen haben uns vorgenommen, das Final Eight zu erreichen – auch wenn das sicher alles andere als einfach wird. Zum anderen wollen wir in der Weltrangliste nach oben klettern, weil die am Ende ausschlaggebend ist für unser ganz großes Ziel: die Teilnahme an Olympia 2024.
Dafür wird auch die WM im August entscheidend sein. Diese sollte ursprünglich in Russland stattfinden, wird nun aber in Polen und Slowenien ausgetragen. War das die richtige Entscheidung?
Das war meiner Meinung nach das richtige Zeichen des Weltverbands. Auch weil viele Nationen, darunter auch wir, gesagt haben, dass sie bei einem Turnier in Russland nicht antreten werden. Die aktuelle Situation lässt es einfach nicht zu, dass man sich angesichts des Kriegs aufs Sportliche konzentriert und dort eine Weltmeisterschaft spielt.