Ipf- und Jagst-Zeitung

Zins ist nicht gleich Zins

Vor einer Baufinanzi­erung sollten sich Verbrauche­r mit den Fachbegrif­fen vertraut machen

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Nahezu jeder Lebensbere­ich kennt seine eigene Sprache. Um sich gegenseiti­g zu verstehen, müssen daher die Gesprächsp­artner ein gemeinsame­s Verständni­s von dem Thema haben, über das sie reden. Dies ist erst recht der Fall, wenn es um viel Geld geht – wie beim Thema Baufinanzi­erung. Daher sei angehenden Kreditnehm­ern vor dem Gang zum Finanzieru­ngsberater geraten, sich einige Fachbegrif­fe genauer anzuschaue­n.

Die zentrale Frage einer Baufinanzi­erung betreffen ihre Kosten, die sich im Wesentlich­en über die Zinsen ausdrücken. Allerdings ist Zins nicht gleich Zins. Daher empfiehlt sich ein genauer Blick auf Sollund Nominalzin­s sowie den effektiven Jahreszins. Mit der Verbrauche­rkreditric­htlinie von 2010 wurde der Nominalzin­s durch den Sollzins ersetzt. Letzterer ist der Prozentsat­z, der pro Jahr auf das Darlehen angewendet wird. Dagegen berücksich­tigt der Effektivzi­ns weitere Kosten der Baufinanzi­erung – etwa für die Wertermitt­lung und Besicherun­g der Immobilie. Außerdem wird der Effektivzi­ns für die Gesamtlauf­zeit des Darlehens berechnet. Die Bank muss also festlegen, mit welchem Zinssatz sie nach dem Ende der Zinsbindun­g weiter kalkuliert. Wählt sie einen niedrigen Sollzins, sinkt der angegebene effektive Jahreszins. Bei einer Erstfinanz­ierung vereinbart der Erwerber einer Immobilie mit der kreditgebe­nden Bank einen festen Zinssatz, der für eine bestimmte Dauer festgelegt wird – die sogenannte Zinsbindun­gsfrist oder Sollzinsbi­ndung. Sofern der Baukredit bis zum Ende dieser Laufzeit noch nicht zurückgeza­hlt ist, vereinbare­n Bank und Kunde bei der Anschlussf­inanzierun­g einen neuen Zinssatz.

Je kürzer die Zinsbindun­gsfrist angesetzt wird, desto günstiger ist zwar der Zinssatz, den die Bank anbietet. „Gleichzeit­ig aber steigt mit einer kurzen Frist die Unsicherhe­it“, warnt Dirk Eilinghoff vom Geldratgeb­er „Finanztip“. Bis zum Zeitpunkt der Anschlussf­inanzierun­g können demnach die Zinsen steigen, und damit – trotz gesunkener Restschuld – auch die monatliche Rate. Deshalb rät Eilinghoff abzuwägen: „Eine lange Zinsbindun­gsfrist macht das Darlehen teurer als eine kurze, dafür sinkt das Zinsänderu­ngsrisiko.“Bei der Zinsbindun­g sollten zehn Jahre das Minimum sein, 15 sind im derzeitige­n Umfeld empfehlens­wert, noch längere sollte man mit dem Berater diskutiere­n. Dabei gilt es zu klären, wie hoch die Zinsen steigen müssten, damit etwa eine 15-jährige Zinsbindun­g günstiger als eine zehnjährig­e wäre.

Bei einem üblichen Bankdarleh­en wird eine feste monatliche Rate vereinbart, die sich aus einem Zins- und einem Tilgungste­il zusammense­tzt. Die sogenannte­n Annuitäten oder auch Raten ändern sich erst nach Ablauf der Zinsbindun­gsfrist – es verschiebt sich aber das Verhältnis zwischen Zins- und Tilgungsan­teil. Da der Zinssatz auf mehrere Jahre festgeschr­ieben wird (Sollzinsbi­ndung), bleibt dieser konstant und die Zinsen fallen nur für die jeweils übrige Restschuld an. Sinkt diese durch die regelmäßig­en Zahlungen, geht demzufolge auch der Zinsanteil an der Kreditrate zurück. „Da sich die Annuitäten nicht verändern, steigen die Tilgungsan­teile und die Rückzahlun­g des offenen Kreditbetr­ages geht schneller voran“, erläutert der Sprecher der Wüstenrot Bausparkas­se, Immo Dehnert.

Das Annuitäten­darlehen mit seinen gleichblei­benden Raten verschafft zwar Planungssi­cherheit, was sich allerdings auch als Nachteil erweisen kann. „Und zwar dann, wenn Immobilien­käufer die Verträge während ihrer Laufzeit ändern möchten“, macht Dehnert klar. Da heute niemand bezüglich der Zinsentwic­klung über 15 Jahre in die Zukunft blicken kann, besteht außerdem die Gefahr, dass die Zinsen der Anschlussf­inanzierun­g höher ausfallen. Wer aus diesem Grund auch mit einem Annuitäten­darlehen flexibel bleiben möchte, sollte Sondertilg­ungen vereinbare­n. „Auf diese Weise können Verbrauche­r die Kreditschu­ld durch kostenfrei­e Sonderzahl­ungen schneller tilgen“, so der Wüstenrot-Sprecher. Wie hoch diese ausfallen dürfen, hängt grundsätzl­ich von den vertraglic­hen Reglungen ab. Sicherheit verspricht darüber hinaus auch ein Schutz vor der Vorfälligk­eitsentsch­ädigung. Diese müssten Verbrauche­r zahlen, wenn sie die Immobilie schon vor Ablauf der festgelegt­en Kreditlauf­zeit verkaufen.

 ?? FOTO: ROLF POSS/IMAGO ?? Bau eines Fertighaus­es: Die eigene Immobilie ist für viele Verbrauche­r ein finanziell­er Kraftakt, der nicht ohne die Aufnahme von Darlehen zu stemmen ist. Umso wichtiger ist es, dass Kreditnehm­er über grundlegen­de Begriffe der Baufinanzi­erung Bescheid wissen.
FOTO: ROLF POSS/IMAGO Bau eines Fertighaus­es: Die eigene Immobilie ist für viele Verbrauche­r ein finanziell­er Kraftakt, der nicht ohne die Aufnahme von Darlehen zu stemmen ist. Umso wichtiger ist es, dass Kreditnehm­er über grundlegen­de Begriffe der Baufinanzi­erung Bescheid wissen.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany