Oklahoma verbietet Abtreibungen
Der US-Bundesstaat untersagt Schwangerschaftsabbrüche ab dem Moment der Empfängnis
WASHINGTON - Mit der Unterschrift des republikanischen Gouverneurs Kevin Stitt bekäme Oklahoma das schärfste Abtreibungsgesetz der USA. Und die gilt als sicher. Stitt selbst hatte sich mit Nachdruck für das Gesetz starkgemacht, das am Donnerstag mit 73 zu 16 Stimmen die letzte Hürde im Repräsentantenhaus des Cowboystaats im Südwesten der USA genommen hatte. Es ist nach der Blaupause des bis dahin strengsten Abtreibungsgesetzes in Texas konstruiert und blockiert in der Praxis den Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen.
Nach der Definition der Gesetzgeber handelt es sich bereits nach der Befruchtung der Eizelle nicht bloß um einen menschlichen Fötus, sondern um ein nicht geborenes Kind. Dieses genießt unabhängig vom embryonalen Entwicklungsstadium in Oklahoma vom Moment der Empfängnis an denselben Schutz wie ein außerhalb des Mutterleibs lebensfähiges Baby.
Der Bundesstaat lagert wie Texas die Durchsetzung des Abtreibungsverbots an private Parteien aus. Diese können vor Zivilgerichten gegen jede Person klagen, die Frauen in Not in irgendeiner Form hilft. Bereits die Fahrt zu einer Abtreibungsklinik außerhalb des Bundesstaates, das Bezahlen eines Flugscheins oder der Versand von Medikamenten, die eine Schwangerschaft beenden können, qualifizieren sich als Beihilfe zur Abtreibung.
Bei einer erfolgreichen Klage winkt den Klägern eine Prämie von bis zu 10 000 Dollar sowie ein Anspruch auf Erstattung der Gerichtskosten.
Ausnahmen sieht das Gesetz lediglich vor, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder bei Inzest und Vergewaltigung, sofern die Betroffene Strafanzeige erstattet hat.
Gouverneur Stitt hatte erst Anfang des Monats eine Vorläufer-Version unterzeichnet, die wie Texas eine Sechswochenfrist vorsah. Auch diese Frist gilt als problematisch, weil viele Betroffene erst dann realisieren, schwanger zu sein. Der Republikaner versprach, dass Oklahoma danach strebe, „der lebensfreundlichste Staat der USA zu werden“.
Der konservative Haussender Fox fragte Stitt vor der Abstimmung, ob Oklahoma armen Frauen helfen werde, die Schwierigkeiten hätten, ihr ungewolltes Kind zu versorgen. Ohne auf die Frage einzugehen, erklärte der Republikaner, er glaube, „dass Gott einen besonderen Plan für jedes einzelne Leben und jedes einzelne Kind hat“. Darauf habe jeder in Oklahoma einen Anspruch.
US-Vizepräsidentin Kamala Harris brachte bei einem virtuellen Treffen mit Frauenrechtsorganisationen und Anbietern von Abtreibungen ihr Entsetzen über die Entwicklung zum Ausdruck. „Das ist ungeheuerlich“, erklärte Harris, die das Gesetz als „jüngstes Beispiel einer Serie extremer Gesetze im Land“bezeichnete.
In Erwartung eines Grundsatzurteils zur Abtreibung des obersten Gerichts der USA im Juni haben rund die Hälfte der US-Bundesstaaten Abtreibungsgesetze beschlossen, die den Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen
zum Teil gravierend einschränken. Ein Anfang Mai an die Medien geleakter Entwurf einer Urteilsbegründung des erzkonservativen Richters Samuel Alito erweckte den Eindruck, dass es eine Fünf-zu-vier-Mehrheit für ein Ende von „Roe v. Wade“am Supreme Court gibt.
Das 1973 gefällte Grundsatzurteil erklärte Abtreibungen bis zum letzten Trimester zur Privatangelegenheit von Frauen. Folgeurteile bestätigten, dass Einschränkungen danach nur im engen Rahmen erlaubt sind, sofern sie keine unnötigen Härten für die Frauen schüfen. Wenn der Supreme Court den Bestand des Abtreibungsgesetzes von Mississippi erlaubt, das eine 15-Wochen-Frist setzt, wäre fast ein halbes Jahrhundert an Rechtsprechung aufgehoben.
Mangels eines nationalen Abtreibungsrechts fiele die Zuständigkeit wieder an die Bundesstaaten zurück. Es entstünde ein Flickenteppich an Regeln, von denen das Gesetz in Oklahoma dann das strikteste wäre. Die Organisation Planned Parenthood kündigte am Donnerstag an, zu klagen. „Das Gesetz muss gestoppt werden“, erklärte die Vereinigung.
Ob und wie das möglich sein wird, ist nach Ansicht von Beobachtern ungewiss. Unabhängig vom Ausgang des anhängigen Falls vor dem Supreme Court kann das Abtreibungsrecht von Oklahoma wie das in Texas erst vor Gericht gebracht werden, sobald in einem konkreten Fall ein Kläger versucht, vor einem Zivilgericht eine Prämie einzuklagen. Bis dahin sehen die obersten Gerichte von Texas und der USA laut früherer Entscheidungen keinen Anlass zu intervenieren.