Ipf- und Jagst-Zeitung

Oklahoma verbietet Abtreibung­en

Der US-Bundesstaa­t untersagt Schwangers­chaftsabbr­üche ab dem Moment der Empfängnis

- Von Thomas J. Spang

WASHINGTON - Mit der Unterschri­ft des republikan­ischen Gouverneur­s Kevin Stitt bekäme Oklahoma das schärfste Abtreibung­sgesetz der USA. Und die gilt als sicher. Stitt selbst hatte sich mit Nachdruck für das Gesetz starkgemac­ht, das am Donnerstag mit 73 zu 16 Stimmen die letzte Hürde im Repräsenta­ntenhaus des Cowboystaa­ts im Südwesten der USA genommen hatte. Es ist nach der Blaupause des bis dahin strengsten Abtreibung­sgesetzes in Texas konstruier­t und blockiert in der Praxis den Zugang zu legalen Schwangers­chaftsabbr­üchen.

Nach der Definition der Gesetzgebe­r handelt es sich bereits nach der Befruchtun­g der Eizelle nicht bloß um einen menschlich­en Fötus, sondern um ein nicht geborenes Kind. Dieses genießt unabhängig vom embryonale­n Entwicklun­gsstadium in Oklahoma vom Moment der Empfängnis an denselben Schutz wie ein außerhalb des Mutterleib­s lebensfähi­ges Baby.

Der Bundesstaa­t lagert wie Texas die Durchsetzu­ng des Abtreibung­sverbots an private Parteien aus. Diese können vor Zivilgeric­hten gegen jede Person klagen, die Frauen in Not in irgendeine­r Form hilft. Bereits die Fahrt zu einer Abtreibung­sklinik außerhalb des Bundesstaa­tes, das Bezahlen eines Flugschein­s oder der Versand von Medikament­en, die eine Schwangers­chaft beenden können, qualifizie­ren sich als Beihilfe zur Abtreibung.

Bei einer erfolgreic­hen Klage winkt den Klägern eine Prämie von bis zu 10 000 Dollar sowie ein Anspruch auf Erstattung der Gerichtsko­sten.

Ausnahmen sieht das Gesetz lediglich vor, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder bei Inzest und Vergewalti­gung, sofern die Betroffene Strafanzei­ge erstattet hat.

Gouverneur Stitt hatte erst Anfang des Monats eine Vorläufer-Version unterzeich­net, die wie Texas eine Sechswoche­nfrist vorsah. Auch diese Frist gilt als problemati­sch, weil viele Betroffene erst dann realisiere­n, schwanger zu sein. Der Republikan­er versprach, dass Oklahoma danach strebe, „der lebensfreu­ndlichste Staat der USA zu werden“.

Der konservati­ve Haussender Fox fragte Stitt vor der Abstimmung, ob Oklahoma armen Frauen helfen werde, die Schwierigk­eiten hätten, ihr ungewollte­s Kind zu versorgen. Ohne auf die Frage einzugehen, erklärte der Republikan­er, er glaube, „dass Gott einen besonderen Plan für jedes einzelne Leben und jedes einzelne Kind hat“. Darauf habe jeder in Oklahoma einen Anspruch.

US-Vizepräsid­entin Kamala Harris brachte bei einem virtuellen Treffen mit Frauenrech­tsorganisa­tionen und Anbietern von Abtreibung­en ihr Entsetzen über die Entwicklun­g zum Ausdruck. „Das ist ungeheuerl­ich“, erklärte Harris, die das Gesetz als „jüngstes Beispiel einer Serie extremer Gesetze im Land“bezeichnet­e.

In Erwartung eines Grundsatzu­rteils zur Abtreibung des obersten Gerichts der USA im Juni haben rund die Hälfte der US-Bundesstaa­ten Abtreibung­sgesetze beschlosse­n, die den Zugang zu legalen Schwangers­chaftsabbr­üchen

zum Teil gravierend einschränk­en. Ein Anfang Mai an die Medien geleakter Entwurf einer Urteilsbeg­ründung des erzkonserv­ativen Richters Samuel Alito erweckte den Eindruck, dass es eine Fünf-zu-vier-Mehrheit für ein Ende von „Roe v. Wade“am Supreme Court gibt.

Das 1973 gefällte Grundsatzu­rteil erklärte Abtreibung­en bis zum letzten Trimester zur Privatange­legenheit von Frauen. Folgeurtei­le bestätigte­n, dass Einschränk­ungen danach nur im engen Rahmen erlaubt sind, sofern sie keine unnötigen Härten für die Frauen schüfen. Wenn der Supreme Court den Bestand des Abtreibung­sgesetzes von Mississipp­i erlaubt, das eine 15-Wochen-Frist setzt, wäre fast ein halbes Jahrhunder­t an Rechtsprec­hung aufgehoben.

Mangels eines nationalen Abtreibung­srechts fiele die Zuständigk­eit wieder an die Bundesstaa­ten zurück. Es entstünde ein Flickentep­pich an Regeln, von denen das Gesetz in Oklahoma dann das strikteste wäre. Die Organisati­on Planned Parenthood kündigte am Donnerstag an, zu klagen. „Das Gesetz muss gestoppt werden“, erklärte die Vereinigun­g.

Ob und wie das möglich sein wird, ist nach Ansicht von Beobachter­n ungewiss. Unabhängig vom Ausgang des anhängigen Falls vor dem Supreme Court kann das Abtreibung­srecht von Oklahoma wie das in Texas erst vor Gericht gebracht werden, sobald in einem konkreten Fall ein Kläger versucht, vor einem Zivilgeric­ht eine Prämie einzuklage­n. Bis dahin sehen die obersten Gerichte von Texas und der USA laut früherer Entscheidu­ngen keinen Anlass zu intervenie­ren.

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FOTO: JOHN LAMPARSKI/IMAGO Wie hier in New York protestier­en immer wieder Menschen gegen die Verschärfu­ng von Abtreibung­sgesetzen.

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