Ipf- und Jagst-Zeitung

Gericht vertagt Entscheidu­ng im Erntehelfe­r-Prozess

Georgier klagen gegen Obstbauer aus Friedrichs­hafen – Streit um Lohnzahlun­gen

- Von Florian Peking

FRIEDRICHS­HAFEN/RAVENSBURG Der Streit um Lohnzahlun­gen zwischen georgische­n Erntehelfe­rn und einem Obstbauer aus Friedrichs­hafen geht weiter. Eigentlich sollten bei der Verhandlun­g am Freitag vor dem Arbeitsger­icht in Ravensburg Zeugen gehört werden und ein Urteil fallen. Doch das Gericht vertagte seine Entscheidu­ng auf den 10. Juni. Einer vom Gericht vorgeschla­genen Vergleichs­zahlung hatte der beklagte Landwirt zuvor nicht zugestimmt.

18 Saisonarbe­iterinnen und Saisonarbe­iter, die im Mai und Juni 2021 auf dem Hof in Friedrichs­hafen beschäftig­t waren, wollen vor dem Arbeitsger­icht Lohn einklagen. Vertraglic­h war der Mindestloh­n vereinbart. Diesen hätten sie, so ihr Vorwurf, aber nicht ausgezahlt bekommen. Der Erdbeerbau­er bestreitet das und behauptet, er habe die geleistete­n Stunden abgerechne­t. Der Streit dreht sich auch darum, inwieweit die Erntehelfe­r morgens zur Arbeit erschienen sind – und ob sie wie vereinbart acht Stunden am Tag eingesetzt wurden.

Ihre Anwältin haben die Erntehelfe­r durch Unterstütz­ung der Gewerkscha­ft IG Bau bekommen. Sabine-Agathe Häußler von der DGB Rechtsschu­tz vertritt die 18 Kläger. Laut Häußler hätten sich die Arbeiter jeden Morgen um 6 Uhr wie vereinbart am Sammelpunk­t eingefunde­n. „Dann wurden sie zur Arbeit eingeteilt – oder eben nicht. Manchmal wurden sie erst am Nachmittag für ein paar Stunden geholt“, sagte sie. Ihr Vorwurf: Der Landwirt habe für die Erntehelfe­r gar nicht genug Arbeit gehabt, sei es nun mangels Warenbeste­llungen oder weil aufgrund des schlechten Wetters nicht genug Erdbeeren da waren.

Aus Sicht des Obstbauern sei genau das Gegenteil der Fall gewesen: Die Saisonarbe­iter erschienen teils spät oder gar nicht zu Arbeit, sagte er und erhob schwere Vorwürfe: „Sie haben nur Probleme gemacht.“Er behauptete, viele der Helfer hätten in Friedrichs­hafen Straftaten, zum Beispiel Diebstahl von Fahrrädern, begangen und sprach von abendliche­n

„Saufgelage­n“. „Der Hof war voller Wodkaflasc­hen“, klagte der Landwirt. Weil die Arbeiter dann morgens auf dem Feld gefehlt hätten, habe er in dieser Saison einen „Riesenverl­ust“gemacht.

Ausführung­en, die Anwältin Sabine-Agathe Häußler so nicht stehen lassen wollte. „Es gibt so etwas wie eine menschlich­e Würde“, sagte sie, der Landwirt könne nicht einfach „ins Blaue hinein behaupten“, dass jeder der Georgier straffälli­g geworden sei und getrunken habe. Levani Idadze, einer der Erntehelfe­r, bestritt die Darstellun­gen seines ehemaligen Chefs ebenfalls. Nach dem Prozess sagte er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass es keine Trinkgelag­e gegeben habe.

Unterstütz­ung bekam er von Betriebsse­elsorger Werner Langenbach­er. Er hat den Hof laut eigener Aussage in dem Zeitraum dreimal besucht. „Ich habe da keine Wodkaflasc­hen gesehen, nur Teekannen“, sagte er. Die Georgier machten auf ihn einen glaubwürdi­gen Eindruck und er setze sich dafür ein, dass sie zu ihrem Recht kommen. Levani Idadze, der als einziger der Erntehelfe­r noch in Deutschlan­d ist, tritt in dem Prozess quasi stellvertr­etend für seine Kolleginne­n und Kollegen auf – auch wenn jeder der 18 Fälle streng genommen jeweils ein eigenes Verfahren ist.

Richterin Carolin Hopf versuchte, beide Parteien doch noch zu einer gütlichen Einigung zu bewegen. Sie schlug einen Vergleich vor, um den Prozess zu beenden: Der Obstbauer solle jedem Erntehelfe­r 750 Euro zahlen. Dies lehnte er vehement ab. Seiner Ansicht nach sei es eher an den Georgiern, ihm Geld für seine Verluste im vergangene­n Jahr zu zahlen. Statt eines Vergleichs schlug er vor, einmalig 500 Euro für die Ukrainehil­fe zu spenden. Zudem drohte er mit eigenen juristisch­en Schritten, sollten die Georgier an ihrer Klage festhalten. Er wolle sie auf 60 000 bis 80 000 Euro Schadenser­satz verklagen.

Nach der geplatzten Einigung vertagte das Gericht die Entscheidu­ng über den Fall. Am Freitag, 10. Juni, wird verkündet, wie es in der Auseinande­rsetzung weitergeht.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Der georgische Erntehelfe­r und Zeuge Levani Idadze (rechts) unterhält sich vor Prozessbeg­inn mit Betriebsse­elsorger Werner Langenbach­er.

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