EU bittet Energiekonzerne zur Kasse
Abschöpfung von Krisengewinnen soll Bürger entlasten – Weniger Mehrwertsteuer auf Gas
BRÜSSEL/BERLIN (dpa/AFP) - Energiefirmen in der EU werden angesichts der gestiegenen Preise zur Kasse gebeten, um Haushalte zu entlasten. Die EU-Energieminister billigten am Freitag ein Notfallpaket. Darin werden einerseits verbindliche Ziele fürs Stromsparen vereinbart. Andererseits wird festgelegt, dass viele Stromproduzenten sowie Öl- und Gaskonzerne einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat zahlen müssen. Mit diesem Geld sollen Verbraucher und Unternehmen entlastet werden.
„Wir werden sie in Deutschland schnell umsetzen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über die Maßnahmen zur Gewinnabschöpfung. Die Bundesregierung will mit dem eingesammelten Geld den Bürgern Strom teils billiger zur Verfügung stellen – zusätzlich zu dem Entlastungspaket mit einem Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro, das die Ampel-Koalitionäre am Donnerstag verkündet hatten.
Keine Einigung gab es über einen möglichen europäischen Höchstpreis für Gas. Diesen lehnt unter anderem Deutschland ab. Habeck warnte, ein EU-weiter Gaspreisdeckel könne zu Versorgungsengpässen führen. Die Mehrheit der EU-Staaten fordert hingegen einen Maximalpreis für Gas sowohl im Großhandel als auch für Importe. In Italien wird etwa kritisiert, dass manche Länder nicht genug Geld für große nationale Entlastungspakete hätten.
Unterdessen beschloss der Bundestag am Freitag, den Steuersatz wegen der Energiekrise vorübergehend von 19 auf 7 Prozent zu senken. Das soll bis Ende März 2024 gelten. Die Gaspreise stiegen immer weiter, begründete Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Steuersenkung. „Und der Staat darf nicht Profiteur davon sein, dass für die Menschen das Leben teurer wird.“
Der Bundesverband der Energieund Wasserwirtschaft versicherte, dass die Mehrwertsteuersenkung „eins zu eins“an die Kunden weitergegeben werde. Das sei „selbstverständlich“, erklärte der Verband. Nach Rechnung des Vergleichsportals Verivox müssten die Preise bei voller Weitergabe an die Verbraucher um 7,3 Prozent sinken. Für eine Familie mit einem Gasverbrauch von 20 000 Kilowattstunden bedeute das eine Entlastung von 366 Euro im Jahr.
Seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und der damit einhergehenden Energiekrise ist die Zufriedenheit der Deutschen mit der Ampel-Koalition deutlich zurückgegangen. Waren im März noch 75 Prozent der Bundesbürger der Meinung, die Regierung leiste gute Arbeit, so sagen das jetzt nur noch 49 Prozent, wie das am Freitag veröffentlichte ZDF-„Politbarometer“ergab. 44 Prozent stellten SPD, Grünen und FDP demnach ein schlechtes Zeugnis aus.
Besonders tief sitzt die Unzufriedenheit in Ostdeutschland. Nach dem jüngsten Bericht des Ostbeauftragten Carsten Schneider (SPD) sind nur 39 Prozent der Menschen im Osten zufrieden mit der heutigen Demokratie.