Die Seele des Jazzfests auf dünnem Papier
Fotograf Friedrun Reinhold zeigt Künstler und Ehrenamtliche auf großformatigen Bildern
AALEN - Die Atmosphäre in Hugs Weinkontor in der Bahnhofstraße ist entspannt. Jazz aus den Lautsprechern. Fotograf Friedrun Reinhold hat sich in der Ecke ein kleines Fotostudio eingerichtet. Franz Donner, stellvertretender Vorsitzender des Vereins kunterbunt, der Anfang November das 31. Aalener Jazzfest veranstaltet, hält eine Weinflasche mit Jazzfest-Banderole in der Hand. Es blitzt.
Gemeinsam mit den Jazzfest-Machern um den künstlerischen Leiter Ingo Hug – er ist auch Inhaber des Weinkontors – hat Friedrun Reinhold etwas Außergewöhnliches vor: Fotos in Übergröße, schwarz-weiß, 2,50 Meter hoch, 3,60 Meter breit – das sind gut neun Quadratmeter. Eigentlich aber sind es zwei außergewöhnliche Ideen. Während des Jazzfests wird er die Künstler fotografieren und die Bilder „zeitnah“auf Plakatwänden in Aalen, zehn Standorte stehen schon fest. „Das Konzert ist abends, am nächsten Mittag hängt das Foto“, verspricht er. Die Fotos werden auf leichtem, dünnem Papier ausgedruckt und mit Tapetenkleister von der Ellwanger Firma ikl Service GmbH von Matthias Grimm auf die Plakatwände geklebt. Dass diese Bilder nicht für die Ewigkeit gemacht sind, das ist Reinhold klar, das soll so sein: „Die sehen nach vier Wochen Novemberregen sicher nicht mehr aus wie am ersten Tag.“
So viel zu Idee eins. Aber Reinhold und Hug planen noch mehr: „Damit vor dem Jazzfest die Plakatwände nicht leer bleiben, kam die
Idee auf, eine Hommage all denen zu widmen, die das Jazzfest am Leben erhalten, die das Jazzfest zu dem machen, was es ist, aber nie groß in Erscheinung treten“, fasst Reinhold zusammen, „die ehrenamtlichen Helfer im Hintergrund.“
Deshalb also steht Franz Donner im Blitzlicht. Er ist der erste am Samstagvormittag, der sich in die Hände von Friedrun Reinhold begibt. Im Hintergrund läuft der Stones-Klassiker „Paint it black“von 1968, aber in einer Jazzversion des französischen Pianisten Rémi Panossian. Reinhold verwickelt sein Motiv in ein lockeres Fachgespräch. Lieblingsmusiker? Lieblingssong?
Reinhold geht auf die Personen ein, beschäftigt sich mit ihnen, dann erst entsteht das Bild, die Atmosphäre, „nicht 08/15“, sagt er. Vor dem Foto stehen Vorgespräche: „Was triggert Dich? Was treibt Dich an?“Er will herausfinden, auf welche Weise sich die oder der Ehrenamtliche mit dem Jazzfest identifiziert. „Franz Donner zum Beispiel hat mir erzählt, dass ihm das Jazzfest neue Räume eröffnet habe“, fasst der Fotograf das Vorgespräch zusammen. So lässt Reinhold dem Foto viel Raum. Und trotzdem soll das Bild lässig und locker wirken – wie Jazz eben. Reinhold war acht Jahre lang als Fotograf in Aalen
tätig, bevor es ihn vor zehn Jahren zurück nach Hamburg zog. „Ich bin immer in Verbindung mit Personen und auch mit der Region geblieben“, sagt er und fährt lachend fort: „Meine Freundschaft zu Ingo Hug lässt mich eben auch so einen ,Quatsch‘, so etwas Experimentelles, machen. Für mich ist das ein großer Spaß.“
Ihm geht es um den Reiz, die Seele des Jazzfests: „Auf der einen Seite weltweit agierende Profis, die in der Musikerbetreuung gewisse Standards erwarten, auf der anderen Seite die Schar der Ehrenamtlichen, die Außergewöhnliches leisten, damit sich die Künstler wohl fühlen. Diese Qualität ist auch ein Grund, warum das Aalener Jazzfest in Fachkreisen anerkannt ist. Was wäre Deutschland ohne Ehrenamtliche?“