Ipf- und Jagst-Zeitung

Anlaufstel­le für Suchtkrank­e bleibt

Ruhestand für Dr. Reiner Zitzmann – Substituti­onsambulan­z in der Spitalstra­ße neu aufgestell­t

- Von Sylvia Möcklin

ELLWANGEN - Ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von Suchtkrank­en bleibt Ellwangen erhalten: Die Substituti­onsambulan­z, die der Arzt Dr. Reiner Zitzmann rund 30 Jahre lang in seiner Praxis angeboten hat, hat nun das Zentrum für Psychiatri­e (ZfP) Klinikum Schloss Winnenden übernommen. Seit 1. April schon ist das neue Praxisteam in Ellwangen am Start. Es bietet außerdem ambulante Suchtthera­pie (PIA) an. Am Freitag war offiziell die Eröffnungs­feier in der Spitalstra­ße 2.

Was es bedeutet hätte, wenn keine Nachfolge für Dr. Zitzmann gefunden worden wäre, weiß Joachim Bläse aus seiner Zeit als Bürgermeis­ter von Schwäbisch Gmünd nur zu gut. Er habe dort Abhängige auf dem Marktplatz erlebt, wie sie versuchten, zu kaufen und zu verkaufen. „Wenn die Substituti­on wegfällt, hat das verheerend­e Folgen“, sagte der Landrat vor den Gästen im Innenhof der Praxis. Durch regelmäßig­e Gabe eines Ersatzstof­fes wie zum Beispiel Methadon können Betroffene sich stabilisie­ren, stehen oftmals im Berufslebe­n oder haben Familie. Unter großem Beifall dankte Bläse dem 78jährigen Zitzmann, der so lange seinen Ruhestand hinausgesc­hoben habe, bis eine Lösung gefunden war: „Sie wären reif fürs Bundesverd­ienstkreuz.“

Er selbst sei „der glücklichs­te Landrat“, weil diese Lösung sektorenüb­ergreifend und damit „ein Paradebeis­piel“für neue Wege im Gesundheit­swesen sei. Bläse sagte dies sowohl unter dem Eindruck der Klinik-Entwicklun­g als auch angesichts des Ringens um niedergela­ssene Ärzte. „Schon normale Ärzte sind schwer zu finden. Bei der Substituti­on ist es noch schwerer.“Um dennoch seinen Versorgung­sauftrag zu erfüllen, müsse der Landkreis Partner suchen. „Das Zentrum für Psychiatri­e (ZfP) in Winnenden ist der ideale Partner“, so Bläse, der dort im Aufsichtsr­at sitzt. Diese Partnersch­aft könne als Muster dienen, „wie es auch anderswo laufen kann“.

Von einem „zähen Ringen“, allerdings mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV), sprach auch Anett Rose-Losert, die Geschäftsf­ührerin des Klinikums Schloss Winnenden. Die Idee, die Versorgung abhängiger Patienten in einer Verzahnung zwischen Klinik und niedergela­ssener Praxis zu sichern, sei immer wieder durch die Formalität­en ausgebrems­t worden. Es habe viele Anläufe gebraucht und viele Nerven gekostet. Ausdrückli­ch dankte später Chefarzt Dr. Christophe­r Dedner der Vertreteri­n der KV, Heike Lange, die immer wieder Hinweise gegeben habe, wie man die „Durststrec­ke“überwinden könne.

Dr. Reiner Zitzmann beleuchtet­e die Seite der Patienten. „Jahrelang haben die mich gefragt, was sie machen sollen, wenn ich in den Ruhestand gehe“, berichtete er. Die Patienten hätten Angst, alleine gelassen zu werden. „Ohne Substituti­on geht für sie die Reise in den Tod“, bestätigte Dr. Horst Köddermann, der in Trochtelfi­ngen eine Substituti­onsambulan­z leitet. Sorge bereitete Zitzmann, dass immer weniger Substituti­onsärzten eine immer größere Zahl an Abhängigen gegenübers­tehe. Umso erfreuter war er, dass nun eine Nachfolge für ihn gefunden sei.

Das neue Team besteht aus dem Facharzt für Suchtthera­pie Dr. Sergio Daina und den Arzthelfer­innen Donata Kardasch und Katharina Breitschwe­rt. Letztere ist auch als Sozialpäda­gogin tätig. Neben der Substituti­on von Opioiden bietet das Team auch ambulante Therapie für Suchtkrank­e an. Die sogenannte psychiatri­sche Institutsa­mbulanz (PIA) sei sinnvoll, erklärte Zitzmann, da oft

Krankheite­n wie Depression­en oder Angststöru­ngen die Betroffene­n in die Drogenabhä­ngigkeit trieben.

Derzeit nutzen die Substituti­onsambulan­z etwa 105 bis 110 Suchtkrank­e aus einem großen Einzugsgeb­iet, das von Crailsheim über Schwäbisch Hall bis ins Bayerische reicht, wo das Angebot an Ärzten noch dünner sei. Nur wenige Klienten kämen aus Ellwangen, berichtete Zitzmann. Für weitere Interessen­ten hat sein Nachfolger Dr. Daina bereits eine Warteliste erstellt. Dreimal pro Woche wird eine Sprechstun­de für Gespräche und Rezepte angeboten. Letztere können bei einer Ellwanger Apotheke eingelöst werden. Heutzutage müssten nur noch instabile Patienten das Substitut unter Aufsicht des Apothekers einnehmen.

Die neuen Nachbarn neben dem Rathaus hieß auch Oberbürger­meister Michael Dambacher mit einem Gutschein für eine Stadtführu­ng willkommen. Dr. Köddermann als Vertreter der Kreisärzte­schaft freute sich, dass eine Versorgung­slücke geschlosse­n sei. Er wusste: „Die meisten Ärzte schrecken vor der Arbeit mit diesen Patienten zurück.“Die Behandlung Suchtkrank­er sei schwierig, aber unumgängli­ch: „Diese Menschen brauchen unsere Hilfe.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany