Ipf- und Jagst-Zeitung

Spinner, Revolution­är, Innovator

Mit Tesla und Space X hat Elon Musk die Wirtschaft verändert – Doch was will der reichste Mensch mit Twitter?

- Von Thomas J. Spang

WASHINGTON - Die Krönung Elon des Ersten fand im Stillen statt. Genauer gesagt in einer Mitteilung an die Börsenaufs­icht SEC im März 2021. Darin schrieb der Chef des weltgrößte­n Hersteller­s von Elektroaut­os, fortan trage er nicht mehr den Titel „CEO“, sondern „Technoking of Tesla“. Das war klassisch Elon Musk, der in der Woche seiner Krönung an einem einzigen Tag seinem Vermögen 25 Milliarden Dollar hinzugefüg­t hatte.

Menschen, die Musk kennen, sehen in dem Akt mehr als einen Scherz des reichsten Mannes der Welt. Tatsächlic­h handelt es sich um ein Stück Selbstoffe­nbarung eines Menschen, der oft so auftritt wie ein offenes Buch, den meisten in seiner Widersprüc­hlichkeit aber ein Rätsel bleibt.

Jüngstes Beispiel ist sein Verhalten bei der angekündig­ten Übernahme des Kurznachri­chtendiens­tes Twitter für 44 Milliarden US-Dollar. An einem einzigen Tag schaffte es Musk, mit seinen Tweets am 13. Mai, Experten, Investoren und Beteiligte komplett zu verwirren. In einer ersten Kurznachri­cht sprach er mutmaßlich falsche Angaben zum Anteil der unechten Konten des Übernahmek­andidaten an. Der Deal sei „vorläufig auf Eis gelegt“, beschied der Technoking. War der Zukauf nur so eine Idee? Hatten die skeptische­n bis negativen Reaktionen im TwitterUni­versum dem Heißsporn kalte Füße verpasst? Oder versuchte er bloß, den Kaufpreis von 54,20 Dollar je Aktie nach unten zu verhandeln?

Wenn das Musks Ziel war, hatte er am Dienstagmo­rgen ein paar zusätzlich­e Argumente. Hartnäckig kam er auf das Thema gefälschte­r Konten zurück. Er selbst gehe davon aus, dass 20 Prozent der 229 Millionen Konten nicht echt seien. „Man kann nicht den gleichen Preis für etwas zahlen, das viel schlechter ist als behauptet“, machte Musk bei einer Konferenz in Miami klar. Ein cleveres Argument, das Twitter-Chef Parag Agrawal schlecht entkräften kann. Denn bei der Anmeldung zu Twitter müssen sich Nutzer nicht identifizi­eren. Mangels anderer Kaufangebo­te hat der gebürtige Südafrikan­er den Konzern mit dem blauen Piepmatz im Logo so weit in die Ecke manövriert, dass er sich am Ende gezwungen sieht, einen kräftigen Discount einzuräume­n. Jedenfalls sieht es wenig danach aus, dass Musk die Strafe von einer Milliarde Dollar zahlen wird, wenn der Deal nicht zustande kommt.

Traurig wären nur wenige Nutzer, die eine Alleinherr­schaft des Technoking­s im Twitter-Reich fürchten. Zumal er bereits angekündig­t hat, den Bann Donald Trumps nach dem Sturm dessen Anhänger auf den Kongress vom 6. Januar 2021 rückgängig machen zu wollen. Dies sei „eine moralisch falsche Entscheidu­ng“gewesen und „extrem närrisch“obendrein. Der Bann habe nichts dazu beigetrage­n, Trump zum Schweigen zu bringen.

Tatsächlic­h erreichte der Ex-Präsident bei Erhebungen von Unternehme­n, die Relevanz und Präsenz von Nutzern in den Netzwerken messen, zuletzt ein Fünfjahres­tief. Statt dem Ausschluss auf Lebenszeit will Technoking Musk eher Auszeiten verhängen, „illegale“Inhalte unsichtbar machen und Beiträge unterbinde­n, „die zerstöreri­sch für die Welt“oder „verkehrt und schlecht“sind. Dass er Trumps Aktivitäte­n dieser Kategorie nicht zuordnet, irritiert für einen, der früher einmal sechs Stunden Schlange stand, um Barack Obama im Wahlkampf die Hand zu schütteln.

Neuerdings gibt sich der Technoking als Republikan­er zu erkennen. Die US-Demokraten seien zur „Partei der Spaltung und des Hasses“geworden. Er verweist auf seiner Meinung nach dort dominieren­de selbsterna­nnte Verteidige­r von immer abstrusere­n Minderheit­enrechten als Begründung. „Deshalb kann ich sie nicht mehr unterstütz­en und werde die Republikan­er wählen.“

Es ist einer der vielen Widersprüc­he in der Gedankenwe­lt des libertären Einzelkämp­fers, der wenig Lust hat, sich anderen gegenüber zu rechtferti­gen. Weshalb er schon einmal vorhatte, Tesla von der Börse zu nehmen und in ein privates Unternehme­n umzuwandel­n. Genau das kündigte er bei einer erfolgreic­hen Übernahme von Twitter an. Als Eigentümer läge es in seinem Ermessen, wer twittern darf und wer nicht.

Deshalb ist die Mitteilung an die SEC nicht nur ein Scherz. Wie ein absolutist­ischer Herrscher setzt sich Musk die Krone des Technoking von Tesla selbst auf. Dabei versteht sich der exzentrisc­he Milliardär mit einem geschätzte­n Vermögen von 267 Milliarden US-Dollar als aufgeklärt­er Herrscher, der nicht weniger als die

Menschheit retten will. „Was ich mache, muss einen Nutzen für die Welt haben“, postuliert­e Musk in einem seiner seltenen Interviews mit dem amerikanis­chen Fernsehsen­der PBS im Jahr 2007. Das war lange bevor er Tesla zum wertvollst­en Automobilu­nternehmen der Welt machte und mit Space X der staatliche­n Weltraumag­entur Nasa den Rang ablief.

Musk wollte nicht nur schöne und schnelle Autos bauen, sondern mithelfen, den Klimawande­l zu stoppen. Ein Anspruch, über den damals noch viele lachten. Eine halbe Million produziert­e Teslas später musste selbst VW-Chef Herbert Diess öffentlich zugestehen: „Elon Musk ist ein Innovator, der uns vorwärtstr­eibt.“Musk Biograf Ashlee Vance macht neben Musks genialem Verständni­s komplexer technische­r Sachverhal­te dessen eisernen Willen für seinen Erfolg verantwort­lich. „Er hört nicht auf, bis er hat, was er will.“Davon können viele ein Lied singen, die mit ihm aneinander­geraten sind. Beispiel Tesla Gigafactor­y in Grünheide vor den Toren Berlin. Umweltbede­nken über den hohen Wasserverb­rauch des Werks wischt er brüsk zur Seite. „Grundsätzl­ich ist das keine trockene Region, ansonsten würden hier kaum Bäume wachsen“, merkte er keck an, während er auf Grundlage provisoris­cher Baugenehmi­gungen im Eiltempo Fakten schaffte.

Nur einmal ist es anderes gelaufen. Damals, als sein Partner bei PayPal, Peter Thiel, ihn aus dem Geschäft drängte. Seitdem strebt Musk in seinen vielen Unternehmu­ngen die Alleinherr­schaft an. Er sicherte sich die Mehrheit bei Tesla und Space X und besetzte die Führung der Unternehme­n mit loyalen Gefolgsleu­ten. Besonderes Kennzeiche­n des inneren Zirkels um den Technoköni­g – Geduld und Gefolgscha­ft. „Wenn Elon etwas sagt, ist es besser innezuhalt­en, statt loszulegen“, sagt Gwynne Shotwell, die für die Raketenent­wicklung bei SpaceX zuständig ist. „Klappe halten und nachdenken, wie das umzusetzen ist. Dann öffnen sich Wege, etwas zu erreichen.“

Die Besiedlung des Mars ist eine dieser Visionen, die Musk wie besessen seit Kindheitst­agen verfolgt, als er Science-Fiction-Romane verschlang. Musk nahm sich vor, es der Weltraumbe­hörde zu zeigen. Er wusste, dass er dafür viel Geld benötigen würde. Schritt für Schritt arbeitete er darauf hin. Er baute eine Rakete, die den Orbit erreichte, konstruier­te ein Shuttle zur Internatio­nalen Raumstatio­n und schießt Satelliten zu einem Bruchteil der einstigen Kosten ins All. Der Mars kommt näher. Ein Zufluchtso­rt der Menschheit vor Klimakatas­trophen und Atomkrieg.

Heute lacht niemand mehr über den Technoking, der erst die Automobili­ndustrie und dann die Raumfahrt revolution­iert hat. Mit seinem Bezahlsyst­em PayPal setzte er Impulse in der Finanzindu­strie, mit Solarcity will er einen Massenmark­t für erneuerbar­e Energien im Wohnbereic­h erschließe­n, und mit Neuralink arbeitet er an einer Schnittste­lle zwischen menschlich­em Gehirn und softwarege­steuerter Computersy­steme.

Für den kosmischen Scherzbold reiht sich Twitter in seine Vision ein, die Menschheit zu retten. Den Kurznachri­chtendiens­t betrachtet Musk dabei als Marktplatz der freien Rede, mit der auf Erden die Demokratie gesichert werden soll. Auf die Frage, warum er so viel Energie auf Twitter investiere, sagte Musk. „Weil es Spaß macht.“Wie zum Beweis zeigt sein Twitter-Profil die Planeten, nach denen er strebt. Darunter stellt er sich vor als Elon Musk, „Technoking und Eroberer des Mars“.

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FOTO: IMAGO Elon Musk bei der Eröffnung der Tesla-Gigafactor­y in Grünheide nahe Berlin: VW-Chef Herbert Diess nennt den Unternehme­r einen „Innovator, der uns vorwärtstr­eibt“.

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