VfB setzt auf den Rüpel-Faktor
Bei den Stuttgartern soll es auch im Training wehtun – Neuzugang Zagadou sorgt für gewollte Emotionen
STUTTGART - Auf dem Schulhof – und nicht nur dort – gibt es sie schon immer: Personen, die andere hänseln, verhöhnen oder neudeutsch mobben. Wesen, die eine gewisse Freude daraus zu ziehen scheinen, andere aufzuziehen. Doch während Pädagogen normalerweise versuchen, dieses Verhalten zu unterbinden, fördert der Fußballlehrer des VfB Stuttgart dieses Verhalten aktuell sogar. „Wenn er gewinnt und die anderen nicht, dann geht er in die Kabine und macht ein paar Witze, die auch wehtun und das gefällt mir“, erzählte Pellegrino Matarazzo vor dem Duell mit dem VfL Wolfsburg (15.30/ Sky) über den Trainingsalltag. Wen er meinte? Neuzugang Dan-Axel Zagadou, der ab sofort seinen Kaderplatz sicher hat. „Er sagt etwa: ,Spieler X, in welcher Mannschaft warst du noch mal?’, obwohl er es genau weiß und auch weiß, dass der andere verloren hat. Er zieht die anderen ein bisschen auf, feiert die Siege in der Kabine und lässt die anderen wissen, dass sie verloren haben“, so der VfBTrainer: „Es soll wehtun. Auch im Training, wenn man verliert.“
Dabei ist Matarazzo nicht etwa heimlich von Schadenfreude getrieben, wenn seine Schützlinge gefoppt werden, nein, dieses Verhalten sei förderlich und so eine Persönlichkeit etwas, das dem VfB-Kader jüngst noch gefehlt habe. Zagadou wolle eben auch im Training gewinnen. „Er kitzelt auch andere Spieler diesbezüglich. Er zieht die Jungs in eine gute Richtung“, führt der VfB-Trainer weiter aus. Ein Element, dass gerade in schwierigen Zeiten belebt, weiß Matarazzo: „Es war nicht unwichtig die Jungs zu reizen. Dass Emotionen provoziert werden, dass sie sich reinigen können und der Frust rauskommt.“Ein Glück also, dass der zuletzt vereinslose Zagadou auch außerhalb der Wechselperiode verpflichtet werden konnte. Ohnehin sei der 23-jährige Ex-Dortmunder mitnichten nur ein Rüpel. Auch spielerisch sei der Innenverteidiger ein absoluter Gewinn für die Schwaben. Zagadou habe laut Matarazzo Ruhe in seinen Aktionen, könne Spielszenen lesen, habe einen sehr guten linken Fuß und zumindest im Training bisher eine hervorragende Passquote. Zudem habe er aufgrund seiner Statur eine „Masse, um Bälle zu erobern“.
Diese Eigenschaft dürfte nicht zuletzt gegen die ebenfalls kriselnden Wölfe nützlich sein. Wolfsburg habe sich in den letzten Spielen defensiv stabilisiert, weiß Matarazzo, Ballgewinne sind da aus Stuttgarter Sicht elementar. Vor allem, weil mit Borna Sosa eine wichtige Stammkraft auszufallen droht. Der Linksverteidiger kehrte mit erhöhter Temperatur von der Reise zur kroatischen Nationalmannschaft zurück. Ein möglicher Ersatz ist Tanguy Coulibaly.
Doch wie dem auch sei, auf jeden Fall wollen die Mannen vom Wasen endlich wieder einen Sieg einfahren. Denn noch warten die Schwaben als Tabellen-16. auf den ersten Saisonsieg. Nur das Schlusslicht VfL Bochum konnte nach sieben Spieltagen auch noch keinen Dreier bejubeln. Matarazzo will die bisherige Ausbeute nicht schönreden, obwohl der VfB zum Start gegen fünf aktuelle Europapokal-Teilnehmer antreten musste. „Wir haben fünf Punkte aus sieben Spielen geholt – das ist Fakt und eine Situation. Sicherlich haben wir ein, zwei Gegner dabei gehabt, der ein anderes Kaliber hatte, aber ich möchte nichts relativieren“, sagte Matarazzo nach dem, was die Punkte anbelangt, nicht optimal verlaufenen Saisonstart.
Wie nun die Wende erreicht werden soll? „Wir werden uns fokussieren auf die Phasen im Spiel, wo wir gut sind, wo wir Sicherheit gewinnen können, wo wir auch effektiv sind“, sagte Matarazzo. Das heißt, wenn die Mannschaft spüre, dass etwas gut laufe, solle so Sicherheit gewonnen und in dieser Phase alles gegeben werden. „Wir wollen dort unbedingt ein anderes Gesicht zeigen als die Spiele zuletzt“, versprach Matarazzo, der rund um die Länderspielpause vor allem auf viele Einzel- und Gruppengespräche setzte: „Die Jungs machen einen entschlossenen Eindruck und ich bin sicher, dass wir am Samstag marschieren werden.“
Sollte dies gelingen, sei ein erneuter Besuch des „Cannstatter Wasen“auf jeden Fall drin. Der Besuch des Volksfestes in der Woche verlief dagegen eher noch gedämpft: „Es war ein schöner Abend mit den Jungs und nach einem Sieg am Samstag kann man auch spontan und mit einer anderen Gelassenheit feiern“, so Matarazzo, der solchen Veranstaltungen durchaus etwas abgewinnen kann: „Für mich sind die Volksfeste hier in Deutschland etwas Besonderes. Nicht weil ich so abgehe wie die meisten – bin ich schon mal, aber so ist es nicht –, sondern weil es einfach ein Kulturerlebnis ist.“
Dass die VfB-Spiele ein ähnlich belebendes Erlebnis werden, dafür müssen die VfBler selber sorgen.