Anlaufstelle für Suchtkranke bleibt
Ruhestand für Dr. Reiner Zitzmann – Substitutionsambulanz in der Spitalstraße neu aufgestellt
ELLWANGEN - Ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von Suchtkranken bleibt Ellwangen erhalten: Die Substitutionsambulanz, die der Arzt Dr. Reiner Zitzmann rund 30 Jahre lang in seiner Praxis angeboten hat, hat nun das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Klinikum Schloss Winnenden übernommen. Seit 1. April schon ist das neue Praxisteam in Ellwangen am Start. Es bietet außerdem ambulante Suchttherapie (PIA) an. Am Freitag war offiziell die Eröffnungsfeier in der Spitalstraße 2.
Was es bedeutet hätte, wenn keine Nachfolge für Dr. Zitzmann gefunden worden wäre, weiß Joachim Bläse aus seiner Zeit als Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd nur zu gut. Er habe dort Abhängige auf dem Marktplatz erlebt, wie sie versuchten, zu kaufen und zu verkaufen. „Wenn die Substitution wegfällt, hat das verheerende Folgen“, sagte der Landrat vor den Gästen im Innenhof der Praxis. Durch regelmäßige Gabe eines Ersatzstoffes wie zum Beispiel Methadon können Betroffene sich stabilisieren, stehen oftmals im Berufsleben oder haben Familie. Unter großem Beifall dankte Bläse dem 78jährigen Zitzmann, der so lange seinen Ruhestand hinausgeschoben habe, bis eine Lösung gefunden war: „Sie wären reif fürs Bundesverdienstkreuz.“
Er selbst sei „der glücklichste Landrat“, weil diese Lösung sektorenübergreifend und damit „ein Paradebeispiel“für neue Wege im Gesundheitswesen sei. Bläse sagte dies sowohl unter dem Eindruck der Klinik-Entwicklung als auch angesichts des Ringens um niedergelassene Ärzte. „Schon normale Ärzte sind schwer zu finden. Bei der Substitution ist es noch schwerer.“Um dennoch seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen, müsse der Landkreis Partner suchen. „Das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Winnenden ist der ideale Partner“, so Bläse, der dort im Aufsichtsrat sitzt. Diese Partnerschaft könne als Muster dienen, „wie es auch anderswo laufen kann“.
Von einem „zähen Ringen“, allerdings mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), sprach auch Anett Rose-Losert, die Geschäftsführerin des Klinikums Schloss Winnenden. Die Idee, die Versorgung abhängiger Patienten in einer Verzahnung zwischen Klinik und niedergelassener Praxis zu sichern, sei immer wieder durch die Formalitäten ausgebremst worden. Es habe viele Anläufe gebraucht und viele Nerven gekostet. Ausdrücklich dankte später Chefarzt Dr. Christopher Dedner der Vertreterin der KV, Heike Lange, die immer wieder Hinweise gegeben habe, wie man die „Durststrecke“überwinden könne.
Dr. Reiner Zitzmann beleuchtete die Seite der Patienten. „Jahrelang haben die mich gefragt, was sie machen sollen, wenn ich in den Ruhestand gehe“, berichtete er. Die Patienten hätten Angst, alleine gelassen zu werden. „Ohne Substitution geht für sie die Reise in den Tod“, bestätigte Dr. Horst Köddermann, der in Trochtelfingen eine Substitutionsambulanz leitet. Sorge bereitete Zitzmann, dass immer weniger Substitutionsärzten eine immer größere Zahl an Abhängigen gegenüberstehe. Umso erfreuter war er, dass nun eine Nachfolge für ihn gefunden sei.
Das neue Team besteht aus dem Facharzt für Suchttherapie Dr. Sergio Daina und den Arzthelferinnen Donata Kardasch und Katharina Breitschwert. Letztere ist auch als Sozialpädagogin tätig. Neben der Substitution von Opioiden bietet das Team auch ambulante Therapie für Suchtkranke an. Die sogenannte psychiatrische Institutsambulanz (PIA) sei sinnvoll, erklärte Zitzmann, da oft
Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen die Betroffenen in die Drogenabhängigkeit trieben.
Derzeit nutzen die Substitutionsambulanz etwa 105 bis 110 Suchtkranke aus einem großen Einzugsgebiet, das von Crailsheim über Schwäbisch Hall bis ins Bayerische reicht, wo das Angebot an Ärzten noch dünner sei. Nur wenige Klienten kämen aus Ellwangen, berichtete Zitzmann. Für weitere Interessenten hat sein Nachfolger Dr. Daina bereits eine Warteliste erstellt. Dreimal pro Woche wird eine Sprechstunde für Gespräche und Rezepte angeboten. Letztere können bei einer Ellwanger Apotheke eingelöst werden. Heutzutage müssten nur noch instabile Patienten das Substitut unter Aufsicht des Apothekers einnehmen.
Die neuen Nachbarn neben dem Rathaus hieß auch Oberbürgermeister Michael Dambacher mit einem Gutschein für eine Stadtführung willkommen. Dr. Köddermann als Vertreter der Kreisärzteschaft freute sich, dass eine Versorgungslücke geschlossen sei. Er wusste: „Die meisten Ärzte schrecken vor der Arbeit mit diesen Patienten zurück.“Die Behandlung Suchtkranker sei schwierig, aber unumgänglich: „Diese Menschen brauchen unsere Hilfe.“