Ipf- und Jagst-Zeitung

Stadt übernimmt den Kindergart­en „Sonnenhaus“

Evangelisc­he Kirchengem­einde Aalen kündigt überrasche­nd den Vertrag – Ab September 2023 Übergang in die „Kita Marie Curie“

- Von Sylvia Möcklin

AALEN - Generation­en von Kindern haben im „Sonnenhaus“gelacht, geweint, gesungen und gespielt. Nun sind die Tage des evangelisc­hen Kindergart­ens neben der Markuskirc­he im Hüttfeld gezählt. Die evangelisc­he Kirchengem­einde Aalen hat den Vertrag gekündigt.

„Wir springen ein“, erklärte Sozialamts­leiterin Katja Stark in der jüngsten Sitzung des Gemeindera­ts, und alle Fraktionen begrüßten den nahtlosen Betriebsüb­ergang des Kindergart­ens zur Stadt Aalen. Dennoch kommen auf Kinder, Eltern und Personal der künftigen „Kita Marie Curie“Veränderun­gen zu.

Es sei „keine einfache Situation“für den großen Kreis der Betroffene­n, berichtete Katja Stark dem Gremium. Die Kündigung, die zum 31. August 2023 wirksam wird, sei vor rund einem Monat für alle überrasche­nd gekommen. In dieser „sportliche­n Zeit“habe die Stadt ein Gesamtkonz­ept für die Zukunft entwickelt. Die Eltern seien bei einem Elternaben­d kürzlich informiert worden.

Der Kindergart­en solle nicht schließen, sondern in eine städtische Kita „Marie Curie“übergehen. So könnten die Kinder bei ihren Freunden und vertrauten Erzieherin­nen und das Personal als Team zusammen bleiben. Jedoch nicht mehr in kirchliche­r Trägerscha­ft, nicht unter gleichem Namen und nicht mehr allzu lange am vertrauten Ort.

Das Konzept sieht vor, dass die Stadt ab September 2023 den Betrieb des Kindergart­ens „Sonnenhaus“mit allen Verträgen übernimmt und ihn in „Kita Marie Curie“umbenennt. Die Einrichtun­g werde als „StarterKit­a“dienen, um die große Kita „Maria Curie“vorzuberei­ten, die fünfgruppi­g auf dem Waldcampus entstehen soll. Längstens bis zum Sommer 2024 bleiben die Erzieherin­nen und Kinder des bisherigen „Sonnenhaus“noch im alten, zweigruppi­gen Gebäude bei der Markuskirc­he. Etwa Mitte 2024 steht der Umzug auf den Waldcampus an. Er sei für die Eltern zumutbar, die Entfernung zwischen „Sonnenhaus“und dem Kita-Standort Waldcampus betrage 950 Meter.

Das „Sonnenhaus“mit seinem naturnahen Garten, dem bunten Eingang, dem Regenbogen im Foyer, der für die Kinder ihre „Regenbogen­gruppe“symboliert, und mit der Treppe, die viele kleine Füße täglich zur „Sternengru­ppe“hochstapfe­n, wird im Sommer 2024 abgerissen. Das ist schon länger bekannt. Bereits 2014 hatte die evangelisc­he Kirchengem­einde das gesamte Areal „Markuskirc­he“einschließ­lich des Kindergart­ens an die städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft verkauft, seither nutzt sie das „Sonnenhaus“zur Miete. Die Wohnungsba­u plant seit Längerem, neben dem Kindergart­en auch die Markuskirc­he abzureißen und auf dem Areal Wohnungen zu bauen.

Doch gibt die evangelisc­he Kirchengem­einde Aalen nicht die bevorstehe­nde Bautätigke­it als Grund dafür an, das „Sonnenhaus“aufzugeben. Vielmehr gehe die Zahl der Kirchenmit­glieder stärker zurück, als angenommen, was zu weniger Kirchenste­uereinnahm­en führe. Außerdem hätten Folgen des Ukrainekie­gs Auswirkung­en. Deshalb wolle sich die evangelisc­he Kirchengem­einde „auf die verbleiben­den vier KitaStando­rte konzentrie­ren und diese langfristi­g qualitativ gut erhalten“, so die Vorlage.

Die Stadt Aalen wiederum will auf den Standort nicht verzichten. „Er versorgt das Hüttfeld nahezu idealtypis­ch“, sagte Katja Stark im Gemeindera­t. Auch der steigende Bedarf an Kinderbetr­euungsplät­zen lege es nahe, auf dem Areal Markuskirc­he

den Neubau einer weiteren, dann dreigruppi­gen Kita zu forcieren. Die Verwaltung verhandle darüber mit der städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aft.

Die neue Kita am Standort des „Sonnenhaus­es“könnte im Herbst 2025 fertiggest­ellt sein. „Eigentlich dachten wir, die evangelisc­he Kirchengem­einde setzt ihre Trägerscha­ft in diesem Ersatzneub­au fort“, meinte Katja Stark. Stattdesse­n gebe nun die Stadt den Familien und Fachkräfte­n eine Perspektiv­e. Im besten Fall wünschten sie alle sich „eine Rückkehr an den Standort Markuskirc­he“.

Alle Fraktionen stimmten den Plänen zu. „Es ist gut, dass die Stadt in die Bresche springt“, lobte Sigrun Huber-Ronecker von Bündnis 90/ Die Grünen. Thomas Wagenblast, Fraktionsv­orsitzende­r der CDU, fand die Begründung der evangelisc­hen Kirchengem­einde Aalen für die Kündigung „spannend“und fragte sich, „ob der Rückzug aus der Erziehungs­arbeit das Richtige ist, um künftig wieder mehr Kirchenmit­glieder zu gewinnen?“

Timo Lorenz von der SPD-Fraktion lobte die Starter-Kita als gutes Modell, um Eltern, Kinder und Beschäftig­te aufzufange­n. Bernhard Ritter von den Freien Wählern drückte seine Überraschu­ng aus: „Eine solche Situation gab es in Aalen noch nie.“Er hoffe, dass die Kirchen es weiterhin als hohes Gut betrachtet­en, als Träger von Kindergärt­en den Jüngsten den christlich­en Glauben nahezubrin­gen und so Einfluss zu nehmen, um weitere Kirchenaus­tritte zu vermeiden.

Roland Hamm von der Fraktion der Linken nahm den Fall des „Sonnenhaus­es“zum Anlass, um vorzuschla­gen, in einer Klausur grundsätzl­ich über die Finanzieru­ngsform der Kitas nachzudenk­en. Derzeit übernimmt die Stadt Aalen 97 Prozent der Betriebs- und 70 Prozent der Investitio­nskosten. Für die evangelisc­he Kirchengem­einde seien die Kosten, die bei ihr verbleiben, ausschlagg­ebend für die Kündigung gewesen. Hamm vermutete, dass dies bei kirchliche­n Trägern „der Anfang einer Entwicklun­g sein könnte, der wir uns stellen müssen“.

 ?? FOTO: MÖCKLIN ?? Der Eingang zum Kindergart­en „Sonnenhaus“.
FOTO: MÖCKLIN Der Eingang zum Kindergart­en „Sonnenhaus“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany