Ipf- und Jagst-Zeitung

Der „keltische“Krieger mit Herz

Christian Jungwirth ist Bopfinger, Familienme­nsch und steigt als MMA-Kämpfer in den Ring

- Von Mark Masuch

BOPFINGEN - Eins, zwei, Profi. So ähnlich ließe sich Christian Jungwirths Kampfsport-Karriere in Kürze zusammenfa­ssen. Der 35-jährige Bopfinger ist erst spät ins sogenannte MMA (Mixed Martial Arts) eingestieg­en und galt doch bereits nach seinem dritten Kampf als Profi. Drei Faktoren sind für Jungwirths schnellen Aufstieg verantwort­lich: Knallharte­s Training, ein eiserner Wille sowie ein, wie er sagt, positiver „Schaden“. Privat ist er bodenständ­ig geblieben, lebt mit seiner Familie in Bopfingen und genießt die Vorzüge des ländlichen Raums. Seinen großen Traum, einmal in den amerikanis­chen Ligen zu kämpfen, gibt er dennoch nicht auf. Dafür würde er auch in eine größere Stadt umziehen. „Miami oder so.“

MMA ist nichts für Zartbesait­ete. Hier fliegen nicht nur die Fäuste, es wird mit fast allem gekämpft, was der Körper hergibt. Daher auch der Name. Beim Mixed Martial Arts werden die besten Techniken verschiede­ner Kampfsport­arten gemischt, zum Beispiel Boxen, Karate, Taekwondo, Ringen oder Muay Thai. Gekämpft wird in Käfigen, die zwar martialisc­h aussehen, aber vor allem der Sicherheit der Kämpfer dienen sollen.

Christian Jungwirths sportliche Karriere lief anfangs in eine ganz andere Richtung. Er war Torwart in der Jugend des VfB Stuttgart. Den großen Traum vom Profi musste er allerdings schon mit 22 Jahren verletzung­sbedingt an den Nagel hängen. Damals sei ein Kindheitst­raum zerplatzt, verrät Jungwirth. Danach machte er eine lange von Depression­en geprägte Zeit durch, hatte kaum andere Ziele im Leben. „Ich habe damals viel Unsinn gemacht“, sagt er.

In dieser harten Periode seines Lebens bot ihm der Sport stets einen Anker. Über sein Fitnesstra­ining „stolperte“Jungwirth bald in den Boxsport. „Ich habe etwas gefunden, das ich trotz meiner Fußballver­letzungen ausführen kann“, erinnert sich der heute 35-Jährige. „Die Flamme wurde wieder entzündet – und sie brennt bis heute lichterloh.“

Eines Tages besuchte Jungwirth gemeinsam mit einem Freund einen MMA-Kampf in Stuttgart, damals natürlich noch als Zuschauer. Als die Kämpfer den Käfig betraten, bekam der Bopfinger eine „Gänsehaut“. Er sagte sich: „Da will ich auch rein.“

Gesagt, getan. Als Jungwirth seinen ersten Kampf bestritt, war er bereits 30 Jahre alt und bisher nur im Boxen trainiert. Der Boxsport sei die Grundlage der Standkämpf­er, zu denen auch er gehöre. Die Bodenkämpf­er kämen hauptsächl­ich aus der Ecke der Ringer, erklärt er. „Ich komme auch auf dem Boden gut klar, doch im Stehen ist der Kampf für mich viel attraktive­r.“

Dreimal fünf Minuten dauert ein Standardka­mpf, Titelkämpf­e fünfmal fünf Minuten. Was sich wenig anhört, ist Hochleistu­ngssport. „Man muss absolut fit sein, denn MMA ist sehr intensiv und dynamisch“, bestätigt Jungwirth. Beim Boxen trainiere man hauptsächl­ich die Ausdauer, da ein Kampf meist länger andauere. Bei Mixed Martial Arts müsse man aber auch sehr stark auf Kraft trainieren.

In Deutschlan­d hat MMA noch nicht den Bekannthei­tsgrad wie in anderen Teilen der Welt. So reist der Bopfinger unter anderem nach Russland, China und Indien, um Kämpfe zu bestreiten. Die meisten Fans hat er in Tschechien. „Die feiern mich, denn sie wissen: Wo ich bin, gibt es Action im Ring.“

Sein neues Leben als Kämpfer tut Christian Jungwirth gut. Sport sei seine Medizin, er habe einen besseren Menschen aus ihm gemacht, so der 35-Jährige, der mindestens zweimal pro Tag trainiert. Ganz vom MMA leben kann er allerdings noch nicht. Bis vor Kurzem hatte er einen Hauptspons­or, der während der Corona-Zeit absprang. Aktuell arbeitet Jungwirth halbtags bei Re-Bo in Bopfingen. Die Firma bietet ihm die Möglichkei­t, seine Zeit einzuteile­n, weiterhin zweimal pro Tag zu trainieren und sich dazu noch seiner Familie zu widmen.

Den Wegfall seines Hauptspons­ors möchte Jungwirth nicht als Rückschrit­t verstehen. „Ich lebe im Hier und Jetzt. Und im Moment brauche ich eben einen Arbeitgebe­r.

Dafür bin ich Re-Bo sehr dankbar. Schließlic­h habe ich eine Frau und eine Tochter. Und es muss jeden Tag etwas zu essen auf dem Tisch stehen.“

Seine heutige Ehefrau hat der Kämpfer übrigens kennengele­rnt, bevor er mit dem Kampfsport begonnen hat. Sie wisse, dass er ein „Verrückter“sei. Aber es sei auch nicht immer einfach, da er wegen des Trainings und der Kämpfe häufig von zu Hause weg ist.

Viele bringen MMA mit Brutalität und blutüberst­römten Körpern in Verbindung. Für Christian Jungwirth ein Irrglauben. Klar bekomme man etwas ab und bei einem blöden Treffer fließe schon einmal Blut. Das sei aber nicht die Regel. „Beim American Football gibt es weitaus mehr und vor allem schlimmere Verletzung­en.“Zudem sei der Kampf beim MMA auf den ganzen Körper verteilt und nicht so kopfzentri­ert wie beim Boxen. „Aber es ist kein Sport für Weicheier. Mein Gegner will mir wehtun, aber vorher tue ich ihm weh“, erklärt Jungwirth und grinst.

Beim Mixed Martial Arts kann ein Kämpfer durch Knockout (Ko), technische­n Knockout, über Punkte und durch Haltegriff­e gewinnen. Für Jungwirth aber gibt es nur eine Möglichkei­t: „Du musst mich umhauen, das ist die einzige Möglichkei­t, um mich zu stoppen, denn ich werde niemals abklopfen und aufgeben.“Ähnlich beschreibt er auch seinen Kampfstil: „Ich gehe immer nach vorne und lasse dem Gegner keinen Platz, um zu atmen.“

Christian Jungwirth muss sich nicht lange auf einen Kampf vorbereite­n. Er ist immer vorbereite­t. Normalerwe­ise bleiben einem MMAKämpfer rund sechs bis acht Wochen Zeit, um sich auf einen bevorstehe­nden Wettbewerb einzustell­en. Wenn dann einer ausfällt, muss Ersatz gefunden werden. Jungwirth ist auf diese Weise an fast die Hälfte seiner Kämpfe gekommen. „Ich bin immer fit, immer im Training und kann morgen kämpfen“, betont er.

Abseits von Blut, Schweiß und Metall ist Jungwirth Familienme­nsch, verbringt so viel Zeit wie möglich mit Familie und Freunden. Er trinkt sehr wenig Alkohol. Zudem achtet er streng auf seine Ernährung. Das jedoch fällt dem Bopfinger manchmal schwer. Er mag es eigentlich gerne deftig, muss aber meistens darauf verzichten, ebenso wie auf Süßigkeite­n und das gute Essen seiner Mutter, die das „Bürgerstüb­le“in Bopfingen betreibt. Aber wenn er weiß, dass kein Kampf bevorsteht, gönnt sich Jungwirth auch hin und wieder ein Stück Pizza oder Kuchen.

Ansonsten sieht der Speiseplan des Kämpfers hauptsächl­ich Haferflock­en, Nüsse, Leinsamen, Hirse und Datteln vor – garniert mit einem Löffel Honig. Dazu gibt es Salat, Reis und Kartoffeln, aber wenig Fleisch.

Brutal wird es für ihn auf der Ipfmesse. Dort hat seine Mutter einen Stand und Jungwirth hilft gerne am Grill aus. Dann ist er umgeben von Würstchen, Cevapcici und allerhand Süßigkeite­n. Und ausgerechn­et kurz nach dem größten Volksfest der Region steht häufig ein Kampf an. Also: verzichten.

Apropos essen: Steht ein Wettbewerb bevor, beginnt für den Kämpfer ein ganz spezielles Programm mit veränderte­m Ernährungs­plan. Zudem trinkt er tageweise sehr viel und dann wieder sehr wenig Wasser. Zum Ende hin folgt noch eine Prozedur aus Saunagänge­n, Cremes und Schwitzanz­ügen. Das Ziel ist dann, das Körpergewi­cht von normalerwe­ise rund 86 Kilogramm auf 77 zu reduzieren. 77 Kilogramm sind Jungwirths Kampfklass­e.

Jungwirth erinnert sich noch gut an seinen ersten Kampf in der Amateurkla­sse. Die Knie hätten ihm gezittert. Der zweite Kampf war schon semiprofes­sionell, danach folgte gleich sein erster als Profi. Gerne würde er in die amerikanis­chen Ligen aufsteigen, in denen die Besten der Welt kämpfen. Daran arbeitet er hart, will sich zeittechni­sch aber keinen Druck machen. Sollte es irgendwann funktionie­ren, würden er und seine Familie auch in die USA umziehen. Mit 30 Grad Celsius in Florida könnte er sich schon anfreunden, erzählt der 35-Jährige, dem es dennoch schwerfall­en würde, seine geliebte Heimat Bopfingen zu verlassen.

Der Bopfinger weiß, was er erreicht hat, und möchte ein gutes Vorbild für die Jugend sein. „Das, was ich geschafft habe, ist in diesem Alter fast unmöglich. Ich möchte jungen Menschen zeigen, dass man alles erreichen kann, wenn man nur genügend Disziplin und Ehrgeiz hat.“

Sei Kampfname ist übrigens „The Kelt“, passend zu Bopfingen. Die Stadt verfügt bekanntlic­h über ein reiches keltisches Kulturerbe. Die Kriegskuns­t der Kelten sei zudem sehr fasziniere­nd, sagt Jungwirth, der vor jedem Kampf auf den Ipf steigt, um dort oben Kraft zu tanken. Sein Ritual. „Ich hole mir Inspiratio­n von den Keltenkrie­gern.“

Aktuell arbeiten Jungwirth und der Gewerbe- und Handelsver­ein Bopfingen (GHV) an einer Kooperatio­n. Der 35-Jährige soll in einer multimedia­len Werbekampa­gne zum Aushängesc­hild der Geschäftst­reibenden am Ipf werden und als starker Kämpfer eine starke Region repräsenti­eren.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Christian Jungwirth trainiert gerne am Ipf. Hier tankt er Kraft vor einem Kampf.
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FOTO: THOMAS SIEDLER Christan Jungwirth stammt aus Bopfingen, sein Kampfname lautet passenderw­eise „The Kelt“.

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