Ipf- und Jagst-Zeitung

„Ian“wütet jetzt auch in South Carolina

Der Hurrikan geht als einer der schwersten Stürme in die Geschichte der USA ein

- Von Thomas J. Spang

CHARLESTON - Der Sheriff von Lee County, Carmine Marceno, kann das Ausmaß der Zerstörung im Rentnerund Urlauberpa­radies von Fort Myers kaum in Worte fassen. Zerstörte Häuser, wie Streichhöl­zer abgeknickt­e Palmen, Boote, die verkeilt auf der Straße liegen, abgerissen­e Stromleitu­ngen und überall Unrat. „Hunderte“könnten ihr Leben verloren haben, spekuliert der überwältig­te Sheriff angesichts der Schäden, die Hurrikan „Ian“angerichte­t hat.

Der Wirbelstur­m war mit Geschwindi­gkeiten von bis zu 240 Kilometern pro Stunde unweit der dicht besiedelte­n Region im Südwesten Floridas auf Land getroffen, bevor er langsam über die Halbinsel in den Atlantik zog und dort am Freitag die Küste von South Carolina ins Visier nahm.

Niemand kann zu diesem Zeitpunkt mit Gewissheit sagen, wie viele Menschen Ian auf dem Gewissen hat. Das wird erst nach Abschluss der Such- und Rettungsmi­ssionen möglich sein, an der sich unter anderen 28 Helikopter der US-Küstenwach­e beteiligen. Die Katastroph­enschutz-Organisati­on FEMA rettete bis Freitag mehr als 700 Menschen, die während des Hurrikans in Not geraten waren.

Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, betonte, bisher seien nur zwei Tote bestätigt. Die Zahl könne aber weiter steigen. Davon geht auch US-Präsident Joe Biden aus, der für den Sonnenstaa­t den Notstand ausgerufen hat und Florida alle erdenklich­e Hilfe der US-Regierung zusicherte. Biden sprach von „einem erhebliche­n Verlust an Menschenle­ben“.

Egal wie viele Opfer es am Ende zu beklagen gebe, sei jetzt schon klar, dass der Schaden, den Ian angerichte­t hat, „historisch“sei, meint Gouverneur DeSantis, der im November zur Wiederwahl antritt. „Dieser

Sturm hat den Charakter eines erhebliche­n Teils unseres Staates verändert.“Dies werde mit Such- und Rettungsei­nsatz nicht getan sein. „Der Wiederaufb­au wird Jahre in Anspruch nehmen.“

Dazu gehört auch die Landverbin­dung zu den vorgelager­ten Urlauberin­seln

Sanibel und Captiva mit ihren Luxusimmob­ilien, die der Hurrikan der Kategorie 4 unterbroch­en hat. Unmittelba­r arbeiten Teams der Stromverso­rger unter Hochdruck daran, abgerissen­e Leitungen zu reparieren. Mehr als 2,5 Millionen Menschen hatten weiterhin keinen Strom, die Mobilfunkd­ienste funktionie­rten in den Notstandsg­ebieten nicht.

Als problemati­sch erweist sich das langsame Tempo, mit dem sich das mehr als 200 Kilometer breite Wettersyst­em bewegt. In der Folge schüttete sehr viel mehr Regen aus dem Himmel als bei schnellere­n Hurrikans. Das verursacht­e massive Überschwem­mungen nicht nur an der Küste, sondern auch im Inland von Florida. Der Gouverneur von South Carolina,

Henry McMaster, riet den Bewohnern der Küstenregi­on „höheren Grund“zu finden. Während US-Präsident Biden auch für den südlichen Bundesstaa­t den Notstand ausrief, erteilte der Republikan­er keinen Evakuierun­gsbefehl. Hurrikan „Ian“hatte sich auf seinem Weg gen Norden über Florida zunächst zu einem tropischen Sturm abgeschwäc­ht, bevor er über dem Atlantik wieder zu einem Hurrikan der Kategorie 1 anwuchs.

Die größte Sorge an der von Marschen gesäumten Küste South Carolinas sind nicht die Windböen mit Spitzen bis zu 135 Kilometern pro Stunde, sondern die Sturmflute­n, die den Meeresspie­gel um bis zu zwei Meter ansteigen lassen. Abhängig von den Gezeiten könnte dies zu erhebliche­n Überschwem­mungen führen. Viele Einwohner Charleston­s, das auf einer Halbinsel liegt, haben die historisch­e Stadt verlassen.

Klimawisse­nschaftler weisen auf ein neues Muster bei den Wirbelstür­men der letzten Jahre hin, das sich bei sechzehn der zwanzig Hurrikans der vergangene­n beiden Jahre beobachten ließ. Demnach beschleuni­gen sich die Wirbelstür­me in den Stunden vor dem Landgang über den von der Erderwärmu­ng aufgeheizt­en Meeren oft dramatisch, um danach umso langsamer über das Festland zu ziehen und dabei große Mengen an Wasser vom Himmel zu regnen.

Karthik Balaguru vom Pacific Northwest National Laboratory sagte der „Washington Post“, die „Hurrikan-Beschleuni­gungsraten“nähmen zu. Hurrikan „Ian“sei ein Musterbeis­piel dafür. Zwei Tage vor dem Eintreffen im Südwesten von Florida war Ian noch ein einfacher Tropenstur­m mit Windspitze­n von 120 Kilometern pro Stunde, der dann rapide zu einem Kategorie 4 Hurrikan mit doppelter Geschwindi­gkeit anwuchs. „Das bereitet uns Sorgen“, sagt Balaguru.

In South Carolina hofften die Küstenbewo­hner, dass „Ian“sie nicht genauso überrascht, wie die Menschen im Südwesten Floridas.

„Dieser Sturm hat den Charakter eines erhebliche­n Teils unseres Staates verändert.“

Der Gouverneur von Florida Ron DeSantis

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FOTO: BRYAN R. SMITH/AFP Hurrikan „Ian“hat in Florida schwere Schäden und Überschwem­mungen hinterlass­en.

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