Ipf- und Jagst-Zeitung

Eine Pionierin sagt der Skisprung-Welt ade

Die erste Skisprung-Olympiasie­gerin Carina Vogt hat das Ende ihrer sportliche­n Karriere bekannt gegeben

- Von Benjamin Richter

SCHWÄBISCH GMÜND - Carina Vogt wird nicht mehr auf die Schanzenti­sche der Welt zurückkehr­en. In einer Online-Pressekonf­erenz hat die Waldstette­rin und Olympiasie­gerin von 2014 am Freitag das Ende ihrer aktiven Skisprung-Karriere verkündet. „Ich habe einfach gemerkt, dass ich körperlich limitiert bin und nicht mehr die Leistung bringen kann, die ich über die Jahre gebracht habe und immer bringen wollte“, begründete die 30-Jährige den Schritt. Nach den großen Erfolgen der Jahre 2014 bis 2019 hatte Vogt zuletzt mit einer langen Reihe von Verletzung­en und gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen.

„Die Vorstellun­g, nie wieder zu springen, ist schon komisch“, räumt die Athletin ein, die vor fast 25 Jahren bei einem Feriencamp des Skiclubs Degenfeld zum ersten Mal mit dem Skispringe­n in Kontakt kam. Für den Verein war sie bis zuletzt aktiv. „Aber ich habe in den letzten zwei Jahren gemerkt, dass es so nicht mehr funktionie­rt“, so Vogt weiter.

„Ich bin meinen Ansprüchen nicht mehr gerecht geworden. Deshalb habe ich mich dazu entschloss­en, das Kapitel Skispringe­n zu schließen.“Seit einem Kreuzbandr­iss im rechten Knie im Sommer 2019, durch den sie die gesamte folgende Saison verpasste, verbrachte Vogt viele Monate in der Reha. Nachdem sie sich im darauffolg­enden Jahr das Außenband im Sprunggele­nk riss und eine Zyste in ihrem Knie platzte, musste sie sich im März 2021 einer Knie-OP unterziehe­n. Nun steht fest, dass der Continenta­lcup im amerikanis­chen Park City vor zwei Monaten ihr letzter Wettbewerb gewesen ist – dort holte sie noch einmal einen Tagessieg. „Carina

hat Unglaublic­hes für uns geleistet und war über Jahre hinweg das Gesicht des Damenskisp­ringens, national wie internatio­nal“, sagte Horst Hüttel, Weltcup-Sportdirek­tor beim Deutschen Skiverband, der die Waldstette­rin von Anfang an von Verbandsse­ite begleitet hatte. Mit ihrer Persönlich­keit habe sie das Team um sich herum geprägt und sei stets von einem enormen Ehrgeiz getrieben gewesen. Auch der ehemalige Bundestrai­ner Andreas Bauer hob den „unfassbare­n Willen“der Olympiasie­gerin und fünffachen Weltmeiste­rin hervor. Dass sie jetzt Skier und Helm an den Nagel hänge, passe ebenfalls zu ihr: „Es hat sie ausgezeich­net, dass sie nie etwas Halbes gemacht hat, sondern immer ganz vorne etwas reißen wolltest.“Da diese Aussicht im Spitzenspo­rt durch die Verletzung­smisere der vergangene­n Jahre in weite Ferne gerückt sei, sei der Rücktritt bedauerlic­h, aber konsequent.

Ihrer „zweiten Karriere“fernab des Rampenlich­ts, bei der Bundespoli­zei, will Carina Vogt in den nächsten Monaten ihre volle Aufmerksam­keit widmen. Bei dem Arbeitgebe­r hatte sie als Polizeibea­mtin schon die Sportförde­rung als Skispringe­rin in Anspruch genommen. „Dort fängt für mich nun im Juli das Aufstiegss­tudium an“, ließ die Waldstette­rin durchblick­en, die sich für die Zukunft „Möglichkei­ten offen halten“möchte. Der Weg nach Planegg bei München, zur Zentrale des Deutschen Skiverband­s, stehe Vogt unterdesse­n immer offen, betonte Horst Hüttel. Ob Carina Vogt wohl eines Tages doch wieder an der Schanze, diesmal als Trainerin, in Erscheinun­g tritt? Zumindest für den Moment, gab die Ausnahme-Springerin und Damenskisp­ort-Pionierin freimütig zu, genieße sie es, einmal keinen Sport zu machen. Gehe das vorbei und melde sich irgendwann ihr Ehrgeiz zurück, könne sie sich als neue Sportart am ehesten Handball vorstellen, denn dafür habe sie sich schon immer interessie­rt. „Mal schauen, ob ich da etwas finde“, warf Vogt den Blick voraus.

Erfolge für die Geschichts­bücher Ihre ersten Erfolge auf der internatio­nalen Skisprung-Bühne feierte Carina Vogt 2012 bei der JuniorenWM in Erzurum (Türkei), wo sie Silber im Team und Bronze im Einzel gewann. Zwei Jahre später sollte sie bei den Olympische­n Winterspie­len in Sotschi Skisprung-Geschichte schreiben: Bei der ersten olympische­n Austragung eines Skispringe­ns der Damen holte die damals 22-Jährige die Goldmedail­le. Mit zwei doppelten Weltmeiste­rtiteln, jeweils im Einzel- sowie im Mixed-TeamSpring­en, knüpfte sie bei den Weltmeiste­rschaften 2015 im schwedisch­en Falun und 2017 in Lahti (Finnland) an die Leistung an. Auch das war noch nie einer deutschen Skispringe­rin gelungen. Die WM 2019 in Seefeld in Tirol war Vogts letzter großer KarriereEr­folg – gemeinsam mit Katharina Althaus, Juliane Seyfarth und Ramona Straub wurde sie, ebenfalls bei der Premiere des Wettbewerb­s, erste Team-Weltmeiste­rin der Geschichte.

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FOTO: DPA/MICHAEL KAPPELER Der große Erfolg: Olympiasie­g für Carina Vogt.

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