Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein teures Billigtick­et

- ●» Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Direkt, schnell und zielgerich­tet. So werden Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket die teuerungsg­eplagten Bürger beglücken, das verspricht zumindest Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD). Tatsächlic­h wird die Entlastung direkt spürbar sein. Und schnell kommt sie auch. Aber zielgerich­tet? Nun ja. Eher macht es den Eindruck, als verteile der Bund die Milliarden mit dem Streuverlu­st einer Konfettika­none.

Zunächst einmal die Subvention an der Zapfsäule: Die kommt Vielfahrer­n zugute. Darunter sind Pendler, die das Auto benötigen. Aber eben auch viele, die nicht zu den bedürftigs­ten Menschen zählen. Der Tankrabatt setzt zudem volkswirts­chaftlich einen falschen Anreiz, weil er zum Verbrauch von mehr Öl ermuntert. Angesichts einer drohenden Energiekri­se wäre das Gegenteil angebracht.

Und das Neun-Euro-Ticket: Mehr Menschen in öffentlich­e Verkehrsmi­ttel locken zu wollen ist ja an sich eine gute Idee. Aber dafür braucht es vor allem ein attraktive­s Angebot: dichter Takt, dichtes Netz. Was in Ballungsrä­umen schon gut funktionie­rt, auf dem Land aber weniger. Wenn auf dem Dorf kurz nach Schulschlu­ss der letzte Bus abfährt, hilft auch ein günstiges Ticket nicht weiter. Hinzu kommt, dass zum Start des Super-Billig-Tickets gleich zwei lange Wochenende­n anstehen. Wer an Pfingsten oder Fronleichn­am einen Ausflug mit der Bahn an den Bodensee oder in die Berge plant, wird womöglich nur mit viel Glück noch einen Stehplatz im Zug ergattern. Der Werbeeffek­t für den Nahverkehr, den das Neun-EuroTicket erzielen soll, könnte sich ins Gegenteil verkehren. Vor allem wenn es nicht nur um überfüllte Züge geht, sondern in der Folge dann womöglich auch noch um verpasste Anschlüsse.

Es braucht mehr Geld für Bus und Bahn. Der Kampf um die Erhöhung der sogenannte­n Regionalis­ierungsmit­tel für Nahverkehr­szüge, den Bund und Länder parallel zum Ringen um die Finanzieru­ng des NeunEuro-Tickets austragen, ist daher eine viel wichtigere Baustelle. Für den Ausbau funktionie­render Angebote braucht es Planungssi­cherheit über ein Jahrzehnt und länger. Nicht ein Strohfeuer, in dem 2,5 Milliarden Euro verbrannt werden, womöglich ohne jeden langfristi­gen Effekt.

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